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Zwangsarbeit - Rückblende I

NS-Zwangsarbeiter - Hoffen auf baldige Zahlungen

Die Jewish Claims Conference (JCC) hofft auf die ersten Entschädigungszahlungen an NS-Zwangsarbeiter noch vor der Sommerpause. Wenn der Bundestag Anfang Juni die Rechtssicherheit beschließen würde, könnten die ersten Zahlungen dann ein paar Wochen später geleistet werden, sagte JCC-Geschäftsführer Gideon Taylor der Zeitung "Die Welt" (Montagausgabe). Am Wochenende hatten 43 Mitgliedsunternehmen der Stiftungsinitiative in einem Schreiben an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gefordert, die von über 6.000 Firmen eingezahlten Beträge so schnell wie möglich an die Betroffenen weiter zu geben.

Durch die Ablehnung künftiger Sammelklagen seien die Voraussetzungen für die Auszahlung erfüllt, betonte JCC-Geschäftsführer Taylor. Hundertprozentige Garantien könne es nicht geben. Auch der Zentralrat der Juden forderte eine zügige Auszahlung. Dagegen sagte der Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski, eine abschließende Bewertung sei erst in zwei Wochen zu erwarten. Weiterer Streit zeichnet sich auch über die Verwendung der Zinsen auf die gesammelten Entschädigungsgelder ab.

In dem Aufruf der 43 Firmen heißt es, das Rechtsschutzinteresse weniger Firmen dürfe die Gerechtigkeit für die Überlebenden nicht länger behindern. Den Gründungsmitgliedern hielten die Unterzeichner vor, sich mit ihren massiven Bedenken über die Mehrheit hinwegzusetzen. Sie forderten Stiftungs-Chef Manfred Gentz und Gibowski auf, den Widerstand gegen die Feststellung der Rechtssicherheit durch den Bundestag einzustellen. An Schröder gewandt, schrieben die Firmen: "Lassen Sie nicht länger zu, dass eine Handvoll Unternehmen die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag daran hindern, ihrer historischen Verantwortung nachzukommen."

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, forderte eine Sondersitzung des Bundestages in der anstehenden Woche, um Rechtssicherheit für die Wirtschaft vor weiteren Klagen festzustellen. Bei Verzögerung drohe ansonsten weiterer Gesichts- und Imageverlust Deutschlands. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, sprach sich für einen entsprechenden Beschluss nur im Einvernehmen mit der Wirtschaft aus.

Stiftungssprecher Gibowski nannte die Forderung nach sofortiger Feststellung der Rechtssicherheit "Effekthascherei". Er unterstrich, die Stiftung wolle "in Ruhe" die Auswirkung der Abweisung von US-Sammelklagen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter auf die noch streitigen Einzelklagen prüfen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte bereits am Freitag die Erwartung geäußert, dass noch vor der Sommerpause mit den Auszahlungen begonnen werden könne. Dagegen warf der Wortführer der 43er Gruppe, der Kölner Unternehmer Wolfgang Müller, der Stiftungsinitiative erneut vor, den Beginn der Entschädigungszahlungen absichtlich zu verschleppen.

Im Streit um die Verwendung der Zinsen sagte Beck, er gehe davon aus, dass die Initiative die Kapitalerträge an die Stiftung überweist. Ansonsten käme der Verdacht auf, sie habe die Feststellung der Rechtssicherheit nur behindert, um möglichst lange mit den Zinsen Finanzierungslücken beim Sammeln schließen zu können. Zentralrats-Präsident Spiegel nannte es "unerträglich", dass täglich 200 ehemalige Zwangsarbeiter stürben, während bereitstehende Gelder Zinsen abwerfen.

Die Stiftungsinitiative weigert sich, Auskünfte über die Höhe der Zinsen zu erteilen. Berichte über einen Betrag von täglich 700.000 Mark Zinsen bezeichnete Gibowski als "völlig abwegig". Zudem würden auch die Zinsen dem Auszahlungsbetrag zugeschlagen.

Nach Schätzungen der Claims Conference gibt es ungefähr 160.000 Überlebende der jüdischen Zwangs- und Sklavenarbeit, die Geld aus dem Entschädigungsfonds erhalten müssten. Die Hälfte aller Überlebenden sei älter als 75 Jahre. Die Conference habe bisher 100.000 Anträge auf Entschädigung zurückbekommen, etwa 10.000 seien bereits genehmigt.

