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Bundesverfassungsgericht verhandelt über Kopftuch in der Schule

Symbol der Unterdrückung oder nicht?

Das Bundesverfassungsgericht prüft seit Dienstag, ob muslimischen Lehrerinnen das Tragen des Kopftuches im Unterricht an staatlichen Schulen verboten werden darf. In der mündlichen Verhandlung verteidigten Vertreter der baden-württembergischen Landesregierung die Entscheidung, die Pädagogin Fereshta Ludin nicht in den staatlichen Schuldienst übernommen zu haben. Die gläubige Muslimin hatte sich geweigert, das Kopftuch im Unterricht abzulegen. Ihre Klage war vom Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen worden, das Tragen der Kopfbedeckung verletzte die Neutralität der staatlichen Schulen.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die in Afghanistan geborene Deutsche eine Verletzung ihres Grundrechts auf Religionsfreiheit und ihrer Menschenwürde. "Ich betrachte meine Religion als einen Teil meiner Persönlichkeit", sagte die 30-Jährige in Karlsruhe. Zugleich wandte sie sich gegen "Unterstellungen", wonach das Kopftuch ein "Symbol der Unterdrückung der Frau" sei.

Ludins Anwalt Hansjörg Melchinger betonte, seine Mandantin würde das Ablegen des Kopftuches "als Entblößung empfinden und sich schämen". Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sie missionieren wolle. Anders als beim Kruzifix, das nur für sich selbst stehen könne, wirke eine Kopftuch-tragende Lehrerin auch durch ihr Handeln und ihre Worte. Melchinger wies darauf hin, dass es derzeit in einigen Bundesländern mehrere muslimische Lehrerinnen gebe, die mit einem Kopftuch unterrichten. Hier gebe es "keine Konflikte". Die Schüler seien heutzutage an Frauen mit Kopftuch gewöhnt.

Das Verfassungsgericht ging auch der Frage nach, welche psychologischen Wirkungen das Kopftuch einer muslimischen Lehrerin auf Schüler habe. Der Hamburger Kinderpsychiater Professor Peter Riedesser sagte dazu: "Wenn eine Lehrerin ein Kopftuch trägt und nicht indoktriniert, dürften die Schüler keine signifikanten emotionalen oder kognitiven Schäden davontragen." Die Datenlage für gesicherte Erkenntnisse sei aber "zu gering". Der Kieler Psychologe Thomas Bliesener sagte, es sei möglich, dass aufgrund des Kopftuchs "Konflikte von außen in die Schule hineingetragen" würden. Kinder von Eltern, die sich an einer solchen Lehrerin "reiben" würden, könnten mit entsprechenden Auseinandersetzungen möglicherweise nicht umgehen.

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat jeder Schüler aufgrund seiner Religionsfreiheit Anspruch darauf, vom Staat nicht dem Einfluss einer fremden Religion ausgesetzt zu sein. Das Kopftuch sei ein deutlich wahrnehmbares Symbol einer bestimmten Religion, auch wenn die Trägerin es nur aus Glaubensüberzeugung trage und damit keinerlei missionarische Absicht verfolge. Nach Einschätzung des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, dreht sich das "komplexe" Karlsruher Verfahren um die Frage, "wieviel fremde Religiosität unsere Gesellschaft verträgt".

Das Oberschulamt Stuttgart hatte 1998 die Einstellung Ludins als Beamtin auf Probe in den Schuldienst des Landes abgelehnt. Dies sei nicht wegen der Motive der Lehrerin geschehen, sondern weil mit dem Kopftuch "die Ausübung der Religion nach außen kundgetan" werde, sagte der Prozessbevollmächtigte des Oberschulamts, Rechtsprofessor Ferdinand Kirchhof. Damit werde auch "eine Weltanschauung transportiert, die sicher nicht sehr die Gleichberechtigung fördert". Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird in wenigen Monaten erwartet.