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EU will angeblich "klammheimlich" Atomstromtrassen beschließen

Neues Atomkraftwerk in Litauen

Auf dem bevorstehenden EU-Gipfel beraten die Staats- und Regierungschefs unter anderem auch über den Ausbau der europäischen Stromnetze. Während die Bundesregierung und die EU-Kommission den Netzausbau offiziell mit Versorgungssicherheit und der Integration von großen Windparks begründen, sieht die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW darin vornehmlich einen "klammheimlichen" Bau von "Atomstrom-Autobahnen". Nach Angaben der Organisation sind in Litauen und in der Slowakei neue Atomkraftwerke als Ersatz für stillzulegende Altanlagen geplant. Am litauischen Atom-Standort Ignalina seien zwei Atomkraftwerke vom Typ "Europäischer Druckwasser-Reaktor" (EPR) der Firmen AREVA und Siemens im Gespräch. Der Atomstrom solle künftig aus den neuen EU-Mitgliedstaaten nach Deutschland, Österreich sowie nach Italien exportiert werden.

Nach offizieller Darstellung seitens der deutschen Ratspräsidentschaft wird der Ausbau der europäischen Stromverbundtrassen benötigt, um den "grenzüberschreitenden Wettbewerb" zu erleichtern und die "Versorgungssicherheit" zu gewährleisten. Laut EU-Kommission könnte man damit einen "wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Stromausfällen" leisten. Auch sei der Netzausbau "eine entscheidende Voraussetzung für die von der EU angestrebte Integration von Ökostrom ins Netz."

Die IPPNW wirft Deutschland und Österreich vor, sich in der Öffentlichkeit als Atomskeptiker und Freunde erneuerbarer Energien zu präsentieren, beim EU-Gipfel jedoch klammheimlich "Atomstrom-Autobahnen" für Europa beschließen zu wollen. "Die geplanten Stromtrassen dienen offenbar großteils dem europaweiten Transport von Atomstrom", meint die Organisation.

Neue Atomkraftwerke in Litauen und Stromtrasse nach Deutschland

Als prioritäres Projekt wolle die EU insbesondere "die Stromverbindungen zwischen Deutschland, Polen und Litauen" vorantreiben. Polen und Litauen haben im Februar laut "Nucleonics Week" vereinbart, am litauischen Standort Ignalina zwei neue Atomkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 3200 Megawatt zu errichten. Im Gespräch sind offenbar zwei Reaktoren vom Typ "Europäischer Druckwasser-Reaktor" (EPR) von Siemens und AREVA. Die Euroreaktoren sollen die Anlagen vom Tschernobyl-Typ ersetzen. Eine der geplanten Stromtrassen zwischen Litauen und Polen soll den Angaben zufolge eine Kapazität von 1000 Megawatt haben. Eine weitere Leitung sei bezüglich ihrer Übertragungskapazität noch nicht festgelegt, solle aber bis 2010 in Betrieb sein.

"Dieses Vorhaben erinnert an Gespräche von vor einigen Jahren zwischen Siemens, der deutschen, der französischen und der russischen Regierung", sagte ein Sprecher der IPPNW. "Damals wollte man am westrussischen Standort Smolensk einen EPR errichten und den Atomstrom mit Hilfe einer Stromtrasse über Weißrussland und Polen bis nach Berlin und Kassel leiten."

Atomstrom aus Tschechien für Österreich

Weiterhin plane die EU bis 2009 eine zusätzliche 900-Megawatt-Stromtrasse zwischen der Tschechischen Republik und Österreich. Diese Stromtrasse beginne im tschechischen Slavetice und das liege nur drei Kilometer vom Atomkraftwerk Dukovany entfernt. Das ist nach Auffassung der IPPNW "nichts anderes als eine Atomstromtrasse zur Lieferung von Nuklearenergie nach Österreich". Die EU-Kommission stellte in ihrer Mitteilung vom 10. Januar selbst einen Bezug zur Atomenergie her: das wichtigste "Hemmnis" gegen das Projekt ist laut EU "Austria's opposition to nuclear energy".

Weitere Atomkraftwerksblöcke in der Slowakei und Atomstrom für Österreich und Italien

Auch mit einer 1800-Megawatt Stromtrasse von der Slowakei nach Wien soll Atomstrom nach Österreich und mit Hilfe weiterer Stromtrassen auch weiter in das ebenfalls "atomkraftwerksfreie" Italien geleitet werden, vermutet die IPPNW. Diese Stromtrasse soll den Angaben zufolge im slowakischen Umspannwerk Stupava beginnen. An diesen Stromknoten sind laut IPPNW "die Atomkraftwerke Bohunice und Mochovce angebunden".

Hinzu komme die Ankündigung des italienischen Energiekonzerns ENEL vom Februar, wonach dieser in Mochovce zwei weitere Atomkraftwerksblöcke als Ersatz für die stillzulegenden Blöcke in Bohunice errichten wolle. Mit dem Bau soll offenbar noch im Jahr 2007 begonnen werden. ENEL-Chef Fulvio Conti hat der Nachrichtenagentur Bloomberg gesagt, dass der Atomstrom aus Mochovce auch nach Zentraleuropa exportiert werden soll. "Zudem überlegt die slowakische Regierung am Standort Bohunice ein neues Kernkraftwerk zu errichten – sobald die Abrissarbeiten an Bohunice V1 abgeschlossen sind".

Um die Stromtrassen "im Schnellverfahren durchsetzen zu können" ist beim EU-Gipfel laut IPPNW auch geplant, eine Richtlinie zur "Verschlankung der Planungs- und Genehmigungsverfahren" auf den Weg zu bringen, um die Stromtrassen im Schnellverfahren durchsetzen zu können. "Hier kann es sich wohl nur um die Einschränkung von Bürgerrechten in den Genehmigungsverfahren handeln", kritisiert die Organisation. Sie fordert die deutsche und die österreichische Bundesregierung dazu auf, diesen Plänen eine Absage zu erteilen: "Die Bevölkerung will keinen Atomstrom, auch nicht aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten."