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Bundesverfassungsgericht kippt Kampfhundegesetz

Hundehalter in der Pflicht

Das Bundesgesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunderassen ist unzulässig. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe heute entschieden. Damit ist das Zuchtverbot, das für bestimmte Hunderassen galt, rechtswidrig. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes unterstreicht einmal mehr die Position des Deutschen Tierschutzbundes, dass die Rassezugehörigkeit eines Hundes nicht als Indikator für dessen eventuelle Gefährlichkeit stehen darf", kommentiert Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, das Urteil. "Die charakterlichen Eigenschaften eines jeden Hundes liegen in der Verantwortung von Züchter und Halter. Ein bundeseinheitliches Heimtiergesetz, das Zucht, Haltung, Handel sowie Im- und Export von Tieren regelt, ist daher mehr als überfällig!"

Die Gefährlichkeit eines Hundes kann nicht anhand seiner Rasse definiert werden. Dies bestätigt auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das der Klage von 85 Hundezüchtern und -haltern stattgegeben hat. Nach wie vor gibt es keine Rechtfertigung für die Anwendung des Zuchtverbotes für bestimmte Hunderassen. Eine bundeseinheitliche Regelung für den Umgang mit Heimtieren und hier vor allem Hunden ist jedoch unbedingt notwendig.

"Das zeigt nicht zuletzt das Querbeet der unterschiedlichen so genannten Kampfhundeverordnungen der Bundesländer, die in den vergangenen Monaten nach und nach gekippt wurden", erläutert Apel weiter. Im Mittelpunkt des vom Deutschen Tierschutzbund geforderten bundeseinheitlichen Heimtiergesetzes stehen daher folgende Hauptforderungen: "Ein Erlaubnis- und Kontrollvorbehalt für jede Zucht und jeden Handel mit Tieren, welcher auf der Sachkunde des Züchters basiert; die Wesens- und Gesundheitsprüfung für jeden Hund vor seiner Zuchtzulassung, damit verhaltensgestörte, kranke oder defektgezüchtete Tiere ihr Erbgut nicht weitergeben können und eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle Hunde, die eine sofortige Halterermittlung der Tiere ermöglicht", zählt Wolfgang Apel die wichtigsten Punkte auf.

"Bislang wurde die Ursache der Kampfhundeproblematik nie auf den Umgang mit Tieren bezogen", so der Tierschutzpräsident weiter. "Letztlich waren damit die Hunde die verstoßenen Verlierer." Tierschutzvereine und ihre Tierheime müssen die Folgen der verfehlten Politik ausbaden. Tiere, die bislang aufgrund ihrer Rasse von den Bundesländern als gefährlich eingestuft wurden, wurden zu Tausenden in die Tierheime abgegeben. Die Vermittlungschancen sind gering.

Der Deutsche Tierschutzbund nimmt sich der Problematik durch ein wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt an. Im Tier-, Natur- und Jugendzentrum Weidefeld ( Schleswig-Holstein ) werden problematische Hunde intensiv betreut. "Im Mittelpunkt der hier durchgeführten Forschungen steht die Resozialisierung der Hunde durch tiergerechte Erziehung und sachgemäßen Umgang", erläutert Apel das Konzept. "Dieses Projekt verdeutlicht, dass der Mensch die Verantwortung für das Verhalten von Hunden zu tragen hat und auch tragen muss."