Am 21-05-2001

Zwangsarbeiter in Bonn

"Der Hunger und das Heimweh waren bei unserer Zwangsarbeit vor 60 Jahren in Deutschland das schlimmste", sagten ehemalige polnische Zwangsarbeiter bei einer Diskussion mit 16- bis 18-jährigen Schülern des Kardinal-Frings-Gymnasiums am Montag in Bonn. Freundlich lächelnd beantworteten die polnischen Gäste die Fragen der Schüler, was sie damals empfunden haben, wie sie leiden mussten und schikaniert wurden.

Die 75 Jahre alte Teodozja Gmiter, die mit 14 anderen Frauen und Männern auf Einladung der Stadt Bonn nach all den Jahren an ihre damalige "Zwangsarbeitsstätte" in der NS-Zeit an den Rhein gekommen war, meinte versöhnlich: "Die Zeit hat die Wunden geheilt, wie schwer es auch war". Die Schüler, die sich vorher im Unterricht mit der Zeit unter den Nazis auseinandergesetzt hatten, betonten, sie hätten sich die Diskussionsrunde "viel bedrückender" vorgestellt. Sie zeigten sich über die "versöhnlichen Worte" ihrer Gäste "sehr angetan".

Der 79-jährige Kazimierz Bilawski schilderte, wie ihn deutsche Gendarmen seinerzeit als Jungen beim Fußballspiel in seinem Heimatdorf "einfach ergriffen" und zur Deportation nach Deutschland gebracht haben. Nicht einmal seine Eltern wurden benachrichtigt. Er musste in der Jutespinnerei im rechtsrheinischen Beuel, die es heute nicht mehr gibt, arbeiten: 12 Stunden täglich, und das fünf Jahre lang.

Gmiter berichtete, dass es ihr einmal gelungen war, unerkannt aus dem Arbeitslager herauszukommen. Sie hatte ihr Zeichen mit dem violetten "P", das jeder Pole tragen musste, von der Jacke abgenommen und versteckt. Sie wollte ins Kino gehen. Als sie kurz vor ihrem Ziel war, fiel ihr aus Versehen das Schild herunter. Ein Polizist sah es und verprügelte sie daraufhin. Wurden sie dabei erwischt, in die Kirche zu gehen, mussten die Polen fünf Mark Strafe zahlen.

Besonders hat die damals 14-jährige Teodozja unter der Lageraufseherin leiden müssen. Sie sei "richtig gemein gewesen", erzählte sie. Ob sie nicht auch an Flucht gedacht hätten, wollten die Schüler von ihren Gästen wissen. Ihre Antwort hat die jungen Deutschen erschreckt: Auf Flucht stand die Todesstrafe. Als sehr belastend haben es die Polinnen und Polen empfunden, dass sie in den entscheidenden Jahren keine Schulausbildung haben konnten. Sie mussten dies nach dem Kriegsende und der Rückkehr in die Heimat "alles nachholen", unterstrichen sie.

Bonn hatte die 15 ehemaligen Zwangsarbeiter zu einer ersten Begegnungswoche an den Rhein eingeladen. In Bonn waren etwa 10.000 Zwangsarbeiter auch aus der Sowjetunion, Holland, Belgien, Frankreich und der Tschechoslowakei eingesetzt. Die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann hatte in ihrem Einladungsschreiben die Polen um Vergebung und Versöhnung sowie Verzeihung für das "seinerzeit widerfahrene Unrecht" gebeten.

Den Gästen wurde auch ein touristisches Programm geboten. Sie konnten alle Orte besuchen, wo sie seinerzeit in Bonn waren. Sie zeigten sich "beeindruckt" von der Gastfreundschaft und von allem, was sie erleben konnten. Zum Abschluss des Besuchs hat die Oberbürgermeisterin am Dienstag alle Bonner Bürger zur öffentlichen Begegnung mit den Gästen ins Alte Rathaus eingeladen.

Am 21-05-2001

NS-Zwangsarbeiter

Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" wurde im Februar 1999 ins Leben gerufen. Ziel ist, noch lebenden NS-Zwangsarbeitern und anderen Geschädigten des Nazi-Regimes zu helfen. Zudem soll ein Zukunftsfonds für Projekte bereitgestellt werden, die der Völkerverständigung dienen und die weltweite Achtung der Menschenrechte fördern.

