Seite 1 bei Google kann so einfach sein.

Was will die neue Linkspartei?

Rückgriff auf das Grundgesetz

Am 22. Januar soll in Deutschland eine Linkspartei gegründet werden. Die neue politische Kraft, die derzeit noch unter "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG)" firmiert, hat am 3. Oktober 2004 ein vorläufiges "Eckpunkteprogramm" vorgelegt. Darin stützt die Wahlalternative ihre Programmatik vor allem auf das Grundgesetz. Das dort verankerte Sozialstaats-Prinzip gehöre "zu den unabänderlichen Verfassungsgrundsätzen" wie Demokratie, Rechtsstaat, Bundesstaat und Schutz der Menschenwürde. "Das bedeutet, dass selbst eine verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages dieses Prinzip nicht abschaffen darf." Die Sozialbindung des Eigentums, die Sozialpflichtigkeit von Produktionsmitteln, die Zulässigkeit von Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit nach Artikel 14 und schließlich die Möglichkeit der Sozialisierung von Grundstoffindustrien gemäß Artikel 15 zeigen nach Auffassung der Linkspartei deutlich, "dass der unbeschränkte Kapitalismus nicht die verfassungsmäßig geschützte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ist". Selbst wenn man dem Grundgesetz – "wie heute allgemein üblich" – eine "wirtschaftspolitische Neutralität" unterstelle, stehe doch fest, dass ein ungebändigter Manchester-Kapitalismus verfassungsrechtlich als unzulässig angesehen werden müsse.

Der "Sozialstaat des Grundgesetzes" ist nach Auffassung der Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit etwas anderes als ein "Sozialhilfe-Staat". Der Sozialstaat verlange eine Staats- und Gesellschaftsordnung, in der soziale Gerechtigkeit existiert. Dabei korrespondiere das Sozialstaatsprinzip vor allem mit dem Grundrecht der Menschenwürde in Artikel 1, "der verhindern will, dass der Mensch zum bloßen Objekt staatlicher und wirtschaftlicher Macht degradiert wird". Auch dieser Grundsatz sei nach der Verfassung "unabänderlich".

"Dieser Reichtum wächst ständig"

Während die öffentliche artikulierte Stimmung von "Sparzwängen" geprägt ist, möchte die neue Linkspartei den Blick auf das ständig wachsende gesellschaftliche Vermögen lenken: "Wir leben in einer reichen Gesellschaft, und dieser Reichtum wächst ständig. Jahr für Jahr vermehren wir die Menge der Güter und Dienstleistungen."

Die ständig steigende Arbeitsproduktivität ermöglicht nach Auffassung der Wahlinitiative einen höheren Lebensstandard und mehr Freizeit. "Wir entwickeln neue Produkte und verbessern die Technik und die Organisation unserer Arbeit. Dadurch können wir in immer kürzerer Zeit immer mehr Produkte in immer besserer Qualität herstellen", heisst es im Eckpunktepapier. "Durch dieses Wachstum der Arbeitsproduktivität sind die Voraussetzungen für einen höheren Lebensstandard geschaffen, für höhere Löhne und Gehälter, für mehr Freizeit und bessere soziale Absicherung, für eine steigende Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen, für mehr öffentliche Investitionen, auch im Umweltbereich."

Die höhere Arbeitsproduktivität wird nicht als Jobkiller, sondern als Schutz vor materieller Not und als Garant für Freiräume angesehen: "Steigende Arbeitsproduktivität befreit von materieller Not, schafft Raum für positive Freiheit, die es uns ermöglicht, unser Leben selbstverantwortlich zu gestalten."

Gegen "unbegrenztes Wachstum der materiellen Produktion"

Man wehrt sich gegen eine Neuauflage der Zeiten des "Wirtschaftswunders", nicht zuletzt auch "um ökologische und soziale Schäden zu vermeiden". Mehr denn je käme es darauf an, "die Lösung der gegenwärtigen sozialen Misere nicht im unbegrenzten Wachstum der materiellen Produktion zu suchen."

