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"Rot-grün schafft nicht die Armut, sondern die Entwicklungshilfe ab"

Entwicklungshilfe-Etat

Der vom Bundeskabinett beschlossene Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für das Haushaltsjahr 2002 ist unter Experten, Entwicklungshelfern und den vielen entwicklungspolitisch Engagierten, die sich ehrenamtlich für eine gerechtere Welt einsetzen. Entwicklungsministerin Heidi Wieczorek-Zeul zeigte sich im Vorfeld der Entscheidung enttäuscht über die Mittelkürzungen. Nach dem Etatbeschluß liess sie ihr Ministerium lediglich erklären: "Die Koalitionsfraktionen haben zugesagt, den Etat 2002 des Bundesentwicklungsministeriums in den parlamentarischen Beratungen um 200 Millionen DM aufzustocken. Das ermöglicht die Finanzierung des Programms der Bundesregierung zur Bekämpfung der weltweiten Armut. Unabhängig von den aktuellen Haushaltsentscheidungen brauchen wir in Deutschland eine umfassende Diskussion über die globale Verantwortung der Industrieländer gegenüber den Entwicklungsländern."

Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) "verurteilte" die vom Bundeskabinett beschlossene Kürzung des Entwicklungsetats um 400 Millionen Mark, die im Herbst durch den Deutschen Bundestag auf eine Streichung von 200 Millionen Mark reduziert werden soll. "Nur aufgrund des energischen Protests von Bundesministerin Wieczorek-Zeul, der Nichtregierungsorganisationen und Kirchen ist es gelungen, diesen Kompromiss zu erzielen. Wenn das so weiter geht, schafft die rot-grüne Regierung nicht die Armut, sondern die Entwicklungspolitik ab", sagte der VENRO-Vorstandsvorsitzende Reinhard Hermle.

Der entwicklungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Klaus-Jürgen Hedrich, und der CDU/CSU-Obmann im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Christian Ruck, erklärten zu den Beschlüssen vom Donnerstag: "Gerade hat die Bundesregierung mit großem Getöse ihr Aktionsprogramm 2015 zur weltweiten Armutsbekämpfung verkündet. Wenige Tage später kürzt sie den deutschen Entwicklungshaushalt um rund 5 Prozent und drückt ihn auf ein Jahrzehnte-Tief! Bundeskanzler Schröder und die Bundesregierung haben trotz ihrer wohlklingenden öffentlichen Bekundungen und geschickt inszenierten Medienshows Deutschlands Ausstieg aus der Entwicklungszusammenarbeit und der Solidarität mit den Armen dieser Welt eingeleitet."

Am 14-06-2001

Das globale Dorf wird eine Stadt

Die deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) konstatiert auf einer internationalen Konferenz, dass das weltweite Bevölkerungswachstum in Zukunft fast vollständig in den Städten der Entwicklungsländer stattfindet. Bereits heute lebt nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten - fast drei Milliarden Menschen. Bis zum Jahr 2030 werde dieser Anteil weiterhin drastisch steigen. Von den 2,2 Milliarden Menschen, um die die Weltbevölkerung innerhalb der nächsten 30 Jahre weiter wachsen wird, werden voraussichtlich zwei Milliarden in Städten leben. Die Zahl der Stadtbewohner werde dem entsprechend auf rund fünf (von insgesamt 8,3) Milliarden Menschen steigen.

Welchen Herausforderungen die Städte in Entwicklungsländern gegenüberstehen, darüber diskutieren am Montag internationale Experten auf der Konferenz „Megacities - Schreckbild oder Chance?“, zu der die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) und die Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam eingeladen haben. „Viele der weltweit größten Megastädte sind bereits heute damit überfordert, ihrer schnell wachsenden Bevölkerung menschenwürdige Lebensbedingungen zu ermöglichen“, erklärt DSW-Geschäftsführer Dr. Hans Fleisch. „Wenn es uns nicht gelingt, das Bevölkerungswachstum in den Städten zu verlangsamen, wird sich das Städtewachstum der Megacities nicht sinnvoll steuern lassen.“

Zwar sei das natürliche Bevölkerungswachstum in den Städten meist geringer als auf dem Land, da der Zugang zu Familienplanungs- und Gesundheitsdiensten in den Städten leichter und der Unterhalt von Kindern aufwendiger und kostspieliger ist. In Äthiopien beispielsweise bekommen Frauen in ländlichen Gebieten im Durchschnitt 6,4 Kinder, in städtischen Regionen dagegen 3,3 Kinder. Der Rückgang der Kinderzahlen wird in den Städten jedoch durch die hohe Landflucht mehr als ausgeglichen.

Die Mehrheit der Menschen, die vom Land in die Städte ziehen, kommen in den Armutsgebieten der Städte unter. In Afrika leben 37 Prozent aller Stadtbewohner in solchen „wilden“ Siedlungen, von denen viele nur unzureichend mit Trinkwasser und sanitären Einrichtungen sowie Abwasser- und Abfallentsorgung ausgestattet sind. Auch von Bildungs- und Gesundheitsdiensten sind die Armutsviertel häufig ausgeschlossen.

Der Aufbau von Versorgungsstrukturen halte mit dem urbanen Wachstum häufig nicht Schritt. Da insbesondere auch junge Frauen zunehmend in die Städte ziehen, nimmt dort auch die Nachfrage nach Dienstleistungen der Familienplanung erheblich zu - eine Nachfrage, die vor allem in den Armutsgegenden häufig nicht befriedigt wird. „Das schnelle Städtewachstum stellt uns heute vor eine doppelte Aufgabe“, so Fleisch.