Derzeit gehören der Stiftungsinitiative über 6.300 Firmen an. Die Initiative hatte bei den Unternehmen für die Zwangsarbeiter-Entschädigung gesammelt. Diese Sammelaktion verlief jedoch über Monate schleppend. Seit Wochen hat die Stiftungsinitiative ihren zugesagten Fünf-Milliarden-Betrag beisammen. Sie wollte diese Summe aber erst dann in den Entschädigungsfonds einzahlen, wenn Rechtssicherheit vor weiteren Klagen besteht. Dieses Ziel ist nunmehr erreicht. Weitere fünf Milliarden Mark zahlt die Bundesregierung in den Fonds ein.

In der Präambel der Stiftungsinitiative heißt es:

..."Es kann heute nicht darum gehen, allein für die Tatsache der Zwangsarbeit Leistungen zu gewähren. Rechtsansprüche gegen deutsche Unternehmen im Hinblick auf Zwangsarbeit oder Schäden wegen der Verfolgung während der NS-Zeit bestehen nicht. Die Folgen der Einbindung deutscher Unternehmen in nationalsozialistisches Unrecht sind nicht rechtlich zu lösen. Die deutschen Unternehmen sehen aber eine moralische Verpflichtung insbesondere dort, wo Zwangsarbeit unter besonders erschwerten Bedingungen geleistet werden musste oder wo Unternehmen an der Diskriminierung von Menschen mitwirkten, die aus rassistischen Gründen vom NS-Regime verfolgt wurden."

Am 22-05-2001

NS-Zwangsarbeiter

Entschädigungszahlungen an die NS-Zwangsarbeiter noch in diesem Sommer werden immer wahrscheinlicher. Die US-Bundesrichterin Shirley Kram wies in New York eine weitere Sammelklage gegen die deutsche Wirtschaft ab. Parteiübergreifend äußerten sich Politiker daraufhin am Dienstag zuversichtlich, dass der Bundestag noch vor der parlamentarischen Sommerpause die Rechtssicherheit für deutsche Firmen vor weiteren Klagen feststellen kann. Dem schloss sich der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, grundsätzlich an. Er verwies jedoch gleichzeitig darauf, dass vor US-Gerichten noch weitere Klagen anhängig seien.

Bundeskanzler Schröder will nach Angaben eines Regierungssprechers zunächst Anfang Juni mit Spitzenvertretern der Wirtschaft über den juristischen Streit um die Zwangsarbeiter-Entschädigung sprechen. Jetzt müsse der Wirtschaft Zeit gelassen werden, die Rechtslage in einer angemessenen Frist zu prüfen. Es sei nicht entscheidend, ob der Bundestag die Rechtssicherheit in seiner nächsten oder übernächsten Sitzungswoche im Juni feststellt. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) mahnte dagegen zur Eile: Die Zeit dränge, denn jede Woche würden frühere Zwangsarbeiter sterben, ohne je Geld gesehen zu haben.

Bevor Geld an die Opfer fließen kann, muss der Bundestag erst förmlich die Rechtssicherheit für deutsche Firmen vor weiteren Klagen feststellen. Das war eine Forderung der Wirtschaft, damit sie überhaupt in den Entschädigungsfonds einzahlt.

Im Fonds sind zehn Milliarden Mark, für die Bundesregierung und Wirtschaft je zur Hälfte aufkommen. Der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, sagte, vor einem Gericht in Kalifornien sei noch eine Zwangsarbeiter-Klage anhängig, der die deutsche Wirtschaft besondere Bedeutung beimesse. "Unsere Juristen prüfen im Augenblick, ob man auf die Abweisung dieser Klage warten muss", betonte Gibowski.

Am 22-05-2001

NS-Zwangsarbeiter

Der Weg zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter ist endlich frei. Der Verhandlungsführer der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Manfred Gentz, sagte am Dienstag in Frankfurt am Main, dass die Wirtschaft nach der jüngsten Klage-Abweisung in den USA ausreichende Rechtssicherheit vor weiteren Klagen als gegeben ansieht. Nach Angaben von SPD-Fraktionschef Peter Struck wird der Bundestag aller Voraussicht nach am Mittwoch nächster Woche die Rechtssicherheit feststellen und damit grünes Licht für die Entschädigungszahlungen geben.