Am 16-03-2004

Kleine Parteien diskriminiert

Die geplante Einschränkung der Finanzierung kleinerer Parteien ist verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht stoppte am Dienstag die Neuregelung des Parteiengesetzes, die vorsah, dass ab nächstem Jahr kleine Parteien erheblich weniger Geld zu sparen bekommen würden. Der Wettbewerb zwischen Parteien könne auf Dauer nur wirken, wenn er nicht auf die Konkurrenz zwischen den bereits existierenden und erfolgreichen beschränkt bleibe, sondern durch das Hinzutreten neuer Wettbewerber und die anhaltende Herausforderung durch die kleinen Parteien erweitert, intensiviert und gefördert werden könne, entschieden die Verfassungshüter. Doch das beschlossene Gesetz beeinträchtige die Betätigung kleiner Parteien unangemessen. Die Karlsruher Richter gaben damit der Klage der Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp) und der Partei Die Grauen - Graue Panther gegen das "Drei-Länder-Quorum" statt. Im Juli 2002 hatten Bundestag und Bundesrat die staatliche Parteienfinanzierung auf Länderebene neu geregelt: Ab 2005 sollten kleine Parteien nur noch staatliche Zuwendungen erhalten, wenn sie eine von drei Bedingungen erfüllen: Entweder erhalten sie bei drei Landtagswahlen - statt bisher bei nur einer - mindestens ein Prozent oder bei einer Landtagswahl mindestens fünf Prozent. Alternativ genügen 0,5 Prozent bei einer Bundestags- oder Europawahl.

Neu gegründete Parteien hätten dann gleichzeitig in drei Ländern aktiv und erfolgreich werden müssen, kritisierte das Bundesverfassungsgericht - eine klare Benachteiligung regionaler Parteien. Die grundgesetzliche Demokratie sei als Mehrparteiendemokratie angelegt. Beteiligung an der Demokratie müsse jederzeit auch als Parteineugründung möglich sein, um "neuen politischen Vorstellungen die Chance zu eröffnen".

Wäre die Neuregelung wirksam geworden, hätten viele neue Parteien es "besonders schwer", weil sie ihre politische Arbeit in der Regel zunächst ausschließlich aus Beiträgen und Spenden finanzieren müssten.

Der früher wegen angeblicher Rechtslastigkeit umstrittenen ödp hätte das Gesetz schwere Probleme bereiten können. Sechs Siebtel der Parteigelder stammen aus Zuwendungen. Das Gesetz sei gemacht worden, um kleinen Parteien "das Lebenslicht auszublasen, um sich deren Stimmenanteil und finanzielle Mittel einzuverleiben", kritisierte der Verfassungsrechtler und ödp-Prozessbevollmächtigte Hans Herbert Arnim. Der "Grauen" - Anwalt Stefan Jansen bezeichnete die möglichen Kürzungen als "existenzvernichtend". Beide Parteien hatten unabhängig voneinander Klage eingereicht.

Bundestag und Bundesrat hatten für die Neuregelung angeführt, sie könne es extremistischen Parteien erschweren, staatliche Gelder zu erhalten. Nicht nur, dass aktuell weder Graue oder ödp, noch NPD oder DVU von der Streichung betroffen wären - das Bundesverfassungsgericht wies zudem darauf hin, dass nur es selbst eine Partei für verfassungswidrig erklären und auflösen kann. Bis dahin darf der Staat sie nicht diskriminieren.

Am 26-10-2004

Landgericht Hamburg blieb untätig

Der Staat darf die überlange Dauer eines Gerichtsverfahrens nicht mit Umständen rechtfertigen, für die er selbst verantwortlich ist. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss entschieden. Die Karlsruher Richter gaben in einem besonders krassen Fall einer gerichtlichen Untätigkeit der Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen statt, der eine mehrjährige Freiheitsstrafe in einer Hamburger Justizvollzugsanstalt (JVA) verbüßt. Er will ein Fernstudium an der Universität Hagen aufnehmen, was ihm die JVA verweigerte. Im folgenden Gerichtsverfahren, das seit Juli 2000 läuft, hat das Landgericht Hamburg bislang nicht über seinen Antrag entschieden und dies unter anderem mit Arbeitsüberlastung begründet. Die "beharrliche Untätigkeit" des Landgerichts über fast fünf Jahre hinweg habe den Mann in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt, entschied das Verfassungsgericht. Zunächst hatte das Landgericht im Mai 2001 den Antrag des Mannes abgelehnt. Das Oberlandeslandesgericht (OLG) hob am 11. September 2001 aber auf die Beschwerde des Strafgefangenen die Entscheidung auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Zunächst sah sich die zuständige Richterin aber wegen angeblich starker Arbeitsbelastung nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Danach wechselte mehrfach die Besetzung der betreffenden Richterstelle.