„Wir müssen die Versorgungslage in den Städten verbessern und gleichzeitig dafür sorgen, dass sich die Lebenssituation der Menschen auf dem Land verbessert. Für beides ist der Zugang zu Bildungs- und Gesundheitsangeboten - vor allem auch zu Familienplanung - entscheidend.“

Am 17-06-2002

Wirtschaftsforschung

Die Armut in der Bundesrepublik hat im vergangenen Jahrzehnt zugenommen. Westdeutsche und Ostdeutsche seien dabei gleichermaßen betroffen, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Mittwoch in Berlin berichtete. So betrug der Anteil der armen Personen im Jahr 2000 in den alten Ländern 13,0 Prozent. Er war damit ebenso hoch wie der bundesweite Durchschnitt. In den neuen Ländern waren es 13,2 Prozent. Als arm stuft das DIW Personen ein, deren Einkommen weniger als die Hälfte des durchschnittlichen bundesweiten Haushaltsnettoeinkommens je Einwohner ausmacht.

Diese Tendenz sei in etwa bereits seit dem Beginn der Untersuchungen im Jahr 1992 zu beobachten, atellt das DIW fest. So habe die Armutsquote damals in Ostdeutschland 11,0 Prozent, in Westdeutschland 10,3 Prozent und bundesweit 10,5 Prozent betragen. In beiden Teilen Deutschlands sei etwa jedem Zweiten, der im Untersuchungszeitraum unter die Armutsgrenze rutschte, die Rückkehr in bessere Einkommensverhältnisse gelungen. Allerdings waren im Osten 8,8 Prozent und im Westen 12,8 Prozent mehrere Jahre arm. 1,1 Prozent in den neuen Ländern und 1,8 Prozent in den alten Ländern blieben es auf Dauer.

Berücksichtige man das unterschiedliche Einkommensniveau in Ost und West und legt die durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen je Einwohner getrennt in den alten und in den neuen Ländern zu Grunde, sind der Studie zufolge die Westdeutschen sogar stärker als die Ostdeutschen von Armut betroffen. Die Armutsquote belief sich dann im Jahr 2000 in den neuen Ländern auf 7,3 Prozent, während sie in den alten Ländern mit 14,4 Prozent etwa doppelt so hoch war.

Am 22-01-2003

Grundsicherung

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) dringt auf weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland. Notwendig seien unter anderem flexiblere Beschäftigungsangebote vor allem für Alleinerziehende, ausreichende Angebote für die Kinderbetreuung sowie eine Grundsicherung durch ein einkommensabhängiges Kindergeld, sagte der AWO-Vorsitzende Manfred Ragati bei der Vorstellung einer neuen Studie über "Armut im frühen Grundschulalter". Aus dem "Kreislauf von Armut durch Einkommensbenachteiligung sowie verminderte Bildungschancen" sei nur schwer zu entkommen, betonte der AWO-Vorsitzende. "Armut wächst mit", fügte Ragati hinzu.

Nach wie vor könnten Kinder "zu einem Armutsrisiko werden". Ragati zufolge zeigt die Studie, dass "Kinder, die heute in Armut leben, arm bleiben und auch ihre Kinder wieder arm sein können".

Die im Auftrag der AWO erstellte Studie des Frankfurter Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) führt eine im Jahr 2000 abgeschlossene Untersuchung der Lebenssituation von knapp 900 sechsjährigen Kindern fort. Im Mittelpunkt der jetzt vorgelegten Studie standen 185 Kinder, bei denen in der Vorgänger-Untersuchung "multidimensionale Benachteiligungen und Entwicklungsdefizite" festgestellt wurden. In 27 Fallbeispielen wurde dabei die Situation der jetzt acht Jahre alten Kinder detailliert untersucht.

Nach den Worten von Ragati hat sich die Situation der beobachteten Kinder und Familien bis auf wenige Ausnahmen verschärft. Die Armut habe sich verfestigt und der Gesundheitszustand der Kinder oftmals verschärft. Aus der Armutsfalle auszubrechen" gelinge auch deshalb nur selten, weil die Bildungschancen armer Kinder deutlich geringer seien, fügte Ragati hinzu.

Die stellvertretende Direktorin des ISS und Ko-Autorin der Studie, Gerda Holz, verwies darauf, dass noch immer jedes siebte Kind in Deutschland in Armut lebe. Die Sozialhilfedaten zeigten seit Mitte der 80er Jahre einen "ungebrochen Anstieg" der Armut bei Kindern und Jugendlichen, der erst Ende der 90er Jahre aufgefangen worden sei.

1998 habe die Zahl der betroffenen Kinder die Millionengrenze überschritten. Dank eines "ganz leichten Abwärtstrend" sei sie 1999 wieder etwas unter diese Marke gesunken. Allerdings könne mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit auch die Zahl der von Armut betroffenen Kinder wieder zunehmen.

Holz nannte es eine Folge der Armut, dass die betroffenen Kinder in einem "belasteten Familienklima" aufwüchsen. Die Eltern seien zunehmend überfordert, weil sie durch die Anstrengungen zur Existenzsicherung kaum Ressourcen für die Erziehung und Förderung ihrer Kinder haben. Dies betreffe vor allem Mütter, die nach wie vor fast allein für die Kinder verantwortlich seien.

Mit der Einschulung würden die Kinder beginnen, die "Möglichkeiten zwischen Arm und nicht Arm" zu vergleichen, fügte Holz hinzu. Dabei bedeute Armut bei Kindern im frühen Grundschulalter beispielsweise, nicht mit Freunden ins Kino oder Schwimmbad gehen zu können. Im Gegensatz zu Sechsjährigen würden Kinder mit acht Jahren auch ihre "defizitäre" Lage wahrnehmen, etwa hinsichtlich der schlechteren Wohnungssituation oder der fehlenden Konsum-Möglichkeiten. Eine Folge davon könne aggressives Verhalten sein. Auch hätten fast alle der befragten armen Kinder "gesundheitliche Beeinträchtigungen" wie chronische Erkrankungen.