Die US-Bundesrichterin Shirley Kram hatte zuvor eine weitere Sammelklage gegen die deutsche Wirtschaft abgewiesen. Gentz sah daraufhin ungeachtet weiterer vor US-Gerichten anhängigen Klagen die von der Wirtschaft geforderte Rechtssicherheit gewährleistet. Er ging zugleich davon aus, dass die bisher noch nicht zurückgenommenen Berufungsfälle in Philadelphia und der streitige Berufungsfall in Kalifornien kurzzeitig erledigt werden.

Noch vor der Entscheidung der Stiftungsinitiative hatte Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) zur Eile gemahnt: Die Zeit dränge, denn jede Woche würden frühere Zwangsarbeiter sterben, ohne je Geld gesehen zu haben.

Bevor Geld an die Opfer fließen kann, muss der Bundestag erst förmlich die Rechtssicherheit für deutsche Firmen vor weiteren Klagen feststellen. Das war eine Forderung der Wirtschaft, damit sie überhaupt in den Entschädigungsfonds einzahlt. Im Fonds sind zehn Milliarden Mark, für die Bundesregierung und Wirtschaft je zur Hälfte aufkommen. Die Unternehmen können ihren Beitrag allerdings steuermindernd geltend machen, so dass letztlich rund drei Viertel der Entschädigungssumme aus dem Staatssäckel kommen.

Am 22-05-2001

Zwangsarbeiterentschädigung

Die Entscheidung der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Rechtssicherheit für die Entschädigungszahlungen ist von den Betroffenenverbänden mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Israel Singer, sagte am Mittwoch, "es wäre ein Unglück gewesen, wenn es noch zwei Jahre länger gedauert hätte". Jedes Jahr stürben 15 Prozent der NS-Zwangsarbeiter, ohne eine Entschädigung erhalten zu haben. Jetzt müsse schnell das Geld ausgezahlt werden, betonte Singer im Inforadio Berlin-Brandenburg.

SPD-Fraktionschef Peter Struck unterstrich, wenn der Bundestag am nächsten Mittwoch die Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen feststelle, gehe ein langer und schwieriger Prozess zu Ende. Er erwarte, dass die Entschädigungsstiftung anschließend unverzüglich mit der Überweisung der Gelder an die Partnerorganisationen beginne. Ende Juni könnten dann die ersten Zwangsarbeiter das Geld bekommen.

Der Münchner Opferanwalt Michael Witti betonte im ARD-"Morgenmagazin", die angefallenen Zinsen stünden in jedem Fall den Zwangsarbeitern zu. Mögliche Differenzen über diese Frage dürften den Auszahlungsbeginn aber nicht verzögern, betonte Witti. Diese Postion teilte der Sprecher des Bundesverbands Information und Beratung für NS-Verfolgte, Lothar Evers, in der ARD. Er verlangte zugleich, die für Ende August festgesetzte Frist für Entschädigungsanträge zu verlängern.

Am 23-05-2001

Verband für NS-Verfolgte

Der Streit um die Zinsen auf den Anteil der Wirtschaft an der Entschädigungssumme für ehemalige NS-Zwangsarbeiter verschärft sich. Mit den derzeit angebotenen 100 Millionen Mark Zinsen prelle die Stiftungsinitiative der Wirtschaft die Überlebenden um einen Teil der ihnen zustehenden Gelder, kritisierte der Sprecher des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte, Lothar Evers, am Freitag in Köln. Evers warf dem Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski, vor, dieser verbreite "bewusst die Unwahrheit", um "den Anteil seiner Arbeitgeber an der NS-Zwangsarbeiterentschädigung gering zu halten".

Gibowski hatte erklärt, die Stiftungsinitiative werde zusätzlich zu ihrem Anteil von fünf Milliarden Mark weitere 100 Millionen Mark an Zinsen in den Entschädigungsfonds einzuzahlen. Dieser Betrag sei so in einer gemeinsamen Erklärung aller Beteiligten vom Juli vergangenen Jahres festgelegt. Dagegen betonte Evers, in der deutschen wie in der englischen Fassung des Textes stehe eindeutig, die Wirtschaft müsse ihren Anteil so anlegen, "dass damit vor und nach ihrer Übergabe an die Stiftung Zinserlöse in Höhe von mindestens 100 Millionen Mark erzielt werden". Demzufolge müsse die Wirtschaft die gesamten angefallenen Zinsen in Höhe von mindestens 150 Millionen Mark an den Fonds überweisen.

