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Heiner Geißler

"Die globalisierte Ökonomie ist eine Welt der Anarchie - ohne Regeln"

"Das Kapital hat die Bevölkerung agglomeriert, die Produktionsmittel zentralisiert und das Eigentum in wenigen Händen konzentriert. Die Arbeiter, die sich stückweise verkaufen müssen, sind eine Ware wie jeder andere Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechselfällen der Konkurrenz, allen Schwankungen des Marktes ausgesetzt." Mit diesem Zitat aus dem "Manifest der Kommunistischen Partei" von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Jahr 1848 beginnt ein Beitrag des CDU-Politikers Heiner Geißler in der wirtschaftsliberalen und SPD-nahen Wochenzeitung "Die Zeit" vom 11. November. Der ehemalige Bundesminister vergleicht die Situation der Menschen in der heutigen globalen Wirtschaft in seinem wütenden Beitrag mit der Situation auf den Sklavenschiffen des 18. Jahrhunderts. Den Menschen zeige sich die "hässliche Fratze eines unsittlichen und auch ökonomisch falschen Kapitalismus", da Börsenwerte und Managergehälter stiegen, wenn Zehntausende von Menschen in den Unternehmen wegrationalisiert und anschließend mit Hilfe der Politik auf die unterste Sprosse der sozialen Stufenleiter befördert werden würden.

"Nicht das Gespenst des Kommunismus, vielmehr die Angst geht um in Europa – gepaart mit Wut, Abscheu und tiefem Misstrauen gegenüber den politischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Eliten", schreibt Geißler in der Zeit. Wütend rechnet der CDU-Politiker mit der Wirtschaftswissenschaft ab: "Unter Berufung auf angebliche Gesetze des Marktes reden sie vielmehr einer anarchischen Wirtschaftsordnung, die über Leichen geht, das Wort."

Neben seiner Kritik an den Wirtschaftswissenschaftlern schreckt Geißler auch vor einer - von den Medien selbst vielfach sanktionierten - "Medienschelte" nicht zurück. So sieht er die Ursache für die aktuelle Entwicklung in einem "Meinungskartell von Ökonomieprofessoren und Publizisten, die meinen, die menschliche Gesellschaft müsse funktionieren wie DaimlerChrysler, und die sich beharrlich weigern, anzuerkennen, dass der Markt geordnet werden muss, auch global Regeln einzuhalten sind und Lohndumping die Qualität der Arbeit und der Produkte zerstört."

Geißler beklagt, dass 100 Millionen von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen in Europa und den USA und 3 Milliarden Arme zusammen ein geringeres Einkommen hätten als die 400 reichsten Familien der Erde. Die "Adepten einer Shareholder-Value-Ökonomie" würden keine Werte kennen jenseits von Angebot und Nachfrage.

Wird Bundeskanzler Gerhard Schröder von Unternehmen und Großbanken erpresst?

Schuld an den Zuständen sind nach Auffassung des ehemaligen Bundesministers "die Staatsmänner der westlichen Welt, die sich von den multinationalen Konzernen erpressen und gegeneinander ausspielen lassen."

Die Menschen seien mit einer Großen Koalition konfrontiert, "die offensichtlich die Republik mit einem Metzgerladen verwechselt, in dem so tief ins soziale Fleisch geschnitten wird, dass das Blut nur so spritzt". Marginalisierte und von der Marginalisierung bedrohte Menschen müssten sich vom politischen und ökonomischen Establishment als Neonazis und Kommunisten beschimpfen lassen, wenn sie radikale Parteien wählten, weil es keine Opposition mehr gebe.

Die Arbeiter in den Industriestaaten und ihre Gewerkschaften, die angesichts der Massenarbeitslosigkeit mit dem Rücken an der Wand stünden, fühlten sich anonymen Mächten ausgeliefert, "die von Menschen beherrscht werden, deren Gier nach Geld ihre Hirne zerfrisst". Die Menschen leben und arbeiten nach Ansicht von Geißler in einer globalisierten Ökonomie, die eine Welt der Anarchie sei – ohne Regeln, ohne Gesetze, ohne soziale Übereinkünfte, eine Welt, in der Unternehmen, Großbanken und der ganze "private Sektor" unreguliert agieren könnten.

"Ideen verändern die Welt"

Geißlers Anklage in der Zeit bleibt nicht ohne Appell zur Veränderung: "Wo bleibt der Aufschrei der SPD, der CDU, der Kirchen" gegen ein Wirtschaftssystem, in dem große Konzerne gesunde kleinere Firmen mit Inventar und Menschen aufkauften, "als wären es Sklavenschiffe aus dem 18.Jahrhundert, sie dann zum Zwecke der Marktbereinigung oder zur Steigerung der Kapitalrendite und des Börsenwertes dichtmachen und damit die wirtschaftliche Existenz von Tausenden mitsamt ihren Familien vernichten?"

"Ideen verändern die Welt", schreibt Geißler und weist damit die allseits vernehmbare Botschaft "There is no alternative" entschieden zurück. Geißler: "Warum wird tabuisiert und totgeschwiegen, dass es eine Alternative gibt zum jetzigen Wirtschaftssystem"?

