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"Bespitzelungsaffäre kommt im Osten verheerend an"

"Stasi-Methoden"

Die Bespitzelungsaffäre von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst (BND) wird nach Ansicht von FDP-Präsidiumsmitglied Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vor allem in Ostdeutschland zu einer tiefen Enttäuschung über die Demokratie führen. Was der BND mit seiner Schnüffelei gegenüber Journalisten praktiziert habe, sei nichts anderes als "Stasi-Methoden", sagte Leutheusser-Schnarrenberger der Chemnitzer "Freien Presse". Das komme gerade in den neuen Ländern "verheerend" an. Dem BND sei es wie dem früheren Ministerium für Staatssicherheit um ein möglichst umfangreiches Netz von Kontrolle und Überwachung von unliebsamen Personen und Kritikern gegangen. Dass solche Methoden, die bislang einer Diktatur zugerechnet worden seien, auch in einem demokratischen Rechtsstaat möglich seien und jegliche Kontrollen versagten, "muss besonders die Menschen im Osten zutiefst verunsichern".

Nach Ansicht der ehemaligen Bundesjustizministerin ist die Dimension des Skandals bislang noch nicht zu überblicken. Die FDP-Politikerin verlangte, nicht nur nach den Verantwortlichen für die Affäre im BND, sondern auch im Kanzleramt zu suchen. Dabei dürfe die Öffentlichkeit nicht außen vor bleiben. Statt über den Umzug von Pullach nach Berlin sollte besser über die Strukturen und eine effektivere Kontrolle des deutschen Auslandsgeheimdienst geredet werden.

Die Affäre bringt hohe Regierungsbeamte zunehmend unter Druck. Der Vorsitzende der ostdeutschen FDP-Bundestagsabgeordneten, Joachim Günther, forderte Innenstaatssekretär August Hanning, der bis zum Regierungswechsel BND-Chef war, am Sonntag zum Rücktritt auf. "Wer so etwas als BND-Präsident unterstützt oder billigt, ist als Staatssekretär im Bundesinnenministerium untragbar", meint Günther.

Hannings Amtsvorgänger Hansjörg Geiger dementierte derweil, er habe den Einsatz des Journalisten Wilhelm D. für den BND verfügt. Dies hatte der frühere Kanzleramtsministers Bernd Schmidbauer (CDU) erklärt. Geiger räumte aber ein, er habe gewusst, dass der Mann früher für den BND gearbeitet habe und es noch einen Kontakt zu ihm gebe. Der damalige BND-Abwehrchef Volker Foertsch habe ihm mitgeteilt, man müsse dafür sorgen, dass Wilhelm D. "nicht aus dem Ruder" laufe und mit ihm Kontakt halten, ohne dass man "mehr mit ihm macht". Einen Vermerk, wonach er den Journalisten selbst eingesetzt habe, kenne er nicht, sagte Geiger. Dies halte er auch für "absolut unakzeptabel". Niemals habe er solche Aktionen veranlasst oder befürwortet.

Geiger bestätigte, dass es in seiner Amtszeit "Abflüsse" aus dem Dienst gegeben und er Weisung erteilt habe, undichte Informationsstellen im eigenen Haus zu finden. Es sei aber nie von der Überwachung von Journalisten die Rede gewesen.

Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) kündigte eine Änderung der Dienstvorschriften für die Nachrichtendienste an. Die Pressefreiheit sei eines der höchsten Güter der Demokratie. "Ich erwarte von den Nachrichtendiensten des Bundes einen besonders sensiblen Umgang mit diesem Gut", sagte er. Maizière wies den BND an, Stellung zu nehmen.

Regierungssprecher: "Künftig keine operativen Maßnahmen gegen Journalisten"

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm teilte am Montag in Berlin mit, der Bundesnachrichtendienst dürfe Journalisten bei der Suche nach "Maulwürfen" künftig nicht mehr abschöpfen. Das Bundeskanzleramt habe den BND angewiesen, zur Eigensicherung "künftig keine operativen Maßnahmen gegen Journalisten durchzuführen".

Die Bundesregierung ziehe damit die "politischen Konsequenzen" aus den bekannt gewordenen Bespitzelungen von Journalisten. Die Bundesregierung bedauere die Vorfälle. Der Regierungssprecher sprach von "Einzelfällen". Und: Die Pressefreiheit sei ein tragendes Gut einer freiheitlichen Gesellschaft.

"Schädliche Veröffentlichungen vermeiden"

Laut "Focus" soll der freie Autor Wilhelm oder Willy D. von August 1982 bis September 1998 unter den Decknamen "Dali" und "Schweiger" im Einsatz gewesen sein. Berichtet habe er dem BND über Journalisten von "Focus", "Spiegel", "Süddeutscher Zeitung" und "Hamburger Abendblatt". Der "Spiegel" bestätigte, dass der BND jahrelang Interna über das Magazin gesammelt habe. Die Spitzelaktionen hätten bis Herbst 2005 angedauert.

BND-Direktor Foertsch soll laut "Berliner Zeitung" gleich mehrere Journalisten mit der Ausspähung von Kollegen beauftragt haben. Foertsch, der von 1994 bis 1998 die Abteilung Innere Sicherheit beim BND leitete, habe in einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung 1998 bestätigt, dass er "in Abstimmung mit der Leitung des Dienstes zu einigen Medienvertretern Kontakt" halte. Ziel sei es, "schädliche Veröffentlichungen" zu vermeiden und zu erfahren, woher die Medien ihre Informationen aus dem BND erhalten, wird Foertsch zitiert.