Die Abweisung der in den USA anhängigen Klagen hat sich Evers Ansicht nach vor allem deshalb verzögert, weil die Stiftungsinitiative sich so lange geweigert hat, ihren Anteil als Sicherheit im Fonds zu hinterlegen. Jetzt wollten die 16 Gründungsunternehmen der Stiftungsinitiative den Zinsgewinn aus dieser Verzögerung zur Reduzierung ihrer Kosten nutzen. Dies sei "ein Zeichen mangelnder Verantwortung und kleinlicher Pfennigfuchserei", fügte Evers hinzu.

Am 25-05-2001

Ärztetag

Die deutsche Ärzteschaft will sich am Stiftungsfonds zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter beteiligen. Zum Abschluss des viertägigen Kongresses beschloss der Ärztetag am Freitag in Ludwigshafen einen Antrag, nach dem der Vorstand der Bundesärztekammer das "ihm Mögliche" zur Förderung des Fonds leisten soll. Zur Begründung wird genannt, dass auch in Einrichtungen des Gesundheitswesens Menschen während des Dritten Reichs zur Zwangsarbeit gezwungen wurden.

Eine denkbare Variante ist laut Ärztekammer-Sprecher Hans-Jörg Freese eine Beteiligung durch Gewinne des Ärzteverlags. Bei diesem sind die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Gesellschafter.

Zudem forderte der Ärztetag den Vorstand der Bundesärztekammer auf, Krankenhausträger und ärztliche Verbände zu einer Beteiligung am Entschädigungsfonds zu veranlassen. Es bestehe ein erheblicher Bedarf, die Verantwortung für die Beschäftigung von Zwangsarbeitern im medizinischen Bereich aufzuarbeiten. Der Ärztetag sprach sich für eine rasche Auszahlung der Stiftungsgelder aus. Auf Grund des Alters der Menschen dürfe es keine unnötigen Verzögerungen geben, hieß es.

Unterdessen ging der 104. Deutsche Ärztetag mit der Aussprache über den Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer zu Ende. Die Vertretung der 370.000 Mediziner in Deutschland tagte seit Dienstag. Im Mittelpunkt standen unter anderem die Situation der Krankenhausärzte, die Gentechnik, die Sterbehilfe und die ärztliche Weiterbildung.

Am 26-05-2001

NS-Zwangsarbeiter

Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft will für die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter nach der Feststellung der Rechtssicherheit im Bundestag am Mittwoch nur einen Teil der zugesagten fünf Milliarden Mark auszahlen. Das geht nach Angaben von "Spiegel online" und der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke aus einem Schreiben des Vorsitzenden der Stiftungsinitiative, Manfred Gentz, an die 6.300 Mitgliedsunternehmen hervor. Danach soll zunächst nur so viel Geld zu sparen an die Bundesstiftung überwiesen werden, wie Geld auf den Konten der Stiftungsinitiative eingegangen sei. Nach Angaben von Jelpke waren dies zuletzt rund 3,6 Milliarden Mark. Dies stehe im Widerspruch zu allen Vereinbarungen mit der Wirtschaft. Jede Verringerung des Fünf-Milliarden-Betrages wäre eine "Ungeheuerlichkeit", betonte Jelpke.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck sagte zu dem Brief von Gentz: "Das schlägt dem Fass den Boden aus." Wenn die Wirtschaft jetzt verkünde, sie habe das Geld noch nicht beisammen, dann habe sie gegenüber den US-Gerichten und dem Bundestag die Unwahrheit gesagt, sagte Beck "Spiegel online". Die New Yorker Richterin Shirley Kram hatte zunächst die Ablehnung von Klagen gegen deutsche Banken mit den fehlenden Entschädigungsgeldern begründet. Danach verpflichteten sich die Gründungsmitglieder der Stiftungsinitiative, mit einer Bürgschaft für eventuell noch fehlende Gelder aufzukommen.

Am 28-05-2001

NS-Zwangsarbeiter

Unmittelbar vor der Entscheidung des Bundestages zur Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen vor weiteren Zwangsarbeiter-Klagen gibt es weiter Streit. Die Stiftungsinitiative hat erst "über drei Milliarden Mark" ihres zugesagten Fünf-Milliarden-Mark-Betrages im Entschädigungsfonds auf dem Konto, wie der Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski, am Dienstag in Berlin sagte. Dies stieß beim Grünen-Politiker Volker Beck, bei der PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke sowie beim Münchner NS-Opferanwalt Michael Witti auf scharfe Kritik.

