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Außenminister Steinmeier unter Druck der Opposition

Offensichtlich unschuldig in Guantanamo

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) steht wegen des Ex-Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz unter massivem Druck seitens der Opposition. Bundesregierung und Koalitionsvertreter wandten sich am Montag gegen eine "Vorverurteilung" Steinmeiers. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg widersprach der Darstellung, dass schon im Herbst 2002 der Fall Kurnaz "klar" gewesen sei. Die FDP forderte Steinmeier zu einer "sofortigen Erklärung" auf. Der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl forderte eine "schnellstmögliche" Sondersitzung des BND-Untersuchungsausschusses zur Befragung von Steinmeier. Als Kanzleramtsminister ist Steinmeier nach einer Aussage des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) seinerzeit für die Entscheidung zuständig gewesen, Kurnaz nicht nach Deutschland zurückkehren zu lassen.

Der Minister sei im Fall des Bremer Türken Murat Kurnaz derart unter Druck geraten, dass er sich jetzt umgehend vor dem Ausschuss rechtfertigen müsse, so Uhl am Montag in Berlin. Die Mehrheit des Ausschusses könne sofort eine Sondersitzung anberaumen.

Steinmeier wird vorgeworfen, unter der rot-grünen Bundesregierung dafür mitverantwortlich gewesen zu sein, dass Kurnaz jahrelang offensichtlich unschuldig im US-Gefangenenlager Guantanamo festgehalten wurde. Für seinen Auftritt vor dem Ausschuss gibt es bisher noch keinen Termin.

Die Aussage des Außenministers sei erst für April vorgesehen, hieß es in Kreisen des Bundestages. Das sei "auf jeden Fall viel zu spät", meint Uhl. Er ist auch Mitglied des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestages, das die Aktivitäten der Geheimdienste überwacht.

Im Kern geht es um die Frage, ob der damaligen rot-grünen Bundesregierung ein Angebot der USA zur Freilassung des Bremer Türken vorlag und inwieweit möglicherweise dessen Überstellung nach Deutschland verhindert oder zumindest verzögert wurde.

Westerwelle: Wenn Vorwürfe wahr sind, wird es für Steinmeier eng

FDP-Chef Guido Westerwelle nannte es "unanständig", wenn heute von der großen Koalition versucht werde, Steinmeier um jeden zu schützen. "Wenn sich diese Vorwürfe als wahr herausstellen sollten, dann wird es für den amtierenden Außenminister sehr eng."

Steg hielt dem entgegen, in der gegenwärtigen Berichterstattung gebe es "sehr viele Annahmen, Unterstellungen, Vermutungen". Ein oder zwei jetzt veröffentlichte Dokumente gäben nicht das "Gesamtbild" wieder. Daher könne er nur vor "vorschnellen Urteilen" warnen. Im Grunde seien die Vorwürfe nicht neu und die Bundesregierung habe bereits im Februar 2006 ausführlich das geheime parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages informiert, das für die Arbeit der Geheimdienste zuständig ist.

Steinmeier wird als damaligem Kanzleramtschef eine Mitschuld an der mutmaßlichen Weigerung der rot-grünen Bundesregierung zugewiesen, den Guantanamo-Häftling 2002 nach Deutschland zu holen. Zudem soll er sich Medienberichten zufolge auch in den Folgejahren gegen eine Überstellung des Türken nach Deutschland gesperrt haben.

Außenamtssprecher Plötner: Viele Vorwürfe "gegenstandslos"

Außenamtssprecher Jens Plötner sagte, wenn jetzt einzelne Teile aus geheim eingestuften Dokumenten der Öffentlichkeit präsentiert würden, dann sei das "noch keine vollumfängliche Darstellung".

Plötner sagte, dass sich schon bei der bisherigen Arbeit des Geheimdienste-Untersuchungsausschusses viele Vorwürfe "als gegenstandslos erwiesen" hätten. Steinmeier sei weiterhin bereit, sich dem Ausschuss rasch zu stellen, wenn "alle relevanten Zeugen" gehört worden seien.