Am 6. September 2002 legte der Mann beim Landgericht Untätigkeitsbeschwerde ein, die dieses aber nicht an das OLG weiterleitete. Nach einer "Sachstandsanfrage" des Mannes beim OLG forderte dieses die Akten vom Landgericht an, bekam diese aber erst nach der dritten Aufforderung.

Nach Angaben des Verfassungsgerichts hat das Landgericht bisher keine Entscheidung in der Sache getroffen. Die Verfahrensakten seien dem Bundesverfassungsgericht "erst nach mehrmaliger direkter telefonischer Aufforderung" des zuständigen Richters beim Landgericht zugeleitet worden. Dieser habe am 12. Januar 2005 vermerkt: "Die Sache ist mir leider außer Kontrolle geraten."

Welche Dauer in gerichtlichen Verfahren noch angemessen ist, hängt laut Bundesverfassungsgericht von den Umständen des Einzelfalls ab. Dazu zählten die Bedeutung der Sache, die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, deren Verhalten und die Schwierigkeit des Falles (AZ: 2 BvR 1610/03 - Beschluss vom 29. März 2005).

Am 07-04-2005

Lebensversicherungen

Das Bundesverfassungsgericht entschied am Dienstag, dass die gesetzlichen Regelungen für den Bereich der kapitalgebundenen Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung nicht den verfassungsrechtlichen Schutzanforderungen genügen. Damit war die nach Art eines Musterprozesses mit Unterstützung des Bundes der Versicherten erhobene Verfassungsbeschwerde eines Versicherungsnehmers, der eine kapitalbildende Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung abgeschlossen hatte, im Kern erfolgreich. Der Versicherungsnehmer hatte – ohne Erfolg – die Zivilgerichte angerufen, um zu erreichen, dass bei der Berechnung seiner Überschussbeteiligung insbesondere stille Reserven des Versicherungsunternehmens berücksichtigt werden. Das Bundesverfassungsgericht stellt in einer ersten kurzen Begründung dar, dass der Wettbewerb um das Produkt Lebensversicherung für die Versicherten nur in beschränkter Weise funktioniere. Ihnen fehlten praktisch realisierbare Möglichkeiten, selbst und eigenständig auf Änderungen der Praxis zu ihren Gunsten hinzuwirken, da die Vertragsbedingungen der Lebensversicherer praktisch nicht verhandelbar seien.

Der Versicherungsnehmer habe keine Chance, einen Versicherungsvertrag mit Überschussbeteiligung so abzuschließen, dass die stillen Reserven jedenfalls teilweise auch ohne Realisierung berücksichtigt und Möglichkeiten der Querverrechnung transparent gemacht und inhaltlich begrenzt würden. Angesichts dessen treffe den Gesetzgeber ein verfassungsrechtlicher Schutzauftrag, dem dieser aber bisher in nicht ausreichender Weise nachgekommen sei.

In einer ersten Stellungnahme begrüßte Edda Müller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen das Urteil. Es zeige, dass viele Praktiken der Versicherungsunternehmen nicht nur verbraucherfeindlich, sondern sogar verfassungswidrig seien. "Der Abbau von Intransparenz, die Schaffung von Vergleichbarkeit und der Schutz der Verbraucher vor falschen und überteuerten Policen muss eine der ersten Aufgaben einer neuen Bundesregierung sein", so Edda Müller.

Die Legislative hat bis zum 31. Dezember 2007 Zeit, die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Mängel zu beheben.

Am 26-07-2005

CDU für Umverteilung

Wegen seiner Haushaltsnotlage zieht das Land Bremen vor das Bundesverfassungsgericht. Das beschloss der Bremer Senat auf seiner Sitzung am Dienstag. Mit der Klage will Bremen erreichen, weitere Sanierungshilfen vom Bund zu erhalten. Der aktuelle Schuldenstand des Bundeslandes liege bei 11,8 Milliarden Euro. Allein bei den laufenden Ausgaben im Haushalt 2005 fehlten über 500 Millionen Euro. Bremen sei auf weitere finanzielle Hilfen angewiesen, sagte Bürgermeister Thomas Röwekamp (CDU). Bremen bekam von 1994 bis 2004 über Sonderzuweisungen des Bundes rund acht Milliarden Euro als Hilfe, um seine extreme Haushaltsnotlage zu beseitigen. Die Verschuldung des kleinsten Bundeslandes stieg in den vergangenen Jahren dennoch an.

