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Heftige Kritik an "Staatsempfang für Menschenrechtsverletzer"

Flüchtende Zivilisten erschossen

Mit scharfer Kritik reagieren Pro Asyl, amnesty international und die Flüchtlingsräte der Länder auf den geplanten Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin und der tschetschenischen Staatsführung in Hannover. Putin soll gemeinsam mit Schröder am Sonntag die Messe und am Montag den deutsch-russischen Wirtschaftstag eröffnen. Mit der tschetschenischen Führung seien Gespräche über Hilfsprojekte in Tschetschenien geplant, meldet die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Die tschetschenische Regierung werde durch den Präsidenten Alu Alchanow und den "als notorischer Menschenrechtsverletzer berüchtigten" stellvertretenden Regierungschef Ramsan Kadyrow vertreten. amnesty international (ai) forderte Bundeskanzler Schröder auf, er solle nicht von einer 'Normalisierung' in Tschetschenien sprechen. Die Milizen von Vize-Premierminister Kadyrow seien seit Jahren verantwortlich für das 'Verschwindenlassen' von Menschen sowie für Folter und Mord.

Nachdem Putin anlässlich seines letzten Deutschlandbesuches die zynische Auffassung vertreten habe, in Tschetschenien herrsche seit Jahren kein Krieg mehr, kritisieren die Flüchtlingsorganisationen die "schrödersche Hofierung des russischen Autokraten Putin" als ignorantes "business as usual". Auf heftige Empörung stößt insbesondere der Empfang von Kadyrow. Kadyrow sei Oberbefehlshaber einer mehrere tausend Mann starken "Leibwache" des tschetschenischen Präsidenten, so Pro Asyl. Ihm würden Entführungen und Morde in großer Zahl zur Last gelegt. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte rechne 75 Prozent aller Entführungen in Tschetschenien Kadyrow zu. Vor den Leichen seiner Opfer habe er sich ablichten lassen wie ein Großwildjäger.

Peter Franck, Russland-Experte von ai, sagte: "Die bisherigen öffentlichen Äußerungen des Bundeskanzlers über sein Vertrauen in eine rechtsstaatliche Entwicklung in Russland und einen Normalisierungsprozess in Tschetschenien haben wenig mit der Wirklichkeit zu tun." Vielmehr behinderten Schröders Äußerungen die Arbeit derjenigen, die sich in Russland oder auch auf europäischer Ebene für die Menschenrechte einsetzten.

ai wies ausdrücklich auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Februar 2005 hin. "Der Gerichtshof hat eindeutig festgestellt, dass die russischen Streitkräfte in dem 'anti-terroristische Operation' genannten zweiten Tschetschenienkrieg für Folterungen und Tötungen von flüchtenden Zivilisten verantwortlich sind", sagte Franck. Besonders schwerwiegend sei, dass der Gerichtshof auch das Unvermögen der russischen Justiz festgestellt habe, die Verantwortlichen zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. "Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial hat gerade Zahlen veröffentlicht, wonach allein in den vergangenen drei Jahren etwa 1.500 Menschen in Tschetschenien entführt wurden, die Hälfte davon ist seitdem 'verschwunden'".

Pro Asyl führte aus, Kadyrow habe in einem Interview mit n-tv Strafen gegen Verwandte angeblicher Terroristen gefordert, was vom Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation "begierig aufgegriffen" worden sei. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial kritisiere dies als Versuch, die "bereits existierende" Praxis der Geiselnahme von staatlicher Seite zu legalisieren. Mit Kadyrow über deutsche Hilfsprojekte zu verhandeln, bedeute, einem der ranghöchsten Menschenrechtsverletzer der Region völlig unverdientes Vertrauen entgegenzubringen, so Pro Asyl.

"Angesichts der Wirtschaftskrise in Deutschland brennen beim Bundeskanzler auf heimischem Messeboden offenbar sämtliche menschenrechtlichen Sicherungen durch," sagte Bernd Mesovic, Referent von Pro Asyl. Nach dem Eintreten Schröders für die Aufhebung des Waffenembargos gegen China betätige er sich jetzt erneut unkritisch als Exportförderer ohne Bedenken. Laut Pro Asyl spielt sich in Tschetschenien derzeit "die schlimmste Menschenrechtskrise in Europa ab". Die Organisation verweist für Hintergründe auf "den Bericht der renommierten Internationalen Helsinki-Föderation, IHF, vom 30. März 2005". Zu zahllosen Entführungen, Folterungen, illegalen Verhaftungen und außergerichtlichen Tötungen dürfe die Bundesrepublik nicht diplomatisch schweigen, heißt es weiter. Auch Menschenrechtler würden von den russischen Behörden gezielt als "terroristisch" verleumdet und eingeschüchtert.

Nach Berichten von amnesty international müssen Tschetschenen, die sich in ihrer Not um Rechtsschutz auf europäischer Ebene bemühten, um ihr Leben fürchten. Wendeten sie sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, liefen sie Gefahr, getötet, gefoltert, sexuell missbraucht oder bedroht zu werden. Die Flüchtlingsräte und Pro Asyl forderten von der russischen Regierung und dem Präsidenten, Menschenrechtsverstöße zu ahnden, Opfer zu entschädigen, eine friedliche Lösung des Tschetschenien-Konfliktes zu suchen und eine vollständige Überwachung durch nationale und internationale Organisationen zu ermöglichen.

Pro Asyl und und die Flüchtlingsräte der Länder kündigten eine Protestkundgebung in Hannover am Montag in Hannover an. Peter Franck von ai sagte: "Die Zivilbevölkerung ist der Willkürherrschaft dieser Miliz hilflos ausgeliefert. Wir hoffen, dass der Bundeskanzler Wege findet, seine Distanz zu tschetschenischen Regierungsmitgliedern wie Kadyrow deutlich zu machen."