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CDU-Außenexperte Wimmer warnt eindringlich vor einem großen Krieg

Austritt aus der NATO gefordert

Im Interview mit der Wochenzeitung "Freitag" warnt das CDU-Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages, Willy Wimmer, vor einem "großen Krieg". "Ich denke", so Wimmer, "wir wissen doch durch die Ereignisse vor dem 1.September 1939 und während des Zweiten Weltkrieges zur Genüge: Das internationale Recht ist die letzte Chance, uns vor einem großen Krieg zu bewahren. Wenn ihn niemand will, muss das auch so deutlich ausgesprochen werden." Das, was der einstige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium so deutlich aussprach, war, dass der NATO-Gipfel Ende November in Riga sich vornehmlich mit dem Wunsch der USA befassen wolle, das amerikanische Sicherheitssystem im Pazifik stärker mit den Sicherheitsstrukturen der NATO zu verknüpfen. Für Wimmer bedeutet das, dass "ein derart substanzielles Abkommen wie der NATO-Vertrag einfach verändert werden" solle. "Wenn wir dem nicht Einhalt gebieten, verlassen wir endgültig die Ebene des internationalen Rechts". Wimmer hält dann den Einsatz der Bundeswehr auch in Asien für möglich, beispielsweise in Korea oder an der Straße von Taiwan. Das müsse man wissen, um zu erkennen, "in Konflikte welcher Dimensionen man damit geraten kann". Sollte das Vorhaben durchkommen, plädiert Wimmer für einen Austritt aus der NATO. Er kritisiert auch einen möglichen Bundeswehreinsatz im Süden Afghanistans.

Wimmer begründet seine Forderung nach einem NATO-Austritt im Falle einer Änderung des dem Militärbündnis zugrunde liegenden Vertrages mit den Interessen der "Bundesrepublik Deutschland": "Es wäre die Konsequenz der in Riga anstehenden Entscheidungen, dass die NATO den Charakter einer regionalen Sicherheitsorganisation im Vertragsbereich der Vereinten Nationen vollständig aufgibt", sagte im Wimmer im Interview mit dem "Freitag". "Da kann ich nur sagen: Unter diesen Umständen bleibt uns letztlich nichts weiter übrig, als aus der militärischen Integration der NATO auszusteigen, wenn wir nicht völlig die Maßstäbe einer rationalen und von den Interessen der Bundesrepublik Deutschland bestimmten Sicherheitspolitik aus dem Auge verlieren wollen."

Wimmer hofft auf die Wirksamkeit von Argumenten

In der eigenen Bundestagsfraktion setzt Wimmer nun "auf die Wirksamkeit der eigenen Argumentation". Der Politiker hofft auf die Einsicht der Abgeordneten des Deutschen Bundestages und auf eine parlamentarische Intervention. Seine Begründung: "Weil nur in den Parlamenten über die von mir beschriebenen Entwicklungen befunden werden sollte und nicht in irgendwelchen Hinterzimmern, in denen die amerikanischen Interessen der NATO definiert werden. Ich bin in dieser Hinsicht gegen jede Verletzung der Volkssouveränität. Wenn wir die Volkssouveränität missachten, müssen wir uns über die Ergebnisse nicht wundern."

Wimmer vergleicht den Widerstand im Süden Afghanistans mit Budapest vor 50 Jahren

Heftige Kritik übt Wimmer am NATO-Generalsekretär und seiner Forderung nach einem Bundeswehr-Einsatz im Süden Afghanistans. Jaap de Hoop Scheffer verstehe offenbar die aktuelle Entwicklung nicht. Der CDU-Politiker vergleicht den Widerstand der Bevölkerung im Süden Afghanistans gegen die NATO-Truppen mit dem Volksaufstand in Ungarn: "Es kann doch für das westliche Bündnis 50 Jahre nach Budapest nicht darum gehen, einen Volksaufstand im Süden Afghanistans niederzuschlagen."

Der NATO-Generalsekretär scheine auch zu übersehen, dass nach den amerikanischen Kongresswahlen eher eine "Frontbegradigung" für alle Krisengebiete anstehe, in denen die Vereinigten Staaten "engagiert" seien. "In der Sache selbst erliegt er gleichfalls einem Trugschluss, denn die Aktivitäten vorzugsweise angelsächsischer Truppen im Süden Afghanistans sind derzeit nur möglich, weil die Bundeswehr den Norden stabilisiert. Würden diese Einheiten in den Süden verlegt, könnte die Situation im gesamten Land komplett außer Kontrolle geraten", so Wimmer im Gespräch mit dem "Freitag". "Wollten wir nun anfangen, im Süden gegen die Paschtunen zu kämpfen, gerieten wir im Norden ganz schnell in ein Minenfeld, dessen Gefahren möglicherweise unser Vorstellungsvermögen übersteigen."

Kritik an Bundespräsident Köhler wegen Irak-Krieg

Der CDU-Politiker fordert auch eine "Exit-Strategie" für den Irak. Die Vereinigten Staaten hätten seit Beginn der 1990er Jahre "äußerst einseitig auf ihre militärischen Möglichkeiten gesetzt" und politische Strategien, die einst ihre Stärke - wie die der westlichen Allianz überhaupt - gewesen seien, kategorisch beiseite geschoben. "Mit diesem Kurs ist man erkennbar gescheitert", so Wimmer. Das gelte für den Irak wie für Afghanistan. Offen kritisiert der CDU-Politiker auch Bundespräsident Horst Köhler, weil dieser mehr Unterstützung der Europäer für die USA im Irak gefordert habe. Die USA seien im Irak längst gescheitert. "Jetzt kann es nur noch darum gehen, einen Abzug zu organisieren, bei dem sich das Gesicht soweit als möglich wahren lässt und die Gesamtsituation zwischen Kabul und Beirut in Betracht gezogen wird. Nach meinem Eindruck wird derzeit auch mit Blick auf den Israel-Palästina-Konflikt die amerikanische Außenpolitik einer Überprüfung unterzogen. Das ist gewissermaßen Teil der Frontbegradigung und - wie ich hoffe - ein Zeichen für die Rückkehr zur Politik."

Grüne und FDP forderten mehr Soldaten für Auslandseinsätze

Vertreter von FDP und Grünen hatten sich unlängst für einen militärischen Beitrag im Sudan stark gemacht und kritisierten, dass für Auslandseinsätze der Bundeswehr zu wenig Soldaten zur Verfügung stünden. FDP-Fraktionsvize Werner Hoyer hatte gesagt, der Anteil der für Auslandseinsätze zur Verfügung stehenden Soldaten sei "deutlich zu gering". "Wenn die Auslandseinsätze unsere vorrangige Aufgabe sind, dann müssen wir mehr als die maximal 10.000 Mann, die heute dafür möglich sind, einsetzen können", so Hoyer.

Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin hatte gefordert, "dass mehr Soldaten für Auslandseinsätze zur Verfügung stehen müssen, als es die Bundesregierung vorsieht". Wenn Deutschland bei einer Armee von 250.000 Männern und Frauen nicht mehr als 10.000 Soldaten im Ausland einsetzen könne, handele es sich "um gigantische Fehlplanung", so Trittin.

Einst hatten die Grünen den Austritt aus der NATO gefordert, weil sie die Gefahr sahen, dass deutsche Soldaten wieder in den Krieg ziehen müssten. Jetzt fordert dies angesichts der zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr und wegen einer Mißachtung des internationalen Rechts ein ehemaliger Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium und Außenexperte der CDU.