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19 Stunden "Pfingstrosen-Pavillon"

Theaterwelten 2001

"Eine Geschichte von der Liebe zu erzählen ist am schwierigsten." Mit diesen Worten eröffnet ein Schauspieler Tee trinkend und singend die Kunju-Oper "Der Pfingstrosen-Pavillon", um gleich darauf unverdrossen mit dem Erzählen zu beginnen. Und da es sich um eine außergewöhnliche Liebe handelt, dauert die Geschichte drei Tage lang. Zum Auftakt der diesjährigen "Theaterwelten" präsentierten die Berliner Festspiele während der Pfingstfeiertage das über 400 Jahre alte chinesische Mammutwerk von Tang Xianzu - die Inszenierung ist mit 19 Stunden reiner Spielzeit länger als Peter Steins "Faust"-Komplettfassung. Das Berliner Publikum im allerdings bei weitem nicht ausverkauften Festspielhaus reagierte begeistert.

Der Uraufführung des "Pfingstrosen-Pavillons" 1999 in New York gingen zunächst eine akribische Rekonstruktion der Oper und anschließend noch erhebliche Schwierigkeiten mit den chinesischen Behörden voraus. Regisseur Chen Shi-Zheng, 1987 in die USA emigrierter Opernsänger und Tänzer, und seine Helfer recherchierten erfolgreich nach der Originalpartitur des Komponisten Ye Tang, sie rekonstruierten die ursprünglichen Varianten der durch die Zensur der Qing-Dynastie entstellten Szenen, sie ließen Dekorationen nach überlieferten Regeln des Kunsthandwerks bauen und beeindruckend schöne Seidenkostüme in Handarbeit von Familienbetrieben fertigen. Nach Voraufführungen der fertigen Inszenierung in Shanghai zogen die zuständigen Behörden aber plötzlich die Ausreisegenehmigungen für die geplante Tournee zurück, Begründung: Die Inszenierung sei "feudalistisch, abergläubisch und pornographisch". Chen musste eine neue Truppe zusammenstellen, lediglich die ursprüngliche Hauptdarstellerin Quian Yi und der Dirigent Zhou Ming durften dabei sein.

Erzählt wird die Geschichte der Schönen Du (Quian Yi), die aus Liebeskummer stirbt, und dem glücklosen Gelehrten Liu Mengmei (Wen Yuhang), dessen Liebe sie aus der Unterwelt erlöst. Da der Vater der Schönen Du, der Präfekt Du Bao, nicht an Liebes-Wiederauferstehung glauben kann, sondern Dämonie vermutet, haben die beiden Liebenden eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten. Erst die Verordnung des Kaisers gibt den Ausschlag für ein Happy End: "Ich befehle allen, sich gegenseitig anzuerkennen und nach Hause zu gehen." Die Schöne Du freut sich: "Am sonnengewärmten Zweig meines Ehemanns wachse und erblühe ich." Diese Geschichte bildet den Rahmen für ein Gesellschaftspanorama, das vom Minister bis zur Prostituierten, vom Bauern bis zum Hauslehrer, vom General bis zur Teepflückerin reicht. Bravos besonders für Quian Yi, die der Schönen Du eine geradezu dämonisch wirkende Bühnenpräsenz zu verleihen vermochte. Vom 8. bis 10. Juni wird der "Pfingstrosen-Pavillon" noch einmal in Berlin zu sehen sein.

"Theaterwelten", die internationale Theaterreihe der Berliner Festspiele, bietet bis Oktober weitere Highlights: Unter anderem gibt es im Juli Peter Brooks Pariser "Hamlet"-Inszenierung, im September Pina Bausch und das Wuppertaler Tanztheater mit "Kontakthof", im Oktober das Stary Teatr Kraków mit "Yvonne, Prinzessin von Burgund" von Gombrowicz und die National Dance Company Korea mit koreanischen Trommeltänzen.