Stattdessen "Senkung der Arbeitszeit" und Ausweitung "gesellschaftlich nützlicher Dienstleistungen"

Die Zeitersparnis aufgrund der steigenden Arbeitsproduktivität solle vielmehr "genutzt werden für eine Senkung der Arbeitszeit".

Arbeit, die in der materiellen Produktion nicht mehr benötigt wird, soll nach Auffassung der Linkspartei für die Ausweitung öffentlicher und anderer "gesellschaftlich nützlicher Dienstleistungen" verwendet werden. "Zusätzliche materielle Produktion muss mit der Verbesserung der Umweltbedingungen verbunden werden. Hier wird auch ein vergrößerter gemeinwirtschaftlicher Sektor eine wichtige Rolle spielen, dessen Ziel Bedarfsdeckung und nicht Gewinnmaximierung ist." Dann könne mehr Beschäftigung heute und in Zukunft sozial und ökologisch nachhaltig gestaltet werden.

"Stärkung der Staatsfinanzen durch mehr Steuergerechtigkeit"

Basierend auf dieser Grundphilosophie verlangt die Linkspartei eine "Stärkung der Staatsfinanzen durch mehr Steuergerechtigkeit". Die Steuereinnahmen dürften insgesamt nicht sinken, sondern müssten langfristig sogar steigen.

Denn der Umfang des Steueraufkommens müsse so groß sein, "dass er ausreicht, die öffentlichen Ausgaben zu finanzieren. Die großen und absehbar zunehmenden infrastrukturellen, ökologischen und sozialen Entwicklungsprobleme stellen die Politik vor zusätzliche Steuerungsaufgaben, für die zusätzliche Ressourcen erforderlich sind."

Die Belastung durch steigende Steuern müsse aber gerecht verteilt werden. Das beste Kriterium für eine solche Gerechtigkeit sei für Personen die individuelle Leistungsfähigkeit entsprechend Einkommen und Vermögen und für Unternehmen der erzielte Gewinn.

"Steuerschlupflöcher für Reiche und Großverdiener schließen"

Der Spitzensteuersatz soll nach Auffassung der Wahlinitiative mindestens 47 Prozent betragen. Steuerschlupflöcher für Reiche und Großverdiener müssten geschlossen werden. Steuervereinfachung und der Abbau ungerechtfertigter Steuervergünstigungen sollten zu mehr Steuergerechtigkeit führen. "Dazu müssen sie vor allem auf Gewinn- und Vermögenseinkünfte gerichtet werden und dürfen nicht eine Methode sein, ArbeitnehmerInnen zusätzlich zu belasten", meint die Linkspartei.

Die wirtschaftlich stabilen und gewinnträchtigen Unternehmen sollen nach dem Willen der neuen Partei wieder erheblich mehr Steuern zahlen. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer sollen zusammen wieder das Niveau des Jahres 2000 erreichen. "Das bedeutet gegenüber dem Jahr 2003 eine Steigerung um etwa 20 Milliarden Euro jährlich. Die vielfältigen Möglichkeiten insbesondere großer und international aktiver Konzerne, sich um die Zahlung von Gewerbe- und Körperschaftsteuer zu drücken, etwa durch die Übertragung von Gewinnen ins steuergünstigere Ausland, müssen beschnitten werden. Weiterhin müssen die Möglichkeiten eingeschränkt werden, unversteuerte stille Reserven zu bilden, steuerfreie Veräußerungsgewinne zu erzielen, und Gewinne mit Verlusten anderer Unternehmen oder anderer Jahre zu verrechnen."

Auch an eine Besteuerung der Börsenspekulation ist gedacht: "Die international übliche einprozentige Börsenumsatzsteuer sollte auch in Deutschland eingeführt werden." Zusammen mit einer konsequenten und auch personell verstärkten Bekämpfung von Steuerhinterziehung könnten nach Einschätzung der Wahlalternative weitere Mehreinnahmen von weit über 20 Milliarden Euro im Jahr erzielt werden.

