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Kampfansage an RWE, E.On und Roland Koch

"Der Landtag wird die Blockade der erneuerbaren Energien in Hessen beenden"

SPD, Grüne und Linke machen sich im neu gewählten Hessischen Landtag systematisch daran, ihre Wahlkampf-Versprechen einzulösen. Die drei Parteien warben im Vorfeld der hessischen Landtagswahl übereinstimmend für eine grundlegende Energiewende hin zu Energieeffizienz und 100 Prozent erneuerbarer Energie. Es solle Schluss sein mit der Blockadepolitik der Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) beim Ausbau der erneuerbaren Energien, forderten sie. Hessen dürfe nicht länger bundespolitisches "Schlusslicht" beim Ausbau der erneuerbaren Energien sein. Am 5. April brachten SPD und Grüne Anträge zur Energiepolitik in den Landtag ein, die am 24. April im Plenum diskutiert wurden. Sie wollen dass das RWE-Atomkraftwerk Biblis stillgelegt wird und der neue E.On-Kohlekraftwerksblock Staudinger-6 in Groß-Krotzenburg nicht genehmigt wird. Der Entschließungsantrag der hessischen Grünen liest sich wie eine Kampfansage an RWE, E.On und Roland Koch: "Der Landtag wird die Blockade der erneuerbaren Energien in Hessen beenden". Die SPD fordert in ihrem Antrag die Aufgabe des Kohle-Großkraftwerks von E.On: "Die Landesregierung wird aufgefordert, sich gegenüber dem Kraftwerksbetreiber dafür einzusetzen, dass das Versprechen des E.ON-Vorstandsvorsitzenden Dr. Wulf Bernotat, das Projekt fallen zu lassen, wenn die Bevölkerung es nicht wolle, jetzt eingelöst wird."

SPD und Grüne hatten im Wahlkampf mit detailliert durchgerechneten Konzepten geworben, die einen schrittweisen Umstieg auf erneuerbare Energien aufzeigten. CDU und FDP hatten sich für Kohle- und Atomstrom stark gemacht. Nach ihrer drastischen Wahlniederlage schwankt die CDU zwischen verbalen Bekenntnissen zu den erneuerbarene Energien und einem Beharren auf dem neuen Kohlekraftwerk Staudinger und dem Atomkraftwerk Biblis.

Boddenberg: Energiepolitik "ungelöst"

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Michael Boddenberg, weiß offenbar nicht so recht, für welche Energiepolitik er nun öffentlich eintreten soll. Die politische Auseinandersetzung der vergangenen Monate habe "gezeigt, so Boddenberg am 24. April im Hessischen Landtag, "dass viele wichtige Fragen einer sicheren, preiswerten und umweltverträglichen Energieversorgung nach wie vor ungelöst sind". Niemand dürfe für sich in Anspruch nehmen, den Stein der Weisen "bereits" gefunden zu haben, sagte der CDU-Politiker.

"Losgelöst von aller Ideologie" müssten "Wege gefunden" werden, die den Anforderungen einer modernen Industriegesellschaft sowie dem schonenden Umgang mit der Umwelt und den begrenzten Ressourcen in gleicher Weise Rechnung tragen. Boddenberg sprach sich daher für eine "umfangreiche Anhörung mit Experten" an, um eine möglichst breite "Entscheidungsgrundlage" zu bekommen.

Während SPD und Grüne die hessische Stromproduktion etwa bis 2025 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umstellen wollen, sprach Boddenberg im Landtag über andere "ambitionierte Ziel": So sei auch "die Frage zu klären, ob es volkswirtschaftlich vertretbare Lösungen gibt, das ohnehin schon ambitionierte Ziel des Ausbaus der Erneuerbaren Energien auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020 sogar auf 40 Prozent zu steigern."

Bundesweit tragen die Erneuerbaren Energien derzeit bereits zu 18 Prozent zur Energievergung bei. In Sachsen-Anhalt wird schon heute mehr als 35 Prozent aus gewonnen.

Apel: Die Überalterung des deutschen Kraftwerkparks erfordert dringende Ersatzinvestitionen

Ungeachtet solcher Realitäten sagte die umweltpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Elisabeth Apel, am 24 April im Hessischen Landtag: "Es hilft nicht, in Träumereien zu verfallen und die Realitäten einfach auszublenden."

Die CDU-Politikerin machte sich klar für Ersatzinvestitionen für bestehende Kohle-Großkraftwerk durch neue stark: Der weltweit enorm steigende Energiebedarf, die wachsende Nachfrage nach begrenzten Ressourcen und Rohstoffen sowie die natürlichen Nutzungspotentiale in Hessen seien dabei ebenso in die Überlegungen mit einzubeziehen, wie "die Überalterung des deutschen Kraftwerkparks", so Apel. Dieser erfordere "dringende Ersatzinvestitionen".