Am 27-02-2003

Unsoziales Sozialsystem

Nach Aussagen des Statischen Landesamtes in Berlin liegen die Armutszahlen in Berlin inzwischen (nach OECD Standard) bei 14,1 Prozent. Die Ursache der wachsenden Armut, die von Fachleuten bereits prognostiziert worden sei, ist nach Ansicht des Vereins Solidarität statt Mitleid ein marodes Sozialsystem. Dies zeige sich gerade in Ballungszentren sehr deutlich. Statt einseitige Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Sozialhilfe vorzunehmen, müsse die Bundesregierung nun alle Bevölkerunggruppen auf augegelichene Weise an der Finanzierung des Sozialsystems beteiligen.

Diese Statistik (Eckpunkt Ende 2002) fußt auf der Grundlage, dass jeder siebte Einwohner in der Stadt mit weniger als 606 Euro pro Monat auskommen muss. Dabei seien Familienhaushalte überdurchschnittlich von dieser Entwicklung betroffen. Nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins Solidarität statt Mitleid Jochen Meurers, bestätigt diese Untersuchung einen Trend der in der gesamten Bundesrepublik Deutschland, seit Jahren zu beobachten und von Fachleuten vorausgesagt worden sei.

Ursache für die Tatsache, dass die Armutsentwicklung im Westen stärker ansteige als im Osten, seien vor allem die gesunkenen Nettoeinkommen und die parallel dazu gestiegenen Lebenshaltungskosten, die immer mehr Haushalte in die Verarmung treibe. Dies treffe insbesondere auf die Ballungszentren wie zum Beispiel auch auf das Rhein-Main-Gebiet zu. Die hohe Dauerarbeitslosigkeit in Deutschland, die trotz aller angekündigten Maßnahmen nicht beseitigt worden sei, habe den Durchmarsch in die Armut zusätzlich beschleunigt. Der Verein kritisiert die aktuelle Agenda 2010 als ?Unfähigkeit der Politik, die Sozialsysteme in Deutschland an diese Entwicklung anzupassen. Das führe zu einer weiteren Verschärfung der Situation der untereren bis mittlereren Einkommensgruppen.

Vor diesem Hintergrund begrüßt der Verein den massiven Widerstand der Gewerkschaften gegen die Vorhaben der Bundesregierung. Wer - wie die Bundesregierung - hingehe, und durch Kürzungen zusätzlich Bürgerinnen und Bürger in die Sozialhilfe treibe, anstatt alle Einkommensbezieher an der Finanzierung der Sozialsysteme zu beteiligen, verschärfe nicht nur die Armutsentwicklung, sondern erhöhe auch das Risiko dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger sich vom Staat abwendeten und damit das demokratische Gemeinwesen zu einer Farce verkomme.

Die neuen Steuerschätzungen, machten deutlich, dass die in der Agenda 2010 vorgeschlagenen einseitigen Kürzungsmaßnahmen zu Lasten von Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Familien, nur der Beginn von Kürzungsmaßnahmen seien, die Hunderttausende Familien und Einzelpersonen in weitere Armut treiben würden. Insbesondere die Kürzungen auf der kommunalen Ebene verschärften die Situation der Ärmeren. Wer zum Beispiel den Bestand von preiswertem Wohnraum privatisiere, erhöhe damit die Lebenshaltenskosten und so zwangsläufig die Kosten der Sozialhaushalte.

Das Grundrecht auf bezahlbaren Wohnraum ist daher nach Ansicht des Vereins Solidarität statt Mitleid eine Voraussetzung um einen weiteren Anstieg der Verarmung zu verhindern.

Dabei gebe es in anderen europäischen Ländern genügend Beispiele dafür, wie man einerseits die Leistungsfähigkeit und Effizienz der Sozialsysteme erhöhe, und andererseits dadurch die Lohnnebenkosten erheblich senke. Nur müssten dann alle an der Finanzierung beteiligt werden.

Am 20-05-2003

Welthandel und Entwicklung

Am Mittwoch stellte das entwicklungspolitische Netzwerk EUROSTEP zusammen mit terre des hommes und Weed in Brüssel eine Studie über die möglichen Auswirkungen neuer Freihandelsabkommen, sogenannter Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten) vor. Die Studie beinhaltet fünf Länderstudien aus Benin, Kamerun, Ghana, der Dominikanischen Republik und Jamaika, die von EUROSTEP Partnerorganisationen erstellt wurden. Die Autoren der Studie folgern, dass die geplante Handelsliberalisierung mit den AKP-Staaten massiv den Erfolg der Armutsbekämpfung-Programme in den untersuchten Ländern und gefährdet die Ziele des Cotonou-Abkommens selbst untergräbt. Die Länderstudien beschäftigen sich mit den Auswirkungen der geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen auf die Menschen in den AKP-Staaten. Sie kritisieren, dass sich die derzeitigen Verhandlungen im Eigeninteresse der EU auf den Zollabbau konzentrieren, während nicht-tariffäre Handelshemmnisse und andere Probleme, die steigenden Exporten aus den AKP-Staaten in die EU entgegenstehen, ausgeklammert bleiben.

"Die weitere Öffnung unserer Märkte gegenüber der EU ist unser Ende. Es würde die Existenz unserer lokalen Milchwirtschaft zerstören", so Aubrey Taylor, Vorsitzender der Vereinigung jamaikanischer Milchproduzenten. "Die Abschaffung der bestehenden Handelspräferenzen wird die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele in unseren Ländern in Frage stellen und so die nationale Armutsbekämpfungsstrategien untergraben", kritisiert Professor Fouda aus Kamerun.

"Aus der Studie geht klar hervor, dass die Menschen in den AKP-Staaten unter wirtschaftlichen und ökologischen Fehlentscheidungen leiden werden. Statt aus ökonomischem Eigennutz auf der Marktöffnung zu bestehen, sollte die EU zunächst eine autonome regionale Entwicklung unterstützen und auf Freihandel verzichten", so Klaus Schilder, Projektreferent für EU Nord-Süd-Politik bei WEED (World Economy, Ecology & Development). Die Autoren schließen mit zehn Empfehlungen an die EU, deren Umsetzung sicherstellen würde, dass zukünftige Handelsabkommen mit den AKP-Staaten der Bekämpfung der Armut dienen.