"20 Prozent über der gegenwärtigen Sozialhilfe"

Bei Arbeitslosigkeit sollen die Betroffenen "eine zur Aufrechterhaltung ihres Lebensstandards ausreichende Geldzahlung aus der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung" erhalten. Zur Vermeidung von Armut sollen alle Mitglieder der Gesellschaft im Bedarfsfall eine gesetzliche Mindestsicherung bekommen, die um 20 Prozent über der gegenwärtigen Sozialhilfe beziehungsweise über dem Arbeitslosengeld II liegt.

Jährlich 40 Milliarden Euro gegen Massenarbeitslosigkeit

Zum Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit zählt insbesondere ein "öffentliches Investitionsprogramm in Höhe von jährlich 40 Milliarden Euro für den Zeitraum von zehn Jahren". Damit könnten "dringende gesellschaftliche Bedarfe gedeckt und circa 500.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen" werden.

Zur Ausdehnung öffentlicher Beschäftigung insbesondere in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Kultur ist nach Auffassung der Linkspartei "ein Betrag von jährlich 30 Milliarden Euro erforderlich, durch den mindestens 1 Million zusätzlicher Arbeitsplätze geschaffen und zu tariflichen Bedingungen bezahlt werden können".

"Arbeitszeitverkürzung wegen Entwicklung der Arbeitsproduktivität geboten"

Die Linkspartei kritisiert, dass seit Mitte der 1990er Jahre die Gewerkschaften keine weiteren Arbeitszeitverkürzungen mehr hätten durchsetzen können, "obgleich dies von der Entwicklung der Arbeitsproduktivität her geboten gewesen wäre". Die realen Arbeitszeiten der Vollzeitbeschäftigten lägen mittlerweile wieder auf dem Niveau der 40 Stunden-Woche, "bei gleichzeitig massiv intensivierter Arbeit".

Eine Verkürzung der Arbeitszeiten sei "ein unverzichtbarer Ansatz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zu einer leistungsgerechten Gestaltung der Arbeit". Die Linkspartei möchte ein differenziertes Angebot von Arbeitszeitmodellen, sodass die Beschäftigten eigenständig ihre Wahl treffen können. "Wir wollen nicht, dass Teilzeitarbeit, Altersteilzeit, Kindererziehungszeiten etc. gleichbedeutend mit materieller Bestrafung und letztlich mit Altersarmut verknüpft sind. Wir fordern daher sozial und finanziell abgesicherte Arbeitszeitformen, die Frauen wie Männern eine gleichberechtigte Teilhabe an Beruf und Familie erlauben."

"Strukturierte Alltags- und Lebensplanung und gesellschaftliches Engagement"

Die Menschen brauchen nach Auffassung der Wahlalternative "einen Bezug zu einer gesellschaftlichen Normalarbeitszeit". Eine ausschließlich an den Absatzmärkten orientierte Flexibilisierung der Arbeitszeit mache eine strukturierte Alltags- und Lebensplanung unmöglich. "Darunter leiden familiäre Bindungen und Arbeitsteilung, die Mitarbeit in Vereinen, Parteien, sozialen Initiativen, Kirchen und anderen gesellschaftlichen Gruppen. Gesellschaftliches Engagement wird erschwert und entsprechend reduziert. Das sollte sich eine demokratisch verfasste Gesellschaft nicht leisten."

"Die Zukunft darf nicht durch mächtige private Unternehmen bestimmt werden"

Die Demokratie stellt für die neue Partei neben der sozialen Gerechtigkeit eine zweite "Säule" dar: "Nicht Markt und Rendite, sondern soziale Gerechtigkeit und Demokratie sind die Säulen einer zukunftsorientierten Politik." Die Zukunft unserer Gesellschaft dürfe "nicht durch mächtige private Unternehmen bestimmt werden", sondern müsse von allen Menschen gemeinsam und demokratisch gestaltet werden. "Wir treten ein für den Erhalt und Ausbau der Grund- und Freiheitsrechte und für mehr demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten in allen Bereichen."

Die Mitbestimmung der abhängig Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften in großen Unternehmen und in der Wirtschaftspolitik möchte die Linkspartei stärken. Eine grundlegende Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes und der Personalvertretungsgesetze sei notwendig.