Die Antwort auf die Frage nach Art und Umfang von regenerativen Energieträgern müsse auch schlüssig belegen, "wie und womit der fehlende Rest bestritten wird, der mittelfristig nicht regenerativ abgedeckt werden kann", so die CDU-Abgeordnete. Auf die von SPD und Grünen detailliert durchgerechneten Energiewende-Konzepte ging Apel hierbei nicht ein.

Die Abgeordnete forderte verstärkte Forschungsaktivitäten, um Kohle-Großkraftwerke umweltfreundlicher zu machen. Von den bislang von den Energiekonzernen präsentierten Konzepten ist offenbar auch Apel nicht überzeugt: "Die Abscheidung, Komprimierung und Verpressung des Klimagases unter hohem Druck in den Untergrund kann nicht die sinnvollste Strategie sein, um die Klima- und Energieprobleme in den Griff zu bekommen". Es müssten Forschungsaktivitäten unternommen werden, bei denen das klimaschädliche CO2 als Ausgangsprodukt für neue Rohstoffe effizient weitergenutzt werden kann", so der Traum der CDU-Abgeordneten.

Rock: Die FDP erwartet von E.ON, dass alle mittlerweile gemachten Zusagen auch eingehalten werden

Ebenso wie die CDU macht sich auch die hessische FDP für den Bau eines neuen Kohlekraftwerkblocks am Standort Staudinger stark. Der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, René Rock, "forderte" in einer Pressemitteilung von E.On genau das, was der Energiekonzern in der Vergangenheit über das neue Kohle-Großkraftwerk an Verzügen herausgestellt hatte. So heißt es in der Pressemitteilung unter anderem: "Rock betonte ferner, dass die FDP von E.ON erwarte, dass alle mittlerweile gemachten Zusagen auch eingehalten werden."

Als "zwingend notwendig" erachtet Rock beispielsweise "eine deutliche Verringerung der Emissionen" im Zusammenhang mit der Erweiterung des Kraftwerkes Staudinger im Vergleich zu heutigen Werten. Oder: "Wir nehmen die Aussage von E.On ernst, dass der Atmosphäre im Vergleich zu den vom Netz gehenden Altanlagen jährlich über 1,2 Millionen Tonnen CO2 erspart werden. Wir gehen davon aus, dass E.On zu seinen Aussagen stehen wird." Der FDP-Politiker vermittelt dabei den Eindruck, als solle der neue Kohle-Großkraftwerksblock ältere Kohleblöcke ersetzen.

Wissler: Es geht hierbei nicht um die Ersetzung alter Kraftwerksblöcke durch einen angeblich effektiveren und umweltschonenderen

Dem widersprach die energiepolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Janine Wissler am 24. April im hessischen Landtag. E.On plane mit dem Neubau des Blocks 6 "den größten Steinkohlekraftwerksblock der Welt" mit einer Leistung von 1100 Megawatt. Es gehe hierbei "nicht um die Ersetzung alter Kraftwerksblöcke durch einen angeblich effektiveren und umweltschonenderen, wie E.On den Eindruck zu erwecken versucht. Es geht um einen Ausbau und damit verbunden um mehr Gewinn für den Kraftwerksbetreiber." E.On sage selbst: "Während wir in den vergangenen Jahren im Kraftwerk Staudinger durchschnittlich zwei Millionen Tonnen Kohle pro Jahr verfeuert haben, werden wir nach Inbetriebnahme von Block 6 wahrscheinlich drei bis 3,5 Millionen Tonnen Steinkohle jährlich benötigen."

Schon jetzt sei das Kohlekraftwerk Hessens "größte Dreckschleuder", durch den Kraftwerksausbau würde noch deutlich mehr Co2 als jetzt in die Atmosphäre geblasen, so Wissler. "Deswegen muss der Bau von Block 6 verhindert werden." Sie verwies darauf, dass die Bürgerinitiative gegen das neue Kohlekraftwerk in einer Petition über 30.000 Unterschriften in wenigen Wochen gesammelt habe.

"Es ist nicht hinnehmbar, dass E.On Gewinne einstreicht zu Lasten der Menschen in der Region", so Wissler. "Unser Motto lautet: Menschen vor Profite. Der von E.On geplante Block 6 würde über Jahrzehnte eine veraltete, kontraproduktive Kraftwerkstechnologie zementieren."

Umwelt- und Energiepolitik dürfe nicht dem Markt überlassen bleiben. Denn der sorge nur dafür, dass der CO2-Ausstoß weiter steigt – ebenso wie die Energiepreise, meint Wissler. "Ich verweise hierbei auf die Hessische Verfassung Artikel 41 Absatz 1 Nummer 1: Betriebe der Energiewirtschaft werden in Gemeineigentum überführt."