Gibowski sagte, die Differenz von "um die zwei Milliarden Mark" hätten Firmen verbindlich zugesichert. Diese Unternehmen seien erst bereit, ihre zugesagte Summe auf das Konto der Stiftungsinitiative zu überweisen, wenn der Bundestag Rechtssicherheit vor weiteren Klagen festgestellt habe. Beck sagte, wenn die Wirtschaft jetzt verkünde, sie habe das Geld noch nicht beisammen, dann habe sie gegenüber den US-Gerichten und dem Bundestag die Unwahrheit gesagt. Das kann nach Aussagen von Witti zur Konsequenz haben, dass ein Kläger vor einem US-Gericht den Antrag stellt, dass alle bislang abgewiesenen Sammelklagen von früheren Opfern neu aufgerollt werden. Die PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke sprach von einer "Ungeheuerlichkeit".

Nach einem deutsch-amerikanischen Abkommen sollen alle vor US-Gerichten anhängigen Klagen von früheren Zwangsarbeitern auf Entschädigung abgewiesen werden. Im Gegenzug erklären sich Bundesregierung und Wirtschaft bereit, mit insgesamt zehn Milliarden Mark die Opfer von einst zu entschädigen. Der Bundestag will am Mittwoch nach über zweijährigem Verhandlungspoker die Rechtssicherheit für deutsche Firmen vor weiteren Klagen feststellen und damit grünes Licht für die Entschädigungszahlungen geben.

Am 29-05-2001

NS-Zwangsarbeiter

Für die Entschädigung der früheren NS-Zwangsarbeiter hat die deutsche Wirtschaft erst 3,9 Milliarden Mark auf das Konto der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" überwiesen. Der restliche Betrag von 1,1 Milliarden Mark werde "in Kürze der Bundesstiftung zur Verfügung gestellt", teilte der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, am Montag in Berlin mit. Nach seinen Angaben sollen die Zinsen in Höhe von 100 Millionen Mark in dieser Woche auf das Konto der Stiftung eingezahlt werden.

Fünf Milliarden Mark zahlt die Wirtschaft in den Fonds ein, weitere fünf Milliarden Mark die Bundesregierung.

Der Bundestag hatte erst vor knapp zwei Wochen die Rechtssicherheit für deutsche Firmen vor weiteren Klagen festgestellt und damit über 56 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs den Weg für Entschädigungszahlungen an frühere NS-Zwangsarbeiter freigemacht. Dem war ein harter und zäher Verhandlungspoker vorausgegangen.

Geklärt werden muss noch, ob die Wirtschaft über die Summe von 100 Millionen Mark Zinsen hinaus weitere Zinserträge leisten muss. Darauf hatten vor allem die Opferverbände gepocht. Als unstreitig gilt, dass alle auf dem Fünf-Milliarden-Mark-Anteil der Bundesregierung anfallenden Zinsen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" zu Gute kommen.

Der Sprecher des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte, Lothar Evers, warf der Stiftungsinitiative vor, "einmal mehr" offenen Vertragsbruch zu begehen. Es sei "Betrug", dass die 16 Gründungsmitglieder der Initiative den früheren NS-Zwangsarbeitern 1,1 Milliarden Mark plus die ihnen zustehenden Zinserträge vorhielten. Die Opfer verlören durch die verspätete Zahlung Zinserträge von mindestens 150.000 Mark täglich. Parlament, Stiftung und Stiftungsinitiative dürften "diesen Betrug an den Opfern" nicht länger dulden.

Am 11-06-2001

NS-Zwangsarbeiter

Die Antragsfrist für Entschädigungszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter soll bis Ende 2001 verlängert werden. Darauf verständigten sich am Montagabend in Berlin die Entschädigungsexperten der Bundestagsfraktionen. Das Stiftungsgesetz solle in den Fraktionen beraten und in der nächsten Woche verabschiedet werden, sagte der Grünen-Politiker Volker Beck. Ursprünglich sollte für die Opfer die Antragsfrist am 11. August ablaufen. Die Auszahlung der Gelder hatte sich wegen des langwierigen Verhandlungspokers um Monate verzögert. Unterdessen begann in Tschechien die Auszahlung an NS-Opfer.