Geißler sieht eine Alternative in einer "internationalen sozial-ökologischen Marktwirtschaft mit geordnetem Wettbewerb". Nur "Dummköpfe und Besserwisser" könnten annehmen, man könne auf Solidarität und Partnerschaft verzichten. Konkret sieht er beispielsweise eine Lösung darin, durch Bürgerversicherung und Steuerfinanzierung die Löhne von den Lohnnebenkosten zu befreien.

Geißler rügt Diskriminierung von Frauen bei der Olympiade

Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler kritisiert die Diskriminierung von Frauen bei der Olympiade und wirft dem Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Doppelmoral vor. Bei den Spielen in Athen seien Länder zugelassen worden, in denen Frauen überhaupt keinen oder nur begrenzt Sport treiben dürften, darunter Dschibuti, Eritrea, Sudan, Tschad, Iran, Jemen, Katar, Kuweit, Oman, Pakistan, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, sagte Geißler dem Kölner "Express" (Montagausgabe). In der Olympischen Charta heiße es aber in Kapitel 1, "alle Formen der Diskriminierung mit Bezug auf ein Land oder eine Person, sei es aus Gründen von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Motiven sind mit der olympischen Bewegung unvereinbar".

Wer diese Prinzipien nicht beachte, dürfe zu den olympischen Spielen nicht zugelassen werden, sagte Geißler. Dennoch habe das IOC es bisher abgelehnt, diese Länder zu sperren. "Auch das Nationale Olympische Komitee in Deutschland hat sich bisher geweigert, eine effiziente Initiative zur Änderung dieses untragbaren Zustandes zu ergreifen."

Am 23-08-2004

Keine Volkspartei mehr

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler fordert von der wahrscheinlichen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Änderung ihres sozialpolitischen Kurses. Der Wählerwille habe der "neoliberalen, man kann sagen marktradikalen" Programmatik der Union eine Absage erteilt, sagte Geißler am Mittwoch dem Südwestrundfunk (SWR). Merkel habe die Wahl verloren, weil die CDU den Menschen Rezepte vorgelegt habe, die ihnen Angst gemacht hätten. "Die Leute brauchen mehr Geld in der Tasche, die Handwerker brauchen Aufträge, und nicht weitere Kürzungen mit Mehrwertsteuererhöhung und noch höheren Abgaben für die Menschen", betonte er. Pläne, den Flächentarifvertrag abzuschaffen, die Nachtarbeitszuschläge abzubauen und den Kündigungsschutz zu lockern seien Einzelkonzepte ohne irgendeinen Zusammenhang.

"Die CDU ist mit diesem Programm von der Mitte nach rechts gerückt", sagte Geißler. Nun habe sich die alte Wahrheit bestätigt: "Wer nach rechts rückt, wird von links regiert".

In einem Gespräch mit den "Ruhr Nachrichten" hat Geißler seiner Partei den Status einer Volkspartei abgesprochen. "Bei einem Wahlergebnis von 35,2 Prozent der Union lässt sich nicht mehr ernsthaft von einer Volkspartei sprechen", so Geißler. In seiner Amtszeit habe die Union noch um Wahlergebnisse von 50 Prozent gekämpft. Davon sei man heute weit entfernt.

"Im Schlepptau der Neoliberalen"

"Diejenigen, die die angebliche Sozialdemokratisierung der Union kritisiert und immer neue marktliberale Forderungen erhoben haben, sind für das schlechte Abschneiden verantwortlich. Sie haben die CDU ökonomisch nach rechts gerückt und werden jetzt mit Hilfe der CDU von links regiert", sagte er der Zeitung. Der Wähler habe dies völlig zu Recht abgewählt.

Die Wahlniederlage von heute ist nach Auffassung Geißlers auch die Folge der unterlassenen Aufarbeitung des Wahlergebnisses von 1998. Die Wahl habe man damals nicht nur wegen Helmut Kohl verloren, sondern wegen "sozialpolitischer Inkompetenz" und der Tatsache, dass man sich "ins Schlepptau der Neoliberalen begeben" habe.

Am 13-10-2005

Kündigungsschutz & Kopfpauschale

Die CDU ist nach Ansicht ihres früheren Generalsekretärs Heiner Geißler für die Krise der großen Koalition verantwortlich. Nicht umsonst kristallisiere sich die Auseinandersetzung um die Gesundheitsreform. Es räche sich, dass die CDU auf dem Leipziger Parteitag die Kopfpauschale beschlossen hat, die aber finanziell nicht realisierbar sei, schrieb Geißler in einem Beitrag für die Tageszeitung "Express". Müssten alle Menschen in Deutschland eine Kopfpauschale bezahlen, die die Gesamtkosten der Krankenversicherung abdeckt, so läge diese pro Kopf bei 260 Euro, so Geißler. "Mindestens ein Drittel der Bevölkerung wäre überfordert."

