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Koalition einigt sich beim Bleiberecht für geduldete Ausländer

Aufenthalt "auf Probe"

Eine Spitzenrunde der Koalition einigte sich am späten Abend des 12. März auf einen "Kompromiss" beim Bleiberecht. Langjährig in Deutschland geduldete Ausländer sollen sich demnach künftig eine Arbeit suchen können, erhalten aber bis dahin keine "höheren Sozialleistungen", die "Hartz IV" oder der Sozialhilfe entsprechen. Ihre Leistungen sind nach Angaben der Koalition rund 30 Prozent niedriger. Die Bundesländer können durch eine Länderklausel entscheiden, ob sie geduldeten Ausländern Geld- oder Sachleistungen gewähren. Letzteres wird in Bayern praktiziert und bedeutet Unterbringung in Sammelunterkünften, Verpflegung und Taschengeld. Für den Personenkreis wird der Familiennachzug ausgeschlossen. Die Betreffenden erhalten den Angaben zufolge auch kein Elterngeld. Es gebe "keine Verfestigung des Aufenthaltsrechts ohne Arbeit". Pro Asyl und der DGB übten heftige Kritik an den Plänen.

Dem Koalitionskompromiss zufolge erhalten langjährig geduldete Ausländer bis zum 31. Dezember 2009 die Möglichkeit, sich eine Arbeit zu suchen. Bis dahin erhalten sie laut Gesetzentwurf eine Aufenthaltserlaubnis "auf Probe". Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), CSU-Chef Edmund Stoiber, Arbeitsminister Franz Müntefering und Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (beide SPD) einigten sich ferner auf Deutschkenntnisse als Voraussetzung für ein Bleiberecht. Auch dürfen die "auf Probe" geduldeten Ausländer nicht straffällig geworden sein. Zudem darf kein "Terrorverdacht" vorliegen.

Der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, befürchtet, dass nur 20.000 bis 40.000 der rund 180.000 Betroffenen einen Arbeitsplatz erhalten werden. Das Problem der Kettenduldungen bleibe damit weitgehend ungelöst.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte einen Kabinettsbeschluss noch vor Ostern an. Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) appellierte an die Arbeitgeber, Geduldete bei Bewerbungen gleichrangig zu behandeln.

CSU-Chef Edmund Stoiber hob hervor, dass Mehrkosten für die Sozialkassen in dreistelliger Millionenhöhe vermieden worden seien. Durch die Regelungen werde der Druck auf Geduldete zur Arbeitsaufnahme "sicherlich erhöht", so Stoiber. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte, dass jemand, der eine Arbeit und dann auch ein Bleiberecht erhält, bei Verlust des "Jobs" wohl nicht mehr abgeschoben werden könne.

Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz begrüßte zwar die Chance zur Arbeitsaufnahme für Geduldete, nannte aber die Beschränkungen beim Familiennachzug "familienfeindlich".

Grünen-Chefin Claudia Roth sprach von einem "Wettlauf der Schäbigkeit". Vom Bleiberecht profitierten bestenfalls "Menschen, die verwertbar sind aus ökonomischen Gründen". Wer wirklich Schutz und Unterstützung brauche, bekomme dagegen keine Hilfe. Die Grünen hatten vor Jahren allerdings selbst ein Konzept vorgelegt, das eine verstärkte Steuerung der Zuwanderung nach wirtschaftlicher Nützlichkeit vorsah.

"Internationale Verpflichtungen"

Der Interkulturelle Rat, Pro Asyl und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme die peplante Einschränkung des Ehegattennachzugs. Dieser solle nur dann gestattet werden, wenn der im Ausland lebende Ehepartner schon vor der Einreise Kenntnisse der deutschen Sprache nachweise. "In der Praxis ist der Erwerb von Sprachkenntnissen im Ausland aber nur für Angehörige der großstädtischen Oberschicht möglich. Der Familiennachzug wird damit zur sozialen Selektion. Das Grundrecht, als Familie zusammenzuleben, soll nur noch für Privilegierte gelten."

Die Verbände kritisieren auch, dass Ausländer, die ihrer Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs nicht nachkämen, künftig mit einer Geldbuße bis zu 1.000 Euro belegt werden sollten. "Integrations- und Lernprozesse können nicht mit Strafandrohungen erzwungen werden", meinen sie. Kursangebote, die Integrations- und Lernprozesse anstoßen wollten, müssten durch ihre Inhalte "überzeugen". Die so genannten Integrationskurse gerieten mehr und mehr zu einem "Dressurakt, den die betroffenen Zuwanderer unter dem Damoklesschwert sozialrechtlicher Sanktionen und Bußgeldzahlungen zu absolvieren haben".

Einbürgerung ist nach Auffassung der Verbände ein sinnvoller Baustein einer umfassenden Integrationspolitik. Dies sei in den letzten Jahren parteiübergreifend anerkannt worden. "Doch seit einigen Jahren sinken die Einbürgerungszahlen deutlich: Von 186.688 im Jahr 2000 auf nunmehr noch 117.200 im Jahr 2005. Nun sollen die Hürden für die Einbürgerung mit Einführung von Einbürgerungstests noch höher gelegt werden." Wissenstests – wie etwa der Fragebogen der Hessischen Landesregierung – seien "zufällig und untauglich". Zu befürchten sei, dass mit Einbürgerungstests noch mehr Einbürgerungswillige abgelehnt oder schon im Vorfeld abgeschreckt würden.

Der Interkulturelle Rat, Pro Asyl und der DGB wiesen weiterhin darauf hin, dass die Flüchtlingszahlen "seit Jahren immer wieder historische Tiefststände erreichen". Seinen "internationalen Verpflichtungen" im Flüchtlingsschutz komme Deutschland längst nicht mehr nach.

Für ein Viertel aller Asylantragsteller sei Deutschland auf der Basis der sogenannten Dublin II-Verordnung ohnehin nicht mehr zuständig. "Sie werden oft unter Missachtung humanitärer Vorschriften an andere EU-Staaten überstellt. Dieses System soll jetzt weiter verschärft werden: So sollen Asylsuchende, die in andere EU-Staaten überstellt werden, künftig kein Rechtsmittel mehr einlegen können, das aufschiebende Wirkung hat. Rechtswidrige Abschiebungen, die schon bislang nicht selten vorkommen, könnten dann nicht mehr verhindert werden", kritisieren die Verbände.

In der Diskussion um die bundesgesetzliche Bleiberechtsregelung werde zudem "nicht thematisiert, dass der Gesetzentwurf keinen Mechanismus vorsieht, um die sogenannten Kettenduldungen zu beseitigen". Solange "der Paragraph 25 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz nicht so geändert wird, dass der Übergang von der Duldung zur Aufenthaltserlaubnis nach einer bestimmten Aufenthaltsdauer der Regel- und nicht der Ausnahmefall ist, wird es immer neue Kettenduldungen geben". Das sei für die Betroffenen "unzumutbar".