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Armen Kindern in Deutschland droht gesundheitliches Fiasko

Öffentliche Gesundheitsfürsorge

Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin DGSPJ schlägt Alarm: Immer mehr Kinder aus armen Familien sind in Deutschland medizinisch unterversorgt. Erreicht werden können sozial benachteiligte oder arme Familien allenfalls noch über Angebote des öffentlichen Gesundheitsdienstes wie etwa der Einschulungs-Untersuchung. Doch in vielen Bundesländern fallen diese durchgängig für alle Kinder vorgesehenen Untersuchungen zunehmend dem Rotstift zum Opfer, kritisiert der Kinder- und Jugendarzt Eberhard Zimmermann aus Bremen.

Deshalb, so fürchtet das Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ), drohe eine Gettoisierung armer Familie bei der Gesundheitsfürsorge. Rund ein Drittel aller Kinder von drei bis sechs Jahren haben erhebliche sprachliche wie auch motorische Entwicklungsdefizite. Betroffen seien davon vor allem Kinder aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien sowie aus Migrantenfamilien. Diese Kinder hätten zudem überdurchschnittlich häufig mit Übergewicht zu kämpfen und seien häufig auch aggressiver. Zimmermann: "Kinder aus armen Familien sind gesundheitlich in deutlich schlechterer Verfassung als Kinder aus der Mittel- und Oberschicht."

Dabei sei es allerdings äußerst schwierig, diese Kinder an Gesundheitsangebote heranzuführen. Die Vorsorgeangebote der niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte reichen bei weitem nicht aus, da gerade sozial schwache Familien auf diese freiwilligen Angebote nicht ansprechen. Daher sind die routinemäßigen Eingangsuntersuchungen der Gesundheitsämter vor der Einschulung die einzigen Untersuchungen, die noch alle Kinder eines Jahrganges erfassen, egal ob versichert oder nicht, egal ob reich oder arm.

Stattdessen werden jedoch in vielen Bundesländern, die für den öffentlichen Gesundheitsdienst zuständig sind, immer mehr Stellen von Kinder- und Jugendärzten aus Kostengründen gestrichen. Um hier eine bessere Versorgung zu erreichen, fordert die DGSPJ: Ein zukunftsfähiges finanzielles Konzept für den Ausbau des kinder- und jugendärztlichen Dienstes im öffentlichen Gesundheitsdienst für eine vorsorgende Tätigkeit in vorschulischen Kindereinrichtungen sowie die Etablierung von aufsuchenden Mobilen Teams.

Die Bildung vernetzter Versorgungsmodelle im Rahmen der integrierten Versorgung. Daran sollten sich Kinder- und Jugendärzte, Sozial- und Schulämter, Kindergärten und Schulen und der öffentliche Gesundheitsdienst als koordinierende Stelle beteiligen. Neue Finanzierungsmodelle für modellhafte Gesundheitsprojekte besonders in Regionen mit einem hohen Anteil armer oder sozial benachteiligter Familien.

Nur mit solchen Ansätzen wird es den Kindern aus armen Familien gelingen können, ihre massiven gesundheitlichen Defizite auszugleichen, meint Professor Harald Bode, Präsident der DGSPJ. Deshalb fordert Bode auch Länder und Gemeinden auf, im Rahmen einer "Konzertierten Aktion" deutlich mehr Mittel als bisher für Pilotvorhaben und für die öffentliche Gesundheitsvorsorge bei Kindern und Jugendlichen bereit zu stellen. Ansonsten, so seine Befürchtung, könnten die immensen Defizite benachteiligter Kinder und Jugendlicher schon bald in einem gesundheitlichen Fiasko enden.