Am 31-03-2004

Aktionsprogramm 2015

Vor drei Jahren - am 4. April 2001 - wurde das "Aktionsprogramm 2015" vom Bundeskabinett verabschiedet. Es skizziert den Beitrag Deutschlands zu den Millenniumszielen der Vereinten Nationen, die vor allem auf die Halbierung der Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen bis zum Jahr 2015 abzielen. "Noch immer stellt das Aktionsprogramm 2015 eine bemerkenswerte Selbstverpflichtung der Bundesregierung dar, die Bekämpfung der weltweiten Armut zu einer gesamtpolitischen Aufgabe zu machen. Leider ist es bei dem programmatischen Anspruch geblieben, dem die Umsetzungsschritte aber nicht gerecht werden", erklärte Reinhard Hermle, Vorsitzender des Verbandes Entwicklungspolitik (VENRO), anlässlich der Vorlage des 2. Zwischenberichts zur Umsetzung des Aktionsprogramms durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Vor allem sei nach wie vor kein politischer Wille erkennbar, die gesetzten Ziele durch eine entwicklungspolitisch kohärente Politik entschlossen zu verfolgen. "Bei der UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Cancun marschierten verschiedene Ressorts in unterschiedliche Richtungen. Der Entwicklungsetat stagniert weiter, obwohl international anerkannt ist, dass die 2015-Ziele ohne mindestens eine Verdoppelung der Entwicklungsfinanzierung nicht zu erreichen sind," so Reinhard Hermle weiter.

Für den Zuständigkeitsbereich des BMZ zählt der Bericht viele wichtige Einzelmaßnahmen auf. Besonders positiv ist das Engagement von BMZ und BMVEL zur Förderung des Fairen Handels hervorzuheben. Der Bericht macht allerdings nicht deutlich, worin die Bedeutung dieser Einzelaktionen für die Zielgruppe der extrem Armen besteht. Laut BMZ-Angaben sollen mehr als 88 Prozent der BMZ-Vorhaben in diesem Jahr der Armutsbekämpfung dienen. "Solche Zahlenspielereien sind nicht sinnvoll. Es geht nicht darum, nachzuweisen, dass Entwicklungszusammenarbeit allgemein gegen Armut wirkt, sondern um Schritte und Maßnahmen, die den ärmsten Ländern und den von extremer Armut betroffenen Menschen helfen. Hier lässt sich in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit seit 2001 aber kein deutlicher Wandel feststellen", bedauerte Reinhard Hermle.

So soll die Summe der für direkte Armutsbekämpfung aufgewandten Maßnahmen nach BMZ-Planungen im Jahr 2004 mit 386 Mio. Euro nur marginal über dem Wert von 2001 liegen (373 Mio. Euro). Prozentual läge der Anteil der Maßnahmen zur selbsthilfeorientierten und unmittelbaren Armutsbekämpfung an allen BMZ-Projekten dann sogar bei nur 28 Prozent (gegenüber 30 Prozent in 2001). Insgesamt tritt VENRO für eine genauere Fortschrittsüberprüfung ein, die eine bessere Analyse der Wirkungen der im Rahmen des Aktionsprogramms ergriffenen Maßnahmen und eingesetzten Mittel voraussetzt.

VENRO unterstützt die Bemühungen des Entwicklungsministeriums, die globalen Rahmenbedingungen im Interesse besserer Entwicklungschancen für die Länder des Südens mitzugestalten. "Ohne bessere Konditionen im Handelsbereich wird die bi- und multilaterale Hilfe auf Dauer nur wenig bewirken. Diese Erkenntnis ist offenbar noch nicht Allgemeingut in der Bundesregierung", sagte der VENRO-Vorsitzende.

Reinhard Hermle kritisierte, dass Bundeskanzler Schröder seit der Verabschiedung des Aktionsprogramms kaum durch nennenswerte entwicklungspolitische Initiativen auf sich aufmerksam gemacht habe. "Die Bundesregierung würde die Ernsthaftigkeit ihres Anspruchs auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat glaubhaft untermauern, wenn sie auch bereit wäre, mehr Verantwortung für die Umsetzung der UN-Ziele zur Armutsbekämpfung zu übernehmen."

VENRO ist ein freiwilliger Zusammenschluss von rund 100 deutschen Nichtregierungsorganisationen, die als Träger der privaten oder kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit, der Nothilfe sowie der entwicklungspolitischen Bildungs-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit tätig sind.

Am 05-04-2004

Internationaler Tag gegen Kinderarbeit

Anlässlich des diesjährigen Internationalen Tages gegen Kinderarbeit am 12. Juni fordert das Deutsche NRO-Forum Kinderarbeit Politik und Medien zu einem neuen Umgang mit der Situation arbeitender Kinder und Jugendlicher auf: "Es ist sehr verständlich, wenn sich Medien und Politik auf die allerschlimmsten Formen von Kinderarbeit konzentrieren. Und in der Tat ist es auch vordringlich, Verbrechen wie die Versklavung von Kindern mit Entschiedenheit zu bekämpfen. Dennoch muss stärker als bisher berücksichtigt werden, dass die allermeisten arbeitenden Kinder und Jugendlichen nicht versklavt sind", so Klaus Heidel, Sprecher des Forums.

Daher fordere das Forum einen neuen Umgang mit Kinderarbeit, der sich durch vier Elemente auszeichnen müsse: "Erstens müssen Politik und Medien ausreichend differenzieren, wenn es um Kinderarbeit geht. So reicht es zum Beispiel nicht aus, sich auf Kinderarbeit in Exportindustrien zu konzentrieren. Denn rund 95 Prozent aller arbeitenden Kinder schuften für heimische Märkte. Zweitens ist zu berücksichtigen, dass Kinderarbeit nicht einfach ‚abgeschafft’ werden kann. Vielmehr muss es das Ziel sein, die Rechte des Kindes zu verwirklichen. Dies geht nur, wenn Armut nachhaltig und umfassend bekämpft wird.