"Ein milliardenschwerer Sozialausgleich müsste über die Steuern geschaffen werden", so Geißler weiter. Bei der Bundestagswahl 2005 sei die marktliberale Position der CDU vom Kündigungsschutz bis zur Kopfpauschale ebenso abgewählt wie die "Agenda 2010" der SPD. Die CDU sei auf das zweitschlechteste Ergebnis seit 1949 abgestürzt.

Geißler forderte Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel auf, ein Konzept vorzulegen, das sich an den ethischen Grundsätzen der CDU orientiere. "Die totale Ökonomisierung des Gesundheitswesens kann nicht Inhalt der Politik der CDU sein", meint Geißler.

Am 02-10-2006

"Gefahr für Demokratie"

Der Vorsitzende des SPD-Arbeitnehmerflügels, Ottmar Schreiner, hat die Politik der rot-grünen Bundesregierung unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Rückblick als Gefahr für die Demokratie beschrieben. "Die Politik der von Schröder geführten rot-grünen Bundesregierung hat erheblich dazu beigetragen, dass prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse in Deutschland deutlich zugenommen haben - so wie auch die Abstiegsängste in unserer Gesellschaft zugenommen haben", sagte Schreiner der Zeitung "Bild am Sonntag" laut Vorabbericht. Weite Teile der Mittelschicht hätten Angst, im Alter in der Sozialhilfe zu landen. "Das geht an die demokratische Substanz unseres Landes", warnte er.

Schreiner warf der Schröder-Regierung vor, sie habe die Armut in Deutschland vergrößert. Das Kernanliegen der Schröder-Regierung, die Arbeitslosigkeit zurückzuführen, sei nicht erreicht worden. Die rot-grüne Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik habe das Armutsproblem in Deutschland verschärft. "Selten sind Anspruch und Wirklichkeit derart auseinandergefallen wie bei der 'Hartz'-Reform der rot-grünen Bundesregierung", urteilte Schreiner.

Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sagte dem Blatt, Schröders Politik habe dazu geführt, dass die Leute immer weniger in der Tasche hätten - mit verheerenden Folgen für die Binnennachfrage. "Die politische Stabilität baut auf drei Säulen auf: Demokratie, Marktwirtschaft und Sozialstaat. Wenn eine davon einbricht, darf man sich nicht wundern, dass die Leute das Vertrauen in das ganze System verlieren", sagte Geißler.

Am 07-11-2006

Gegenteil sozialer Marktwirtschaft

"Wir erleben eine weltweite Anarchie im Wirtschaftssystem, in dem unkontrolliert Hedge-Fonds agieren und bei so genannten Geierfonds verschuldete Entwicklungsländer ausgebeutet werden", sagte der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler dem "Handelsblatt" (23. Mai). Er widersprach der These, dass erst die Globalisierung vielen Ländern die Chance für Entwicklung gebe. So sei die Kluft zwischen Arm und Reich in keinem Land so groß wie in China. "Typisch ist die Entwicklung in eine Zweidrittel- oder Vierfünftel-Gesellschaft. Das ist das genaue Gegenteil jener Wirtschaftsphilosophie, die mit der sozialen Marktwirtschaft gemeint war", so Geißler. Nötig sei eine internationale sozial-ökologische Marktwirtschaft. "Ich will den Markt nicht abschaffen, aber er muss sozial verantwortlich werden", meint der CDU-Politiker. Heute gebe es Exzesse, die dem internationalen Terrorismus sozialen und emotionalen Schub gäben.

Geißler verteidigte auch seine Mitgliedschaft beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac. Sein Eintritt sei konsequent, weil er sich schon seit vielen Jahren für eine humane Entwicklung des Globalisierungsprozesses einsetze. Der Name Attac komme auch nicht von Attacke, sondern sei die Abkürzung für Besteuerung internationaler Finanztransaktionen. Das sei eine absolut richtige Zielsetzung.

Am 23-05-2007

Lebens- und Arbeitsleistung

Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler hat seine Partei aufgefordert, "Hartz IV" zu reformieren. "Die Leistungen müssen angehoben werden. Hier muss dringend etwas geschehen, sagte Geißler der "Passauer Neuen Presse". "Hartz IV" führe dazu, dass die Lebens- und Arbeitsleistung vieler nicht geachtet werde. "Hier wird die Menschenwürde verletzt."

Geißler warnte seine Partei zudem vor einer rein konservativen Ausrichtung. "Die CDU ist keine konservative Partei wie die britischen Torys. Wir sind eine christlich-demokratische Partei. Hier fließen die geschichtlichen Grundströme das Christlich-Soziale, das Konservative und das Liberale zusammen. Man sollte hier nicht einseitig akzentuieren." Die CDU müsse vielmehr ihr ökologische und ihr soziales "Profil" schärfen.

Allerdings bescheinigte Geißler der CDU, dass sie unter Angela Merkel "jetzt wieder auf einem guten Weg in die Mitte" sei. "So kann sie wieder zu einer Volkspartei werden und bei der nächsten Bundestagswahl über 40 Prozent kommen. Mit dem Programm des Leipziger Reformparteitags hatte sie sich davon entfernt."

Am 05-09-2007