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Antisemitismus in der CDU

Beschwerde über Hohmann-Äußerungen schon vor zweieinhalb Jahren

Entgegen der Versicherungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat es offenbar schon vor dem aktuellen Eklat Klagen über antisemitische Äußerungen des Abgeordneten Martin Hohmann geben. Bereits am 12. Juli 2001 beschwerte sich das Frankfurter Büro der Conference on Jewish Claims against Germany (JCC) in einem Brief an den damaligen Fraktionschef Friedrich Merz, berichtet "Die Zeit" vorab aus ihrer Ausgabe vom 13. November. Anlass des Schreibens sei eine Rede Hohmanns im Bundestag am 30. Mai 2001 zur Entschädigung von Zwangsarbeitern gewesen, für die Hohmann bis vor wenigen Tagen als Berichterstatter zuständig gewesen ist. Auch von einem weiteren eigenen Abgeordneten droht der Union Ungemach: In einem Interview mit dem "DS-Magazin" des nordrhein-westfälischen Bundes der Selbstständigen (BDS) verteidigte der sächsische CDU-Abgeordnete Henry Nitzsche nicht nur die "Junge Freiheit" und seinen Beitrag in dem rechtsextremen Blatt, sondern pöbelte auch gegen Ausländer und eingebürgerte Türken.

"Um die Wählerstimmen von eingebürgerten Türken zu buhlen, halte ich für vergebliche Liebesmüh", sagte Nitzsche in dem Interview Mitte des Jahres. "Eher wird einem Moslem die Hand abfaulen, als daß er bei der Christlich-Demokratischen Union sein Kreuz auf den Wahlzettel macht." Ferner schürte er die Angst vor einer Zuwanderungs-Schwemme, indem er er der deutschen Politik vorwarf, "für jeden die Schleusen öffnen, 'der mühselig und beladen ist'". Es sei nicht nachvollziehbar, "dass wir Kindergeld an ausländische Eltern zahlen, deren Kinder gar nicht in Deutschland leben, und dass wir eine ungezügelte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme zulassen."

Im Skandal um den Unions-Bundestagsabgeordneten Hohmann zitiert "Die Zeit" aus dem Schreiben des Repräsentanten der JCC, Karl Brozik, von vor zweieinhalb Jahren: "Mit diesen Äußerungen werden antisemitische Stereotypen bedient in einem Maße, das ich im Deutschen Bundestag für nicht mehr möglich hielt. Und diese Äußerungen stellen keinen 'Ausrutscher' bei Herrn Hohmann dar. Bereits bei früheren Gelegenheiten vertrat Herr Hohmann eine Haltung, die für mich wie eine offene Einladung an die Adresse der Rechtsradikalen wirkte."

In dem vierseitigen Brief seien zahlreiche Äußerungen Hohmanns zitiert, die die JCC zusammenfasse: "Ich sehe bei Herrn Hohmann dies: wenn er mehrere Partnerorganisationen oder die ganze Stiftungslösung kritisieren könnte, dann kritisiert er die jüdische Organisation; wenn er mehrere Schätzungen kritisieren könnte, dann kritisiert er die Schätzungen der jüdischen Seite; wenn er mehrere Gruppen ansprechen könnte, die Entschädigungsleistungen empfangen haben, dann sieht er nur die jüdischen Renten-Empfänger. Wie soll ich diesen Komplex anders bezeichnen als antisemitisch?" Mit Datum vom 24. Juli 2001 habe Merz auf den Brief geantwortet. Nach Informationen der "Zeit" stellte er darin lediglich eine Verwechslung der JCC klar - Hohmann sei von der Union nicht als Kurator der Stiftung benannt worden, sondern lediglich als Berichterstatter im Innenausschuss. Zu den Vorwürfen gegen Hohmann habe sich Merz nicht geäußert, sondern nur erklärt, die Unionsfraktion vertrete eine "eindeutige Position".

Noch am Donnerstag hatte der Vize-Chef der Unionsfraktion Wolfgang Bosbach erklärt, "zu keinem Zeitpunkt" habe es Beschwerden über Martin Hohmann gegeben.

Antisemitismus

Der umstrittene Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann ist zumindest bis auf weiteres nicht mehr Mitglied der CDU. Das Schiedsgericht der hessischen CDU schloss den wegen antisemitischer Äußerungen in die Kritik geratenen Politiker aus der Partei aus, wie der Generalsekretär der Hessen-CDU, Michael Boddenberg, am Dienstag in Wiesbaden mitteilte. Der osthessische Bundestagsabgeordnete selbst ließ über sein Abgeordneten-Büro ankündigen, sein Anwalt werde sich am Nachmittag zu dem Beschluss äußern. Er kündigte bereits an, sich gegen einen Parteiausschluss juristisch wehren zu wollen.

Hohmann hatte in einer Rede am 3. Oktober 2003 Juden in Verbindung mit dem Begriff "Tätervolk" gebracht. Die Äußerungen hatten eine Welle des öffentlichen Protestes ausgelöst. Die Unions-Bundestagsfraktion hatte Hohmann im November 2003 aus ihren Reihen ausgeschlossen. Daraufhin hatte die Hessen-CDU das Parteiausschlussverfahren eingeleitet.

Boddenberg sah die Auffassung der Partei bestätigt, wonach Hohmann "erheblich gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei verstoßen" habe. Zur Begründung zitierte er Passagen des Parteigerichtsbeschlusses, wonach Hohmann mit einer "argumentativen Verquickung von Judentum und Bolschewismus ein Klischee verwendet, das schon die Nationalsozialisten als Vorwand und Rechtfertigung für die Verfolgung und industriemäßige Tötung von Millionen europäischer Juden missbraucht" hätten.

Mittel, Zweck und Ziel dieser Ausführungen seien mit den Grundsätzen der CDU unvereinbar, argumentierte das Parteigericht laut Boddenberg. Danach liegt ein Verstoß gegen die Parteigrundsätze vor, "wenn die grundlegenden Wertvorstellungen der Partei und die Kernaussagen eines Programms nicht beachtet werden".

Bis heute habe sich der fraktionslose Abgeordnete zudem "nicht klar von seiner Rede distanziert", kritisierte Boddenberg. Das bemängelte auch das Parteigericht, das laut CDU in Hohmanns "nachträglichem Verhalten" einen "erheblichen Verstoß gegen die Ordnung der Partei" feststellte.

CDU - Anwalt Christofer Lenz zeigte sich über die Deutlichkeit, mit der das Schiedsgericht entschieden habe, überrascht. Das habe er im Vorfeld "in dieser Schärfe nicht erwartet". Lenz fügte hinzu: "Wir hatten keine Garantie, dass das Parteigericht so entscheiden würde. Umso zufriedener sind wir."

Der Grünen-Fraktionschef im Hessischen Landtag, Tarek Al-Wazir, sagte, jetzt müsse sich zeigen, ob die CDU die Trennung von Hohmann auch ernst meine. Bislang werde Hohmann in seiner Heimatregion noch immer zu Veranstaltungen der CDU eingeladen. Al-Wazir kritisierte zugleich, dass die hessische CDU erst nach massivem Druck der Öffentlichkeit und der Bundespartei bereit gewesen sei, ein Parteiausschlussverfahren einzuleiten.

Am 20. Jul. 2004