Armutsbekämpfung zur Durchsetzung von Kinderrechten erfordert drittens, dass die Globalisierung so gestaltet wird, dass sie nicht länger zu Lasten von Kindern und Jugendlichen geht. Viertens ist es höchste Zeit, arbeitende Kinder und Jugendliche und ihre Organisationen an allen Maßnahmen zu beteiligen, die sich auf sie beziehen", so Heidel weiter.

Fünf Jahre nach Verabschiedung des ILO-Übereinkommens 182 über schlimmste Formen von Kinderarbeit beklagt das Deutsche NRO-Forum Kinderarbeit, dass dieses Übereinkommen zwar auf den Zusammenhang von Kinderarbeit und Armut hinweist, bisher aber kaum konkrete Konsequenzen aus dieser Einsicht gezogen worden seien: "Armut ist eine Ursache von Kinderarbeit, und Kinderarbeit kann Armut verfestigen", so Barbara Dünnweller von der Kindernothilfe. "Deshalb ist es ein Skandal, dass ganz viele Strategien zur Armutsbekämpfung nicht auf die Situation arbeitender Kinder und Jugendlicher eingehen. Dies gilt nicht zuletzt für die Politik von IWF und Weltbank."

Scharf kritisiert das NRO-Forum, dass der Etat des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung immer weniger Geld für die eigentliche Armutsbekämpfung in den ärmsten Ländern vorsehe: "Armutsbekämpfung im Interesse von Kindern und Jugendlichen ist nicht zum Nulltarif zu haben", meint Dr. Andreas Selmeci von Brot für die Welt: "Wer die Situation arbeitender Kinder verbessern will, muss in schulische Bildung investieren, die berufliche Ausbildung fördern und sichere Arbeitsplätze für junge Menschen schaffen. Das kostet Geld, das die betroffenen Länder nicht haben. Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft sind kein ausreichendes Instrument, um Armut in den ärmsten Ländern nachhaltig zu bekämpfen."

Armutsbekämpfung heißt aber auch, die Weltwirtschaft so zu gestalten, dass sie nicht zu Lasten der Kinder und Jugendlichen geht: "Viele der ärmsten Länder haben auf Druck von IWF und Weltbank radikale Liberalisierungen durchgeführt, mit oft katastrophalen Folgen für Kinder und Jugendliche. Das Ausmaß von Kinderarbeit wuchs, und die Arbeitsbedingungen von Kindern verschlechterten sich", so Barbara Küppers von terre des hommes. "Es ist höchste Zeit, dass alle Maßnahmen von IWF, Weltbank und WTO auf ihre Folgen für Kinder und Jugendliche überprüft werden."

Weltweit verrichten rund 171 Millionen Kinder und Jugendliche gefährliche Arbeiten, die die Gesundheit und Entwicklung schädigen. Fast 8,5 Millionen Kinder werden als Sklaven missbraucht, in die Prostitution gezwungen oder als Soldaten zwangsrekrutiert. Weitere 67 Millionen Kinder arbeiten länger, als nach internationalen Bestimmungen erlaubt. Das Deutsche NRO-Forum Kinderarbeit wird unter anderem getragen von Brot für die Welt, DGB-Bildungswerk, Kindernothilfe, terre des hommes Deutschland und Werkstatt Ökonomie.

Am 09-06-2004

Globalisierung

Eine wirksame Umweltpolitik ist eine grundlegende Voraussetzung für die Armutsbekämpfung. Zu dieser Feststellung kommt der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU), den die Bundesregierung 1992 eingesetzt hat. Verantwortlich für globale Armut sei die unzureichende Koordination von Armutsbekämpfungs- und Umweltpolitik. Auch seien das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP als Koordinator und das "bestehende Institutionengefüge" zu schwach.

"Es mangelt vor allem an Einsicht in die Notwendigkeit eines anderen Entwicklungsparadigmas," so eine Textpassage des Gutachtens "Armutsbekämpfung durch Umweltpolitik". Insbesondere fehle die Einsicht, dass Wirtschaftswachstum ohne Ressourcenverbrauch möglich sei. Es könne durch die Investition in erneuerbare Energien - Solar, Windkraft, Biomasse - Milliarden mobilisiert werden, stellte Bundesumweltminister Jürgen Trittin nochmals fest. Das helfe nicht nur dem Klima und der Umwelt, sondern auch der Wirtschaft in den ärmeren Ländern.

Für viele Entwicklungsländer lohne es sich nicht, die veralteten Technologien der Industrieländer wie Kohlekraftwerke zu übernehmen. So könne man in den ländlichen Regionen, in denen es ohnehin kein Stromnetz gebe, gleich mit Solar anfangen. Diese "Insellösungen" würden die Fehler der Industrieländer vermeiden. Beispiel Pakistan: Dort gebe es kein Telefonnetz. Mit Handys aber könnte man auf eine Vernetzung verzichten. "Überspringen technologischer Entwicklungsstufen" nennt der Beirat diese Entwicklung.

Obwohl sich diese Einsicht in der so genannten internationalen Staatengemeinschaft bereits als allgemein zustimmungsfähig erwiesen hat, bestehe immer noch eine große Lücke zwischen Versprechen und Umsetzung. Um das zu ändern, müssten Staaten für Umweltschäden aufkommen. Insbesondere hätten Industrieländer einen erheblichen Anteil am Klimawandel. Deshalb müsse der Emissionshandel als "angemessener" Beitrag zum Ausgleich von Klimaschäden umgesetzt werden. Von den negativen Auswirkungen seien Entwicklungsländer in vielen Fällen am stärksten betroffen.

Neben Staaten müssten auch private Unternehmen für verursachte Umweltschäden haften. Entsprechende Bestimmungen sollten sowohl im nationalen als auch im internationalen Recht niedergelegt werden.