"Der erhoffte Wettbewerb durch die Liberalisierung des Energiemarkts ist ausgeblieben", sagte Wissler. Vielmehr habe die Marktöffnung eine enorme Konzentration in der Energieversorgungswirtschaft nach sich gezogen. "Vier Verbundunternehmen beherrschen den Strom- und Gasmarkt, erzeugen 80 Prozent des Stroms, besitzen und betreiben 100 Prozent des Höchstspannungsnetzes und kontrollieren mittels regionaler und kommunaler Tochter- und Beteiligungsgesellschaften etwa zwei Drittel der Stromverteilung und Belieferung der Endverbraucher. Diese Unternehmen erzielen aus ihrer marktbeherrschenden Stellung erhebliche Gewinne, die die Hauptursache für die stark überhöhten Energiepreise in Deutschland sind."

Deshalb müssten die Energiepreise "wirksam kontrolliert und die maßlosen Gewinne der Konzerne besteuert werden", forderte Wissler. Die Linke fordere eine effektive Preisaufsicht bei Strom und Gas und verpflichtende Sozialtarife für Haushalte mit kleinem Einkommen. "Die Verbraucher mussten im Jahr 2005 rund 7 Milliarden Euro mehr für Energie aufwenden als im Vorjahr. Die Kosten für Strom sind für die Verbraucher seit dem Jahr 2000 um 40 Prozent gestiegen und liegen heute höher als vor der Strommarktliberalisierung 1998."

Ein Umstieg auf erneuerbare Energien "nicht nur nötig, sondern auch möglich", so Wissler. "Es gibt genügend Studien, die belegen, dass eine 100prozentige Versorgung mit Strom und Wärme aus Erneuerbaren Energien möglich ist. Damit ein solcher Umstieg nicht an der Blockade fossiler Energiekonzerne scheitert, benötigen wir eine öffentliche demokratische Kontrolle über die Energieversorgung." Die Linke fordere deshalb "die Rekommunalisierung privatisierter Stadtwerke und die Überführung der Strom- und Gasnetze in die öffentliche Hand. Denn Energie muss dem Gemeinwohl dienen und nicht dem Profitinteresse einzelner Konzerne."

"Der Landtag wolle beschließen"

"Der Landtag spricht sich für eine Energiepolitik in Hessen aus, die den Vorrang von Energieeinsparung, effizienter Nutzung von Energie sowie die Nutzung erneuerbarer Energien in den Vordergrund rückt und den Ausstieg aus der Kohle- und Atomwirtschaft forciert", so heißt es im Entschließungsantrag der hessischen Grünen. Der Landtag werde die Blockade des Ausbaus der in Hessen beenden und sich für den dringend erforderlichen Umbau der Energieversorgung "mit all den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln einsetzen".

Mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken könnte die Parlamentsmehrheit weiterhin beschließen: "Der Landtag spricht sich gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke am Standort Staudinger in Großkrotzenburg sowie auf der Ingelheimer Aue in Mainz aus, da sie den Klimaschutz- und Luftreinhalteinteressen des Landes Hessen und einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Energieversorgung widersprechen. Aus gleichem Grund lehnt der Landtag eine Laufzeitverlängerung für die Blöcke A und B des Atomkraftwerks Biblis ab und setzt sich für eine baldige Abschaltung ein."

Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir sagte in der Parlamentssitzung in Wiesbaden, das Ergebnis der Landtagswahl von Ende Januar habe dazu geführt, "dass wir jetzt die Türen aufmachen können für eine neue Klimaschutzpolitik". Man müsse "jetzt Dampf machen, und zwar erneuerbaren Dampf, keinen Kohle-Dampf". Einen Neubau von Großkraftwerken wie beim Kohlekraftwerk Staudinger lehnte er ab.

Grumbach: Zaudern statt Handeln bei der CDU

Der SPD-Abgeordnete Gernot Grumbach warf der CDU Zaudern statt Handeln vor. In dem von der SPD eingebrachten Antrag heißt es, der Landtag lehne aus energiepolitischen Gründen die Errichtung eines neuen Kohlekraftwerkes in Groß-Krotzenburg ab. "Das Projekt ist in seiner Auslegung energiepolitisch überholt, es behindert den Aufbau dringend benötigter energiewirtschaftlicher Alternativen mit neuen arbeitsmarktpolitischen und wirtschaftlichen Chancen für die Region. Die bereits bestehende Gesamtbelastung der Region, verursacht durch Emissionen der Industrie, der Bevölkerungs- und Hausheizungsdichte, Flug- und Autoverkehre, steht ebenso klar gegen das Projekt wie der erklärte Wille der betroffenen Bevölkerung."

Die SPD-Fraktion kritisiert die einstweilige Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung der beiden Kohlelager. Diese stelle "eine unerträgliche Verfahrensverkürzung für die klagenden Bürger und Kommunen dar".