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Atomkritiker sprechen vom Bau "Potemkinscher Dörfer"

Atom-Beschluss in Schweden

Der Beschluss der schwedischen Regierung, bestehende alte Atomkraftwerke durch neue ersetzen zu wollen, ändert nach Auffassung der atomkritischen Ärzteorganisation nichts an "der geringen Bedeutung der Kernenergie für die Energieversorgung". Man kenne das seit 20 Jahren. "Immer wieder kündigt die eine oder andere Regierung an, wieder ganz groß in die Atomenergie einsteigen zu wollen. Das führt dann allenfalls zum Ergebnis, dass wie in Finnland an einem einzigen Atomkraftwerk 10 Jahre lang herumgedoktert wird, während in der gleichen Zeit die zigfache Kapazität an Erneuerbaren Energieanlagen aufgebaut wird", sagte ein Sprecher der IPPNW. Die Atomlobby baue mit ihrem millionenschweren Werbeetat seit 20 Jahren "vornehmlich Potemkinsche Dörfer. Wir haben es hier mit einer konstruierten Wirklichkeit zu tun, die einer nüchternen Analyse nicht Stand hält." Die Zahl der weltweit betriebenen Atomkraftwerke sei seit Jahren rückläufig.

Im Jahr 2008 ging laut IPPNW weltweit nicht ein einziges Atomkraftwerk ans Netz, die Zahl der Anlagen sank weiter auf 438. Nach den Zahlen der Internationalen Energie-Agentur ("Key World Energy Statistics 2008") produzierte die Atomenergie im Jahr 2006 rund 2793 Terawattstunden (TWh) Strom, während die Wasserkraft 3121 TWh lieferte. Der Wasserkraft-Anteil an der weltweiten Energieversorgung liegt den Angaben zufolge bei 2,2 Prozent, der der Atomenergie bei nur 2 Prozent. Laut IPPNW zeigt dass, dass die Atomenergie "eine für die Energieversorgung der Menschheit praktisch bedeutungslose 2%-Technik ist. Die Atomlobby macht immer so viel Aufhebens, weil sie den falschen Eindruck erwecken möchte, als könne man ohne Atomstrom nicht auskommen."

Die IPPNW fordert die Atomindustrie auf, nüchtern darzulegen, wie sie mit ihrer 2%-Technik die Energieversorgung der Menschheit sicherstellen und das Klima retten will. Die Atomlobby soll erklären, mit welchen Energietechniken die übrigen 98% der benötigten Energie bereitgestellt werden sollen. Die Antwort der Energiekonzerne sei allerdings ohnehin bekannt: "Während sie ihre Atomkraftwerke mit dem Klimaargument anpreisen, wollen sie zugleich neue Gas und Kohlekraftwerke errichten, weil sie mit ihren 2% Atomstrom nicht weit kommen. Mit Klimaschutz und Ressourcenschonung hat das allerdings nichts zu tun."

Die wirkliche Alternative liegt nach Auffassung der Atomkritiker im weiteren dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Diese trügen schon heute mit rund 18 Prozent zur Weltenergieversorgung bei. "Kaum jemand zweifelt noch daran, dass die Erneuerbaren Energien in einem überschaubaren Zeitraum das fossil-atomare Energiesystem zu 100 Prozent ablösen werden", meint die IPPNW. Allein schon die zunehmende Verknappung der umkämpften fossilen Energiequellen zwinge zum Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energie.

Die Organisation verweist darauf, dass am 27. Januar 2009 in Bonn 75 Staaten aus aller Welt die Internationale Agentur für Erneuerbare Energie (IRENA) gegründet haben, "darunter der Atomstaat Frankreich und zahlreiche erdöl-exportierende Länder aus dem arabischen Raum, aus Afrika und aus Lateinamerika".

Auch in Deutschland treibe die Erneuerbare-Energien-Branche mit ihren bislang 250.000 Beschäftigten den Ausbau der Erneuerbaren Energien unaufhörlich voran. Die derzeit in Deutschland installierten Windenergieanlagen produzierten zeitweise schon mehr Strom als die deutschen Atomkraftwerke. Die Erneuerbaren Energien tragen den Angaben zufolge schon zu über 15 Prozent zur Stromerzeugung Deutschlands bei. "Würden insbesondere die Unions-regierten Länder wie Hessen, Bayern und Baden-Württemberg die systematische Behinderung der Wind- und Solarenergie endlich beenden, dann könnte Deutschlands Strom schon in wenigen Jahren zu 100 Prozent durch Erneuerbare Energieanlagen erzeugt werden", so der IPPNW-Sprecher.

Greenpeace rechnet vorerst nicht mit Atomkraftwerks-Neubau in Schweden

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace misst der Entscheidung in Schweden keine allzu große Bedeutung bei. Man rechne dort vorerst nicht mit dem Neubau von Atomkraftwerken. Schweden sei auf europäischer Ebene eine Verpflichtung eingegangen, bis 2020 rund 50 Prozent der Energieversorgung durch Erneuerbare Energien bereitzustellen, sagte die Greenpeace-Expertin für Klima- und Energiefragen, Martina Krüger.

Zudem gebe es dazu bislang lediglich eine Koalitionsvereinbarung. Ein entsprechender Gesetzentwurf liege noch nicht vor. Ob ein solches Gesetz im Parlament überhaupt eine Mehrheit fände, sei zudem nicht ausgemacht.

Die schwedische Regierung hatte eine Abkehr vom geplanten Atomausstieg bekanntgegeben und dies mit der Energiesicherheit und dem Klimaschutz begründet. Bestehende Reaktoren sollen danach durch neue ersetzt werden. Krüger wertete dies als "Imageschaden" für das skandinavische Land. Denn hier würden "Luftschlösser" gebaut.

Die Greenpeace-Expertin betonte, es werde weiter in Erneuerbare Energien investiert. In Schweden werde traditionell viel Energie aus Wasserkraft gewonnen. Die Windkraft stehe gerade vor dem Durchbruch. Die Entscheidung der Regierung zur Atomkraft sei daher ungünstig in Hinsicht auf potenzielle Windkraft-Investoren. Krüger betonte, Schweden habe "unglaubliche Potenziale" an Erneuerbaren Energien. Im Vergleich zur Atomkraft sei Windkraft "viel billiger".

Krüger vermutet, dass die Atompolitik in Schweden ein Wahlkampfthema 2010 werden wird. Das Referendum für den Atomausstieg von 1980 sei in Schweden nicht bindend. Die Schweden glaubten zudem, sie hätten die sichersten Atomkraftwerke überhaupt - ungeachtet des schweren Zwischenfalls im Atomkraftwerk Forsmark 2006. In Forsmark war am 25. Juli 2006 die Stromversorgung zur Kühlung des Reaktors in Teilen ausgefallen. Der Reaktor wurde heruntergefahren. Experten werteten den Vorfall damals als fast-GAU.

Ebenso wenig wie Deutschland habe Schweden jedoch eine Antwort auf die Frage der Endlagerung von Atommüll, betont Krüger. So gebe es nach wie vor kein Endlager. Bis 2010 solle ein Konzept vorgelegt werden, wie Atommüll "im Berg verbaut" werden könne. Derzeit gebe es lediglich mehrere Zwischenlager direkt an den Atomkraftwerken sowie ein zentrales Zwischenlager.