Politiker glauben sich vereint: Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) nennt Armutsbekämpfung "weltweit oberste Priorität". Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sprach ebenso von einer Schwäche der UNEP: Man brauche eine "durchsetzungsfähige und wirksame UN-Umweltorganisation, die sich auf gleicher Augenhöhe wie die Welthandelsorganisation oder die Welternährungsorganisation bewegen kann."

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul versprach, "bis zum Jahr 2006" werde man "den Anteil der öffentlichen Entwicklungsleistungen auf 0,33 Prozent des Bruttonationaleinkommens aufstocken."

Noch im Oktober hatten Entwicklunghilfsorganisationen terres des hommes und Welthungerhilfe auf die niedrige Entwicklungshilfe der BRD aufmerksam gemacht. Deutschland habe sich als ein Mitglied des Europarats verpflichtet, bis 2006 die Entwicklungshilfe von derzeit 0,28 Prozent des Bruttonationaleinkommens auf 0,33 Prozent zu erhöhen.

Am 01-12-2004

"Wie Weltbankmacht die Welt krank macht"

Die Weltbank ist nach einer aktuellen Studie für die Zerstörung der noch verbliebenen Wälder mitverantwortlich und verschlechtert die Situation von Millionen Menschen, die zum Überleben auf Wälder angewiesen sind. Der heute von sieben internationalen Umweltorganisationen, vorgelegte Report trägt den Titel "Gebrochene Versprechen" und erklärt, dass die Weltbank ihre eigene, 2002 aufgestellte Waldrichtlinie nicht einhalte. Insbesondere die Weltbanktochter "International Finance Cooperation" (IFC) habe dubiose Projekte unterstützt, die unter anderem im brasilianischen Amazonas und in Indonesien die Regenwälder bedrohten, so die Naturschutzorganisationen. Statt nachhaltige Entwicklung zu fördern und die Armut zu bekämpfen, was die eigentliche Aufgabe der Weltbank sei, würden etwa in Indien die Armen bekämpft, so die Studie. Im Kongobecken unterstütze die Weltbank den industriellen Holzeinschlag ohne die lokale Bevölkerung zu konsultieren und ihre traditionellen Rechte zu sichern.

"Die Studie wird bei der anstehenden Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds für einige Unruhe sorgen", meint Reinhard Behrend, Vorsitzender von "Rettet den Regenwald". Die Hamburger Umweltorganisation habe eine Internet-Kampagne gestartet, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, "endlich dafür zu sorgen, dass die Weltbank nicht länger Landräuber und Waldzerstörer finanziert."

Erst vor wenigen Tagen genehmigte die Weltbank mit deutscher Zustimmung einen Milliarden schweren Kredit für einen Mega-Staudamm in Laos. Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen hatten erklärt, der Bau gefährde die Lebensgrundlage von 120.000 Menschen.

Ende letzten Jahres habe der "Sojakönig" Blairo Maggi aus dem brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso von der IFC einen Kredit in Höhe von 30 Millionen US Dollar erhalten, schreibt Rettet den Regenwald. Dies sei geschehen obwohl sein Unternehmen in der Vergangenheit an einer großflächigen Waldzerstörung maßgeblich beteiligt gewesen sei.

Am 14-04-2005

Oxfam-Warnung

Afrika könnte als Folge des Abkommens, das zurzeit bei der Welthandelsorganisation (WTO) verhandelt wird, noch ärmer werden. Dies ist die Botschaft eines neuen Berichts der internationalen Hilfsorganisation Oxfam, den die Organisation am Montag - vier Jahre nach Beginn der sogenannten Doha-Entwicklungsrunde und einen Monat vor dem WTO-Ministertreffen in Hongkong - veröffentlicht hat.

Afrika sei der einzige Kontinent, der in den letzten 25 Jahren ärmer geworden sei, und Afrika südlich der Sahara die einzige Region weltweit, deren Marktanteile am Weltagrarhandel gesunken seien. Doch anstatt dass die laufende Gesprächsrunde diese Situation verbessern würde, drohe sie eher zu einer weiteren Verschlechterung zu führen, so Oxfam.

Zwischen 1990 und 1999 sei die Armut in Afrika um drei Prozent gestiegen, während im gleichen Zeitraum die Armut weltweit im Durchschnitt um sieben Prozent gesunken sei, so Oxfam. Der Anteil Sub-Sahara-Afrikas am Welthandel sank nach den Zahlen der Hilfsorganisation von sechs Prozent im Jahr 1990 auf rund fünf Prozent im Jahr 2003.

"Die Doha-Runde als 'Entwicklungsrunde' zu bezeichnen, klingt für viele afrikanische Länder nach einem zynischen Scherz", sagte Muthoni Muriu, panafrikanische Handelsberaterin von Oxfam International. "Die reichen Länder haben die Agenda an sich gerissen und versuchen, so viel wie möglich für sich selbst herauszuholen", kritisierte Muriu. "Was bisher angeboten wurde, wird Afrika schaden, nicht helfen."

Viele afrikanische Länder standen im Jahr 2001 einer neuen WTO-Verhandlungsrunde skeptisch gegenüber, aber ihnen wurde versichert, dass die Verhandlungsergebnisse ihre Entwicklung fördern würden. Insbesondere wurden ihnen Fortschritte im Bereich Landwirtschaft und bei der Reform der geistigen Eigentumsrechte versprochen.

Doch die versprochenen Veränderungen sind nach Oxfam-Ansicht ausgeblieben. Zudem sei Afrika weitgehend vom Verhandlungsprozess ausgeschlossen gewesen und die vorliegenden Angebote drohten die Situation weiter zu verschlechtern. "Afrikas Vorschläge hingegen wurden vom Tisch gefegt", so Muriu.