Bremen habe während der zehnjährigen Sanierungszeit alle Auflagen erfüllt, betonte Röwekamp. Bremen habe aber als einziges unter den Bundesländern heute weniger steuerabhängige Einnahmen als 1993. Dies sei eine wesentliche Ursache dafür, dass Bremen die in der Landesverfassung festgeschriebene Kreditobergrenze erheblich überschreite.

Forderung nach Teilentschuldung

Röwekamp sagte, Bremen hoffe mit der Klage auf eine Änderung im Länderfinanzausgleich, der das Bundesland benachteilige. Vorstellbar sei, dass der Finanzausgleich sich nicht auf die Einwohnerzahl, sondern auf die Wirtschaftskraft bezieht. Hilfreich wäre zudem eine Teilentschuldung, weitere laufende Hilfen über Sonderzuweisungen oder Investitionshilfen.

Bremen will auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung mit dem ebenfalls finanzschwachen Saarland in der nächsten Woche über die Situation beraten.

Berlin klagt ebenfalls in Karlsruhe auf mehr Bundeshilfen. Mit der mündlichen Verhandlung wird im Herbst, mit einem Urteil im Frühjahr 2006 gerechnet.

Am 16-08-2005

"Tatverdacht"

Die Verfassungsbeschwerde eines Angeklagten, der seit acht Jahren wegen des Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit sechsfachem Mord und zweifachem Mordversuch in Untersuchungshaft sitzt, war erfolgreich. Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschied, dass die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts und des Landgerichts den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht (Artikel 2, Absatz 2, Satz 2 Grundgesetz) verletzen. Als Urteilsbegründung führten die Richter insbesondere die viel zu langen Strafverfahren an. Der Angeklagte befindet sich seit dem 2. August 1997 in Untersuchungshaft. Ihm wird zur Last gelegt, im Juli 1997 vorsätzlich eine Gasexplosion herbeigeführt zu haben, die das ihm selbst gehörende Mietwohnhaus vollständig zerstörte, sechs Hausbewohner tötete und zwei weitere schwer verletzte. Nach einer Verfahrensdauer von über vier Jahren sprach ihn das Landgericht am 16. August 2001 der angelasteten Tat schuldig und verurteilte ihn zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Revision ein, die er im März 2002 begründete. Die Bundesanwaltschaft nahm hierzu am 30. September 2002 Stellung. Der Bundesgerichtshof bestimmte den Termin zur Hauptverhandlung über die Revision auf den 10. Juli 2003. Mit Urteil vom 24. Juli 2003 hob er das Urteil des Landgerichts wegen eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Die neue Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer hat am 6. Februar 2004 begonnen und dauert noch immer an.

Sowohl beim Landes- wie beim Oberlandesgericht hatte der Angeklagte erfolglos die Außervollzugsetzung des Haftbefehls beantragt, worauf er nun Verfassungsbeschwerde einlegte.

Das Bundesverfassungsgericht legte der Entscheidung im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: "Das Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) gebietet in Haftsachen eine angemessene Beschleunigung des gesamten Strafverfahrens bis zu dessen rechtskräftigen Abschluss."

Das Oberlandesgericht habe nicht berücksichtigt, dass Umstände vorlägen, die den Schluss auf eine erhebliche, dem Staat zuzurechnende vermeidbare Verfahrensverzögerung nahe legten. Bis zur Hauptverhandlung im Juli 1999 seien beinahe zwei Jahre vergangen, weitere zwei Jahre hätte es gedauert, bis das erste Urteil gefällt worden sei. In Bezug auf das anschließende Revisionsverfahren habe die Bundesstaatsanwaltschaft für ihre Stellungnahme sieben Monate gebraucht. Die Hauptverhandlung im Revisionsverfahren dauere zudem auch schon wieder 19 Monate. Erschwerend komme hinzu, dass eben diese Revision der Korrektur eines offensichtlich der Justiz anzulastenden Verfahrensfehlers gedient habe.

