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Verleger sehen Pressefreiheit durch Überwachungs-Entwurf gefährdet

Vorratsdatenspeicherung

Die Kritik an der geplanten europaweiten Speicherung aller Telefon-, Handy- und Internetverbindungsdaten reißt nicht ab. Einen Tag vor der geplanten Beratung im Europaparlament warnte der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, die Pläne würden den Informantenschutz untergraben und damit die Pressefreiheit gefährden. Informanten müssten befürchten, enttarnt zu werden. Doch gerade in Zeiten des Terrorismus, in der der Staat Bürgerrechte vermehrt beschränke und geheim agiere, sei jede Demokratie auf eine effektive und robuste Pressefreiheit angewiesen. Am Wochenende hatten weitere Organisationen kritisiert, die Richtlinie stelle 450 Millionen EU-Bürger unter Generalverdacht. Sie warnten, dass einmal geschaffene technische Möglichkeiten über kurz oder lang Begehrlichkeiten weckten, diese Möglichkeiten auch zu nutzen. Sie verwiesen als Beispiel auf die Forderungen, die eigentlich nur zur Maut-Erfassung gedachten Kameras auch zur Fahndung einzusetzen.

Sollte die Richtlinie zur so genannten Vorratsdatenspeicherung wie geplant am Dienstag das EU-Parlament passieren, erhielte der Staat für bis zu zwei Jahre Zugriff auf alle elektronischen Kontakte - auch auf die von und mit Journalisten. Damit würden Informanten massiv abgeschreckt, warnte der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Sie müssten befürchten, enttarnt zu werden, wenn beispielsweise der Autor eines Insider-Beitrages - wie im Fall des Magazins Cicero - ins Visier der Staatsanwälte gerate. "Versiegen die Quellen, ist die Presse blind", meint VDZ-Geschäftsführer Wolfgang Fürstner. Die flächendeckende Vorratsdatenspeicherung träfe die Pressefreiheit in einem ihrer sensibelsten Punkte mit bislang ungeahnter Intensität, so Fürstner.

An das Europäische Parlament richtete der Verlegerverband den Appell, sich nicht durch das seiner Meinung nach übereilte Verfahren und den Ministerrat unter Druck setzen zu lassen und die Richtlinie nicht in der vorliegenden Form zu verabschieden. Gleichzeitig forderte er die Bundesregierung auf, sich sowohl im Ministerrat als auch im Falle einer Umsetzung an die im Koalitionsvertrag festgelegte Position zu halten. Darin heißt es, die Regierung wolle "insbesondere" den "besonderen Schutz der Journalisten sichern."

Die Vorratsdatenspeicherung, von der insgesamt 450 Millionen EU-Bürger betroffen wären, geht auf eine Initiative Großbritanniens zurück und soll - so jedenfalls die offizielle Begründung - zur Bekämpfung des Terrorismus dienen. "Gerade in Zeiten des Terrorismus, in der der Staat Bürgerrechte vermehrt beschränkt und geheim agiert, ist jede Demokratie auf eine effektive und robuste Pressefreiheit angewiesen", sagte Verlegerverbands-Geschäftsführer Fürstner. Statt die Vorratsdatenspeicherung wie geplant umzusetzen, empfiehlt der VDZ, erprobte Alternativen zu prüfen. So habe es sich in den USA bewährt, dass die Behörden in begründeten Fällen die Telekommunikationsunternehmen um Datenspeicherung bitten und dann drei Monate Zeit haben, um einen richterlichen Beschluss zu erwirken. Ähnliche Vorschläge hatten unter anderem bereits Datenschutzbeauftragte gemacht.

Dagegen verbiete es die EU-Richtlinie in ihrer jetzigen Fassung den Mitgliedsstaaten sogar, etwaige von ihren Verfassungen geforderte Beschränkungen der Vorratsdatenspeicherpflicht zu beachten, warnte der Verlegerverband. Sollte also das Bundesverfassungsgericht eine unbeschränkte sechsmonatige Vorratsdatenspeicherpflicht etwa für die elektronische Kommunikation mit Rechtsanwälten, Journalisten, und ähnlichen Berufsgruppen für grundrechtswidrig erachten, wäre eine Beachtung dieses Grundrechtsschutzes mit der Richtlinie unvereinbar.

Am Wochenende hatten bereits die AG Wissensallmende des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, der Ausrichter der deutschen BigBrotherAwards FoeBuD und der Chaos Computer Club gegen den Plan der EU protestiert, die Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten einzuführen. Sie fordern die Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf, gegen den Richtlinienentwurf zu stimmen.

"Diese Richtlinie stellt 450 Millionen BürgerInnen der EU unter Generalverdacht", kritisiert Oliver Moldenhauer von Attac. "Das Parlament ist jetzt gefordert, die EU nicht unter dem Vorwand der Terrorabwehr weiter in Richtung Überwachungsstaat driften zu lassen."

Auch die Beteuerungen des EU-Parlaments, die Daten nur in sehr eingeschränkten Fällen nutzen zu wollen, überzeugt die Kritiker nicht. "Das Beispiel der LKW-Maut, wo die Daten der Autobahnkameras nun plötzlich auch für die Fahndung genutzt werden sollen, zeigt deutlich, dass stets Begehrlichkeiten entstehen, sobald eine Datensammlung existiert", sagte Axel Rüweler vom FoeBuD. Gleiches gelte für die Internet-Verbindungsdaten, die nicht nur zur Terrorabwehr, sondern auch zur Verfolgung von Menschen eingesetzt würden, die einfach nur Musik aus dem Internet herunterladen.

"Besonders bedenklich ist, dass mittels der gespeicherten Standort-Daten von Handys auch Bewegungsprofile von einzelnen Personen erstellt werden", meint Jan Krissler vom CCC.