Seite 1 bei Google kann so einfach sein.

Zahlreiche Spitzenpolitiker sprechen von einem Weg in den Überwachungsstaat

"Wie die Zentrale Einwohnermeldekartei der DDR"

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) steht wegen seines Plans, der Polizei den Online-Zugriff auf Passbilder und später auf Fingerabdrücke zu ermöglichen, weiter in der Kritik. Die SPD lehnt die Vorschläge angeblich strikt ab. Die FDP sieht Schäuble sogar auf dem Weg in einen Überwachungsstaat. Unions-Politiker unterstützen hingegen den Innenminister. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, mit der FDP werde es eine "solche Maßlosigkeit an Überwachung" nicht geben. Schäuble stelle "alle Bürger unter kriminellen Pauschalverdacht". Dieses Vorgehen missachte das Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Der FDP-Politiker Burkhard Hirsch (FDP) kündigte eine Verfassungsbeschwerde an, sollten Schäubles Pläne realisiert werden. Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer warnte vor einer totalen Überwachung der Bürger.

"Wir sind dagegen, dass jeder Polizist in allen Straftatbereichen ohne Rücksprache auf diese Daten Zugriff hat", sagte der SPD-Innenexperte Klaus Uwe Benneter.

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) verteidigte Schäuble. "Warum soll man die Bilder zur Ermittlung von Rasern verwenden dürfen, aber nicht zur Aufklärung von Straftaten", fragte Bosbach. Er wandte sich aber gegen eine zentrale Sammlung der Fingerabdrücke. Bosbach hält nur eine dezentrale Speicherung für sinnvoll.

Beckstein: Vorläufig auf Fälle der Schwerstkriminalität beschränken

Die Innenminister der Länder sind gespalten. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) plädierte für den Zugriff der Polizei auf Passfotos und Fingerabdrücke. Beckstein griff zur gängigen Methode der kleinen Schritte: "Ich würde die Online-Abfrage beschränken auf Fälle der Schwerstkriminalität." Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) lobte Schäubles Pläne.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP) mahnte dagegen: "Wir müssen uns davor hüten, heute Dateien zu schaffen, die morgen den gläsernen Bürger schaffen können." Schleswig-Holsteins Ressortchef Ralf Stegner (SPD) kritisierte, Schäubles Vorschläge ließen "jedes Augenmaß vermissen".

Stegners Amtskollege aus Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann (SPD), rügte, alle Bürger als potenzielle Straftäter zu betrachten, sei in einer Demokratie fehl am Platze. Schäubles Misstrauen erinnere an die nach 1990 abgeschaffte Zentrale Einwohnermeldekartei der DDR.

Ramsauer: Assoziationen an George Orwells Buch "1984"

CSU-Landesgruppenchef Ramsauer sagte, bei dem Thema bewege man sich auf dem "ganz schmalen Grat" zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Öffentlichkeit und dem "Schrecken davor, vom Staat bis in die letzte Ecke der Privatsphäre ausleuchtbar zu sein." Ramsauer betonte, in ihm würden zuweilen Assoziationen an George Orwells Buch "1984" wach. Dort hatte Orwell die Vision eines Überwachungsstaat beschrieben.

Der CSU-Politiker mahnte, die Angemessenheit der Maßnahmen seien sehr abzuwägen. Er hielte "es für zu weitgehend, wenn mit der präventiven Keule aller sicherheitstechnischer Mittel 82 Millionen Deutsche über einen Kamm geschert und jeder von vornherein zu einem potenziellen Kriminellen und Sicherheitsrisiko gestempelt wird."

Mitglieder von Bürgerrechtsorganisationen, politischen Gruppen und Datenschutzvereinigungen wollen am Samstag in Frankfurt am Main gegen die aus ihrer Sicht "ausufernde Überwachung" durch Staat und Wirtschaft demonstrieren.

Korte: Schäubles Verfolgungswahn kennt keine Grenzen

Der Innenpolitiker Jan Korte (Linke) warnte vor einer Serie von Überwachungsmaßnahmen: "Heute der Zugriff auf biometrische Daten im Passregister, morgen die Nutzung von Mautdaten zur Verbrechensbekämpfung und übermorgen Online-Durchsuchungen und Vorratsdatenspeicherung." Schäubles Verfolgungswahn kenne keine Grenzen mehr. "Mit großem Halali sollen nun endgültig die letzten Grundrechte zur Strecke gebracht werden."

Die Versicherungen des Innenministeriums, es werde keine zentrale Speicherung biometrischer Daten geben, sei "Schnee von gestern", so Korte. Forderungen des Bundesrats würden dankbar aufgegriffen, um den "automatisierten Abgleich mit erkennungsdienstlichen Dateien der Polizeivollzugsbehörden" zu ermöglichen. "Bevor die Bürgerinnen und Bürger ihre Fingerabdrücke und Gesichtsbilder an den Meldeämtern abgeben müssen, wird obendrein noch schnell eine zentrale Datenbank beschlossen."

Da ein Teil der Bevölkerung, insbesondere Seniorinnen und Senioren und Jugendliche, keine ausgeprägten Fingerabdrücke besitze, seien Fehlidentifizierungen vorprogrammiert, meint Korte. Vom Innenministerium in Auftrag gegebene Studien belegen nach Darstellung des Politikers, "dass die automatisierten Abfragen in der Praxis zu vielen fälschlich als Verbrecher identifizierten Unschuldigen führen werden". Doch das störe Schäuble offenbar nicht.

Aus "präventiven Gründen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" solle zudem auf die Löschung der sensiblen biometrischen Daten verzichtet werden. "Soll heißen: einmal erfasst, für immer gespeichert. Die biometrische Vollerfassung der Bürgerinnen und Bürger ist also in vollem Gange." Wer den Überwachungsstaat nicht wolle, sollte spätestens jetzt aufwachen, fordert Korte.

Leutheusser-Schnarrenberg: Der gläserne Bürger scheint leider längst keine Utopie mehr zu sein

Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte, das Vorhaben der schwarz-roten Koalition, alle gescannten Daten künftig in einer Zentraldatei zu speichern, stelle einen massiven Eingriff in das Recht zur informationellen Selbstbestimmung dar.

"Diese völlig unverhältnismäßigen Vorschläge widersprechen alldem, was beim Gesetzgebungsverfahren 2001 vom ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily zugesagt wurde", sagte die vormalige Bundesjustizministerin. "Hier wurde versichert, dass eben keine Zentraldatei geschaffen wird und biometrische Daten ausschließlich auf dem Pass gespeichert werden. Das war die unbedingte Voraussetzung für eine Mehrheit im Deutschen Bundestag."

Heute bestehe keine Notwendigkeit für eine solche Änderung des Passgesetzes, meint Leutheusser-Schnarrenberger. Die Identitätsfeststellung des Passinhabers mache sie nicht erforderlich.

Es zeige sich wieder einmal "die schlimme Tendenz: Sobald es in bestimmten Bereichen erfasste Daten gibt, wird der Staat maßlos und immer begehrlicher nach noch mehr Daten. Wenn erstmal die zentrale Foto-Datei vorhanden ist, führt das in Zukunft wohl zu einer Entwicklung, an deren Ende die zentrale Erfassung der gesamten DNA aller Bürger stehen wird. Der gläserne Bürger scheint leider längst keine Utopie mehr zu sein", so Leutheusser-Schnarrenberger."Solche Gesetze schaffen keine Sicherheit, sondern verletzen die Grundrechte der Bürger und beschränken somit ihre Freiheit", so die Leutheusser-Schnarrenberger. Mit dieser Politik müsse endlich Schluss sein.