Bundesregierung und Wirtschaft zahlen je fünf Milliarden Mark in den Entschädigungsfonds für frühere NS-Zwangsarbeiter auf das Konto der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" ein. Die Wirtschaft hat jedoch erst 3,9 Milliarden Mark überwiesen und zuletzt angekündigt, für den Restbetrag in diesen Tagen aufzukommen. Für das fehlende Geld hatten die 16 Gründungsunternehmen der Stiftungsinitiative eine Ausfallbürgschaft zugesichert.

Derweil bemüht sich die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft um weitere Unternehmen als Geldgeber. Nach einem Zeitungsbericht drängt die Initiative in Deutschland tätige Tochterfirmen amerikanischer Konzerne, sich an den Entschädigungszahlungen zu beteiligen.

Der Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski, erhofft sich "einige hundert Million Mark" von den in Deutschland tätigen Tochterfirmen amerikanischer Konzerne. Dazu gehören etwa Microsoft und Hewlett Packard. Die Stiftungsinitiative bemüht sich nach Angaben Gibowskis "auf hoher Ebene, hier und in Amerika" um diese Firmen.

Dabei habe die Stiftung festgestellt, dass die deutschen Töchter kaum Bewegungsfreiheit haben, sagte Gibowski. Die Entscheidungen träfen die Konzernleitungen in den USA. Dort sei die Bereitschaft, auf Gewinne zu Gunsten von Entschädigungen zu verzichten, nicht sehr groß. Der Grünen-Politiker Beck forderte die Wirtschaft auf, ihren Betrag endlich komplett zu überweisen. "Die Zahlungen sind jetzt fällig", sagte er.

In Tschechien hat unterdessen die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter begonnen. Die ersten Anweisungen seien bereits auf dem Weg, teilte Außenminister Jan Kavan am Dienstag in Prag mit. Es handele sich um 56 Millionen Mark, die erste Rate von insgesamt 423 Millionen Mark, die aus Mitteln der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" für die tschechischen Opfer des Nationalsozialismus bereitgestellt werden sollen. Die ersten Zahlungen gehen an 10.000 Betroffene, wobei diejenigen ausgewählt wurden, die älter als 80 Jahre sind.

Nach Angaben des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, der die Erfassung der Berechtigten, deren Überprüfung und die Organisation der Verteilung übernommen hat, sind bisher mehr als 84.000 Anträge auf Entschädigung eingegangen. Angesicht der angekündigten Verlängerung der Antragsfrist bis zum Jahresende wird erwartet, dass sich die Zahl der Anspruchsberechtigten auf etwa 100.000 Personen erhöhen könnte, hieß es.

Am 19-06-2001

Geldsorgen der Stiftung

Kurz nach Beginn der ersten Zahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter droht dem Entschädigungsfonds das Geld auszugehen. Die Befürchtungen nähmen zu, dass die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" mit der jetzigen Finanzierung nicht auskomme, sagte Stiftungsvorstand Hans-Otto Bräutigam am Freitag in Berlin. Das Stiftungskuratorium forderte die Wirtschaft auf, den noch ausstehenden Betrag von einer halben Milliarde Mark sowie die Zinsen umgehend zu überweisen. Das Gremium appellierte zudem an die Opferanwälte, einen Teil ihrer Honorare in den Fonds einzuzahlen. Der Anwalt Michael Witti lehnte dies ab.

Gegenwärtig sei lediglich die erste Auszahlungsrate gesichert, sagte Bräutigam. Hintergrund der Geldprobleme sei, dass mittlerweile mit mehr Anträgen auf Entschädigung gerechnet werde. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass bis zu 1,8 Millionen der ehemals 10 bis 12 Millionen Opfer noch leben. Außerdem stünde mehr Zwangsarbeitern die Höchstsumme von 15.000 Mark zu als ursprünglich angenommen. Bisher wurden rund 350.000 Anträge geprüft und beschieden. Insgesamt sind für Entschädigungszahlungen 8,2 Milliarden Mark vorgesehen.

Ein Opferanwalt sei der Aufforderung zum teilweisen Honorarverzicht zu Gunsten der Stiftung bereits nachgekommen, teilte das Kuratorium mit. Die Anwälte erhalten insgesamt 125 Millionen Mark. Witti hielt dagegen an seinem Nein fest. Die Honorare seien nach US-Maßstäben außerordentlich gering, sagte er. Alle Anwälte hätten aus gutem Grund bereits auf höhere Honorare verzichtet. Er bekomme pro Zwangsarbeiter 200 Mark, insgesamt seien das rund 8,3 Millionen Mark.