Um bestehende Arbeitsplätze und Produktionskapazitäten aufrechtzuerhalten, fordern afrikanische Staaten die Möglichkeit, wichtige Agrarprodukte und aufkeimende Industrien weiter mit Zöllen schützen zu können. Wichtig sei zudem ein Ende des Dumpings im Agrarsektor, besonders im Fall von Baumwolle. Zudem müsse das sogenannte TRIPS-Abkommen geändert werden, damit auch arme Länder einen gesicherten Zugang zu bezahlbaren Medikamenten erhalten könnten.

"Die reichen Länder sollten sich daran erinnern, dass Afrika und andere Entwicklungsländer die Macht haben, das WTO-Abkommen zu blockieren, wenn es ihnen keinen Nutzen bringt", warnte Oxfam-Handelsberaterin Muriu. "Und sie wären absolut im Recht, wenn sie dies täten. Die dadurch entstehenden Verluste würden dann alle treffen."

Am 14-11-2005

Urlaub zu Hause

In Deutschland sind einer Studie zufolge 10,6 Millionen Menschen und damit 13 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht. Darunter befänden sich allein 1,7 Millionen Kinder, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mit. Gefährdet ist laut Statistik, wer mit 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens auskommen muss. Menschen mit Armutsgefährdung müssen laut Statistischem Bundesamt im Alltag auf viele grundlegende Dinge verzichten: Mehr als die Hälfte der Armutsgefährdeten in Deutschland könnten es sich nach eigenen Angaben nicht leisten, eine Woche Urlaub woanders als zu Hause zu verbringen oder unerwartete Ausgaben zu bewältigen - zum Beispiel eine defekte Waschmaschine zu ersetzen. 14 Prozent der armutsgefährdeten Menschen lebten in Haushalten, in denen aus Kosten­gründen im Winter an der Heizung gespart werden müsse.

Das mittlere Nettoeinkommen pro Monat bezifferte die Behörde auf 1427 Euro, 60 Prozent entsprechen 856 Euro. Für eine Familie mit zwei Kindern, die unter 14 Jahre alt sind, liege die Armutsgefährdungsgrenze bei 1798 Euro. Bei einer alleinerziehenden Mutter mit einem Kind unter 14 Jahren seien es 1113 Euro.

Armutsgefährdung behindere auch den Zugang zur Gesundheitsversorgung: Zuzah­lungen und Selbstbeteiligungen hielten nach Selbsteinschätzung mehr als ein Fünftel der Armutsgefährdeten - und immerhin auch 7 Prozent der nicht Armutsgefährdeten - davon ab, einen Arzt oder Zahnarzt aufzusuchen, wenn sie krank seien.

Zugleich schätzten Armutsge­fährdete ihren eigenen Gesundheitszustand wesentlich schlechter ein: 63 Prozent der nicht Armutsgefährdeten, aber nur 48 Prozent der Armuts­gefährdeten hätten angegeben, eine gute oder sehr gute Gesundheit zu haben.

Statistiker: Ohne Berücksichtigung von Sozialleistungen sind 24 Prozent armutsgefährdet

Ohne soziale Transferleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Wohngeld oder Kindergeld wäre den Angaben zufolge sogar fast ein Viertel (24 Prozent) der Bevölkerung armutsgefährdet.

Dabei profitierten verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedlich von sozialen Transferleistungen: Bei Alleinerziehenden und Familien mit Kindern werde durch Sozialtransfers die Armutsgefährdungsquote jeweils fast halbiert. So seien Alleinerziehende vor Sozialtransfers zu 56 Prozent armutsgefährdet, nach Sozialtransfers "nur" noch zu 30 Prozent.

Die Studie basiert auf Daten aus dem vergangenen Jahr und wurde erstmals zusammen in allen Ländern der Europäischen Union sowie in Norwegen und Island erhoben. Vergleichsdaten zu anderen Ländern liegen allerdings noch nicht vor.

Bundesregierung lehnt offenbar bessere Prüfung von Einkommensmillionären ab

Der Bundesrechnungshof hat unlängst kritisiert, dass Einkommensmillionäre von den Finanzämtern nur unzureichend geprüft würden. Im Bundesdurchschnitt würden jährlich nur 15 Prozent der Einkommensmillionäre Außenprüfungen über sich ergehen lassen müssen. Dadurch gingen dem Fiskus erhebliche Steuereinnahmen verloren, so Rechnungshof-Präsident Dieter Engels.

Als viel zu gering erachtet der Bundesrechnungshof auch die Quote von zwei Prozent bei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen von Unternehmen. Rechnerisch sei damit eine Firma nur alle 50 Jahre an der Reihe.

Die Steuergewerkschaft warf Bayern und anderen Ländern jetzt "eine stillschweigende Tolerierung von Steueroasen für gutbetuchte Bürger" vor. Die Bundesregierung lehnt eine effektivere Kontrolle der Millionäre offenbar ab, wie dem Bericht des Bundesrechnungshofes zu entnehmen ist.

Am 05-12-2006

Senioren unter der Armutsschwelle

Der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger, geht davon aus, dass sich die Zahl der von Armut bedrohten Rentner in den kommenden Jahren noch drastisch erhöhen wird. Nach den vom Statischen Bundesamt vorgelegten EU-weiten Daten leben bereits jetzt rund die Hälfte der über 20 Millionen Senioren in akuter Armutsgefährdung, so Hirrlinger. Allein über zwei Millionen Rentnerinnen müssten monatlich mit 650 Euro auskommen und lägen damit erheblich unter der offiziellen Armutsschwelle von 856 Euro. Die Rente mit 67 sei "nichts anderes als ein weiteres Rentenkürzungsprogramm".

Hirrlinger warf der Bundesregierung vor, mit ihrer Politik des Abkassierens die Senioren immer weiter unter die Armutsgrenze zu drängen. Bereits in den vergangenen Jahren sei die Kaufkraft der Rentnerinnen und Rentner durch Nullrunden und höhere Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung deutlich gesunken.

