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Stendal will Alternative zum umstrittenen Projekt bieten

Großflughafen Schönefeld

Fünf Jahre nach dem Konsensbeschluss zum Großflughafen Schönefeld werden die Karten im Berliner Flughafenpoker neu gemischt. Mit Stendal kommt erstmals ein zweiter Standort in die Debatte, wo das künftige Luftdrehkreuz der Bundeshauptstadt gebaut werden soll. "Man muss doch wenigstens über Alternativen nachdenken können", fordert Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Jürgen Heyer. Und da wäre das knapp 100 Kilometer vom Berliner Zentrum entfernte Stendal "nahezu ideal".

Den Vorwurf, Stendal sei ein "Luftschloss" und ein wie Parchim in Mecklenburg-Vorpommern nicht realisierbarer Traum eines chronisch finanzschwachen ostdeutschen Landes, weist Heyer empört zurück. "Ich mache doch nicht Versprechen, die ich nicht halten kann." Stendal wäre doch längst aus den Kinderschuhen heraus: So sei 1998 das Raumordungsverfahren abgeschlossen worden, jetzt läge zudem ein Gutachten zu Marktchancen des neuen Großflughafens vor. Berlin International bei Stendal (BIS) soll er heißen.

Anfang kommenden Jahres wollen die Stendal-Planer, die Airail AG mit ihren Partnern, die Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren beim Regierungspräsidium Magdeburg einreichen. Bereits jetzt wären mehr als 50 Prozent der notwendigen Unterlagen beisammen, sagt Airail Chef Malte Maurer. Und dass die dann notwendigen Anhörungen wesentlich kürzer als beim geplanten Schönefeld-Ausbau wären, da ist sich Maurer sicher. "Statt der 150.000 Betroffenen wie in Berlin sind es bei uns etwa 1.500 Menschen." Deshalb sei ein straffer Zeitplan realistisch. "Bereits 2003 könnten wir den Planfeststellungsbeschluss haben und dann bauen", schaut Maurer in die luftige Zukunft.

Genau zu diesem Zeitpunkt will auch die Berliner Flughafenholding BBF ihren Ausbau von Schönefeld beginnen. Momentan kämpft sie aber noch in einem mehrmonatigen Anhörungsverfahren mit über 133.000 Einwänden von mehr als 60.000 Berlinern und Brandenburgern. Doch ist BBF-Sprecher Burkhard Kieker optimistisch: "Nächstes Jahr hoffen wir auf einen Planfeststellungsbeschluss, dann rollen die Bagger."

Ganz so rosig sieht es Heyer aber nicht. "Wir hätten das Ganze mit Stendal nicht gemacht, wenn die Dinge in Schönefeld sich reibungslos entwickelt hätten. Aber sie haben sich nicht reibungslos entwickelt." Nein, über Verzögerungen und Probleme beim Schönefeld-Projekt freue er sich nicht. Aber eins sei doch klar: "Das Konzept eines stadtnahen Flughafens ist unmodern." Und Stendal habe all das nicht, was in Schönefeld die Bürger auf die Straße treibe - eine große Zahl von Betroffenen bei Fluglärm, Schwierigkeiten mit einem 24-Stunden-Flugbetrieb und eine wuchernde Metropole schon an den Grenzen des neuen Airports. "Deshalb ist Stendal ökonomisch und ökologisch vertretbar."

Das hatten die Brandenburger Behörden aber auch schon 1994 für die geprüften Alternativstandorte Sperenberg und Jüterbog im Süden Berlins gesagt und Schönefeld als einzigen der drei für "ungeeignet" erklärt. Doch die Politik entschied zwei Jahre später anders: pro Schönefeld. Sperenberg und Jüterbog lagen mit 30 beziehungsweise 50 Kilometern vom Stadtzentrum einfach zu weit von Berlins Mitte entfernt. Doch setzt Heyer hier auf die Lernfähigkeit der Berliner Politik. "Es ist eine Hürde, die besonders die Westberliner im Kopf haben", sagt er, der selbst lange im Westteil der damals geteilten Stadt gelebt hat.

Heyer weiß aber auch um die Schwächen des Standortes Stendal. Denn die Unternehmensberater von Roland Berger haben unmissverständlich in ihrem Gutachten festgehalten, dass nur bei einem "Umklappen" des gesamten Berlin-Flugverkehrs auf den Standort in Sachsen-Anhalt dieses Acht-Milliarden-Mark-Projekt Chance auf Verwirklichung hat. Daher wolle er "nicht gegen Schönefeld", sondern "im Miteinander" der drei Länder das Altmarkvorhaben in die Tat umsetzen. "Ich halte es für undenkbar, dass 1,5 Milliarden Mark für das Vorhaben in Schönefeld ausgegeben werden - und wenn es scheitert, dass dann in Berlin gesagt wird, wir machen so weiter wie bisher mit den drei Flughäfen."

Auch der Bürgerverein Brandenburg-Berlin, der seit Jahren gegen den Standort Schönefeld kämpft, will sich ein solches Szenario lieber nicht vorstellen. "Stendal ist der menschlichere Standort", freut sich BVBB-Chef Ferdi Breidbach. Nun liege es an der Politik, den Strohhalm zu ergreifen und sich von Schönefeld zu verabschieden. Was allerdings auch heißen würde, die beiden anderen innerstädtischen Airports Tegel und Tempelhof dich zu machen, wie es das Roland Berger-Gutachten ausweist. Und spätestens da glaubt BBF-Sprecher Burkhard Kieker wieder an Schönefeld: "Eine komplette Flughafenschließung in Berlin ist Träumerei."