Vize-Regierungssprecher Steg versicherte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe nach wie vor ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zu ihrem Außenminister. Sie sei bereits bei der Amtsübernahme 2005 von Steinmeier über die Vorgänge informiert worden und gehe davon aus, dass im parlamentarischen Untersuchungsausschuss "alle Fragen zur Zufriedenheit aufgeklärt" würden.

Stadler: Ich verlange sofortige Erklärungen

Der FDP-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, Max Stadler, fordert eine rasche Befragung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum Fall Kurnaz im BND-Untersuchungsausschuss. "Ich erwarte von Herrn Steinmeier als dem Verantwortlichen im Kanzleramt, aber auch vom Bundesinnenministerium, sofortige Erklärungen", sagte Stadler der "Passauer Neuen Presse". Andernfalls setze Steinmeier sich "dem Verdacht aus, dass es keine plausible Erklärung für das Verhalten der früheren Bundesregierung gibt".

Er habe den Eindruck, dass es in der früheren Bundesregierung "eine Abwehrhaltung" gegenüber dem früheren Guantanamo-Häftling und Bremer Türken Murat Kurnaz gegeben habe. Was man bisher im BND-Untersuchungsausschuss erfahren habe, sei "in keiner Weise überzeugend", kritisierte Stadler. "Man darf den Untersuchungsausschuss nicht als Schutzschild benutzen, um jetzt unangenehmen Fragen der Öffentlichkeit auszuweichen", meint der FDP-Rechtsexperte.

Neskovic: Falls Vorwürfe richtig sind, muss Steinmeier zurücktreten Der Obmann der Linksfraktion im BND-Untersuchungsausschuss, Wolfgang Neskovic, sagte, "die gegen Frank-Walter Steinmeier erhobenen Vorwürfe wiegen so schwer, dass sie seinen Rücktritt erforderlich machten, wenn sie sich als richtig heraus stellen." Es wäre undenkbar, einen Außenminister im Amt zu halten, den die politische, moralische und unter Umständen strafrechtliche Verantwortung träfe, dafür verantwortlich zu sein, dass Murat Kurnaz noch weitere vier Jahre "die Hölle" von Guantanamo erleiden musste.

Angesichts "der erdrückenden Indizien für die Richtigkeit der erhobenen Vorwürfe" dulde eine umfassende Erklärung des damaligen Kanzleramtsministers hierzu keinen weiteren Aufschub, meint der Politiker. Die Öffentlichkeit habe einen Anspruch auf eine sofortige Erklärung von Steinmeier. "Sein Versuch, auf Zeit zu spielen und sich erst gegenüber dem Untersuchungsausschuss rechtfertigen zu wollen, ist allzu durchsichtig. Es sollte ihm nicht die Gelegenheit gewährt werden, sich hinter die verschlossenen Türen einer nichtöffentlichen Ausschusssitzung flüchten zu können."

Maurer: Rot-grüne Menschenrechtsheuchelei

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion Ulrich Maurer kritisierte, die frühere Menschenrechtsbeauftragte der rot-grünen Bundesregierung Claudia Roth stilisiere sich im Fall Kurnaz zur schärfsten Kritikerin der Regierung, "deren Beauftragte sie doch war".

"Entweder gehörte die Menschenrechtsbeauftragte zum Kreis der Regierungsstellen, die mit dem Fall befasst waren, dann steht die Frage, was Claudia Roth davon wusste. Schließlich wurde auch in ihrer Amtszeit von März 2003 bis zum Ende von Rot-Grün im November 2005 der Fall Kurnaz mehrfach erörtert, wobei die Regierung wieder besseren Wissens an ihrer Abweisungsstrategie festhielt", so Maurer. "Oder sie wurde draußen gehalten, dann muss man sich fragen, wozu es eine Menschenrechtsbeauftragte brauchte."

Die Linksfraktion kritisierte weiterhin, dass die Einsicht "in wichtige Akten" verweigert werde und selbst öffentliche Dokumente, wie Erklärungen oder Artikel, für geheim erklärt worden seien.