Der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, sagte dazu: "Herr Witti gehört zu dieser Gruppe von Leuten auf der internationalen Ebene, die Wasser predigen und Wein trinken." Salomon Korn, Mitglied im Zentralrat der Juden, sagte, den großen US-Kanzleien seien "Millionen von Unkosten" entstanden. "Ich habe nichts dagegen, dass sie dafür Geld erhalten." Wenn aber mit der Entschädigung Geld verdient werden solle, werde es "moralisch fragwürdig".

Unterdessen begann die Jewish Claims Conference mit der Auszahlung der ersten Rate an jüdische Zwangsarbeiter. Der Repräsentant der Interessenvertretung jüdischer Holocaust-Überlebender in Deutschland, Karl Brozik, überreichte sieben ehemaligen Zwangsarbeitern symbolisch je 10.000 Mark aus dem Entschädigungsfonds. Insgesamt habe die Claims Conference gleiche Beträge an 10.000 Überlebende in 25 Ländern überwiesen, sagte er.

Brozik dankte der Bundesregierung, die ihren Anteil am Fonds bereits im vergangenen Jahr vollständig zur Verfügung gestellt habe. In "krassem Missverhältnis" dazu stehe jedoch die "zögerliche" Zahlungsbereitschaft der Wirtschaft.

Der Bundestag brachte unterdessen eine Verlängerung der Frist für Entschädigungsanträge auf den Weg. Ein Antrag aller Fraktionen zur Änderung des Stiftungsgesetzes wurde in die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Die bisher im Stiftungsgesetz verankerte Frist endet am 12. August. Dies ist nach Überzeugung aller Fraktionen zu kurzfristig, um allen ehemaligen Zwangsarbeitern die Chance zu geben, Entschädigung zu beantragen.

Am 22-06-2001

NS-Zwangsarbeiter

Der Weg für die Auszahlung von Entschädigungsgeldern an in Russland lebende frühere Zwangsarbeiter ist frei. Die russische Partnerorganisation "Verständigung und Aussöhnung" und die russische Sberbank unterzeichneten einen entsprechenden Bankenvertrag, wie die Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" am Mittwoch in Berlin mitteilte. Sie geht davon aus, dass mit den Auszahlungen noch im Juli begonnen werden kann. Auch die vertraglichen Vorbereitungen für Antragsannahme und Auszahlungen in Lettland und Litauen seien abgeschlossen, hieß es weiter.

Nach Schätzungen leben noch etwa 1,8 Millionen der während der NS-Zeit zehn bis zwölf Millionen Zwangsarbeiter. Sie erhalten je nach Schwere ihres Schicksals eine Entschädigungssumme zwischen 5.000 und 15.000 Mark. Das Geld fließt aus einem Fonds, in dem Bundesregierung und Wirtschaft je fünf Milliarden Mark einzahlen.

Am 12-07-2001

Stiftung

Die Bundesregierung nimmt die Zwangsarbeiter-Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" vor Kritik im Zusammenhang mit Wechselkurs-Verlusten beim Umtausch in polnische Zloty in Schutz. Das Bundesfinanzministerium habe als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde entsprechende Vorwürfe intensiv geprüft, sagte Regierungssprecher Uwe-Karsten. Danach sei das Verhalten der Stiftung nicht zu beanstanden.

Nach Auffassung der Bundesregierung müsse die Angelegenheit zwischen der Bundesstiftung und ihrer polnischen Partnerorganisation gelöst werden, fügte Heye hinzu. Er bescheinigte zugleich dem Vorstand der Bundesstiftung, "erfolgreiche Arbeit" geleistet zu haben und das "volle Vertrauen" der Bundesregierung zu genießen.

Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte berichtet, die Bundesstiftung stehe im Verdacht, beim Umtausch von über 1,3 Milliarden Mark in Zloty einen Schaden von mindestens 183 Millionen Mark verursacht zu haben. Dem Blatt zufolge nahm die Berliner Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Der Stiftungsvorsitzende Michael Jansen wies die Vorwürfe bereits am vergangenen Wochenende zurück.

Am 05-10-2001