Seit zwei Jahren müssten die Rentner alleine für die Pflegeversicherungsbeiträge von 1,7 Prozent aufkommen und auch einen Versicherungsbeitrag für Krankengeld von 0,45 Prozent bezahlen. Dabei hätten die Senioren ein Leben lang Beiträge gezahlt und sich so ein Anrecht auf ein sicheres Auskommen im Alter erworben.

Hirrlinger forderte, bei der Gesundheitsreform Einkommen bis 800 Euro von der Zusatzprämie zu befreien. Die Zusatzprämie soll den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen beleben und ist pro Patient auf acht Euro pro Monat begrenzt.

"Um die Renten erneut kürzen zu können, hat die Politik die Rente mit 67 erfunden", meint Hirrlinger. Die Rente drohe so auf das Niveau der Grundsicherung zu sinken.

Eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters bringe nichts, solange immer noch über die Hälfte der Betriebe keine Arbeitnehmer über 50 Jahren beschäftigten. Die Politik mache hier den zweiten vor dem ersten Schritt. Sie müsse erst einmal dafür sorgen, dass Ältere - "die arbeiten können und wollen" - dieses auch tatsächlich bis 65 Jahren dürften. "Erst dann kann über eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre nachgedacht werden."

Der Abwärtstrend werde auch durch steigende Krankenkassenbeiträge und die Mehrwertsteueranhebung weiter verstärkt werden, fürchtet der Verband. Die heutigen Rentenkürzungen würden sich auch auf die späteren Renten jüngerer Generationen entsprechend negativ auswirken.

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Am 07-12-2006

Armutslöhne in Deutschland

Einer Analyse des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung zufolge verdienen sächsische Friseure ein Entgelt von 3,06 Euro pro Stunde. In Mecklenburg-Vorpommern werde im Bereich Floristik 4,58 Euro pro Stunde bezahlt. Mit einem Tariflohn von 4,80 Euro gehört auch der Erwerbsgartenbau in Sachsen-Anhalt nicht zu den Branchen, in denen Spitzenlöhne gezahlt werden. Im privates Transport- und Verkehrsgewerbe (Speditionen) betrage der Tariflohn 5,12 Euro und Hotel- und Gaststättengewerbe NRW 5,34 Euro. Mit 5,25 Euro nimmt in Thüringen das Bäckerhandwerk schon etwas mehr mit nach Hause. Im Bewachungsgewerbe (Separatwachdienst) Schleswig-Holsteins wird den Angaben zufolge ein Tariflohn in Höhe von 5,69 Euro pro Stunde bezahlt. Die Systemgastronomie Ost (ohne Berlin-Ost) liegt bei 6,14 Euro die Stunde und das Gebäudereinigerhandwerk Ost bei 6,58 Euro. Nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung finden sich in älteren, seit Jahren ausgelaufenen Tarifverträgen sogar noch niedrigere Vergütungen.

Analysiert wurden den Angaben zufolge 43 Wirtschaftszweige mit insgesamt 15,7 Millionen Beschäftigten. Die "Spannweite der untersten Tarifvergütungen" in den verschiedenen Wirtschaftszweigen sei sehr groß. Sie variiere zwischen 3,06 Euro in der Stunde im sächsischen Friseurhandwerk bis zu 12,62 Euro in der baden-württembergischen Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie.

"Relativ hohe unterste Tarifvergütungen"

"Relativ hohe unterste Tarifvergütungen" pro Stunde würden etwa im Bauhauptgewerbe West (inkl. Berlin) mit 10,40 Euro gezahlt. In der Druckindustrie West liege der Tariflohn bei 11,53 Euro und in der Metallindustrie Baden-Württembergs bei 11,61 Euro. Die Chemische Industrie in Hamburg zahle 12,06 Euro, die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie Baden-Württembergs 12,62 Euro pro Stunde.

Hintergrund: Es gibt drei Formen von branchenbezogenen tariflichen Mindestlöhnen

Es sind drei verschiedene Formen von branchenbezogenen tariflichen Mindestlöhnen zu unterscheiden: Tariflöhne als Mindestlöhne, Allgemeinverbindlich erklärte Tariflöhne und Tarifliche Mindestlöhne nach dem Entsendegesetz.

Die in Tarifverträgen vereinbarten Löhne, Gehälter und Entgelte sind Mindestvergütungen, die nicht unterschritten werden dürfen. Allerdings gelten diese Tarifvergütungen nur für die Mitglieder der jeweils vertragsschließenden Tarifparteien, also die Gewerkschaftsmitglieder und die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes beziehungsweise des Unternehmens, das den Tarifvertrag abgeschlossen hat. Beschäftigte in nicht tarifgebundenen Unternehmen haben keinen Anspruch auf die Tarifvergütungen.

In einigen wenigen Branchen sind die tariflich vereinbarten Löhne und Gehälter durch den Bundes- beziehungsweise die Länderarbeitsminister nach Paragraph 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) für allgemeinverbindlich erklärt worden. Sie gelten deshalb auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen der betroffenen Branchen. Solche allgemeinverbindlichen Vergütungstarifverträge gibt es lediglich in einigen Tarifbereichen des Friseurgewerbes, des Wach- und Sicherheitsgewerbes sowie des Gebäudereinigerhandwerkes.

In derzeit sieben Wirtschaftszweigen gibt es tarifliche Mindestlöhne, die nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Sie erfassen auch Betriebe aus dem Ausland, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen. Diese Mindestlöhne gelten ebenfalls für alle Betriebe und Beschäftigten in der jeweiligen Branche, auch wenn sie nicht tarifgebunden sind.

Die Bundesregierung plant eine Ausweitung des Entsendegesetzes. Bis Ende März haben sich Tarifparteien aus acht Branchen gemeldet, die in das Entsendegesetz aufgenommen werden wollen. Die Linke sowie Teile der SPD und der Grünen fordern einen allgemeinverbindlichen gesetzlichen Mindestlohn .

Am 10-04-2008