"Nach 8 Jahren nicht mehr als einen dringenden Tatverdacht"

Es könne – so fasst das Bundesverfassungsgericht seine Argumentation zusammen - in einem Rechtsstaat nicht hingenommen werden, dass die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte nach acht Jahren Untersuchungshaft nicht mehr in Händen hielten als einen dringenden Tatverdacht.

"Allein die stereotypen, in den Haftfortdauerentscheidungen enthaltenen und auch sonst häufig anzutreffenden Formulierungen, das überragende Interesse der staatlichen Gemeinschaft an einer wirksamen Strafverfolgung einer durch die besondere Schwere des Schuldvorwurfs gekennzeichneten Tat überwiege den durch die Verfassung garantierten Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschwerdeführers, kann nach einem Zeitraum von über acht Jahren die Fortdauer von Untersuchungshaft nicht mehr rechtfertigen."

Die Sache wurde an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dieses hat unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht angeführten Gesichtspunkte erneut über die Frage der Haftfortdauer zu entscheiden.

Am 30-09-2005

Zigarettenmafia

Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslieferung einer Vietnamesin in ihr Heimatland gestoppt. Zuvor hatte das Berliner Kammergericht die Auslieferung für zulässig erklärt. Dadurch werde die Frau in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt, betonten die Karlsruher Richter in dem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Das Kammergericht habe die Aussagen der Frau zur mangelnden Rechtsstaatlichkeit eines ihr drohenden Strafverfahrens in Vietnam "nicht hinreichend berücksichtigt". Die Frau machte in ihrer Verfassungsbeschwerde geltend, dass sie mit der Auslieferung letztlich als Zeugin in laufenden deutschen Prozessen gegen die vietnamesische Zigarettenmafia ausgeschaltet werden soll. Die vietnamesischen Behörden hatten die Auslieferung wegen eines angeblichen Drogendelikts beantragt. Aus Sicht der Frau ist dieser Tatvorwurf konstruiert.

Zwischen der Sozialistischen Republik Vietnam und Deutschland gibt es kein Auslieferungsabkommen. Nach Angaben des Bundesjustizministeriums wäre dies die erste Auslieferung nach Vietnam.

Die Vietnamesin, die 1994 nach Deutschland kam und die Geliebte eines Chefs des vietnamesischen Zigarettenschmugglerrings in Berlin gewesen sein soll, hatte im August 1998 als Belastungszeugin in Strafverfahren gegen die vietnamesische Zigarettenmafia ausgesagt.

Dann kehrte sie freiwillig nach Vietnam zurück, reiste aber im Jahr 2000 wieder nach Deutschland ein. Anfang 2004 wurde um ihre Auslieferung ersucht. Grundlage war ein vietnamesischer Haftbefehl wegen des Kaufs von insgesamt 2,45 Kilogramm Heroin zwischen Herbst 1998 und Sommer 1999. Daraufhin wurde sie festgenommen.

Die Karlsruher Richter rügten, dass das Kammergericht eine kritische Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft gar nicht erwähnt habe. Demnach könne nicht ausgeschlossen werden, dass kriminelle vietnamesische Kreise die Klägerin als Zeugin ausschalten oder sich an ihr rächen wollten. (AZ: 2 BVR 1090/05 - Beschluss vom 22. November 2005)

Am 07-12-2005

Würde

Die Bundeswehr darf ein von Selbstmordattentätern entführtes Passagierflugzeug auch im äußersten Notfall nicht abschießen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch entschieden. Die Karlsruher Richter erklärten die im Luftsicherheitsgesetz enthaltene Ermächtigung des Verteidigungsministers zum gezielten Abschuss eines gekaperten Zivilflugzeugs, das als Waffe eingesetzt werden soll, für verfassungswidrig und nichtig. Die seit Januar 2005 geltende Vorschrift sei mit den Grundrechten auf Menschenwürde und Leben nicht vereinbar, soweit unschuldige Menschen an Bord der Maschine betroffen werden. Das Luftsicherheitsgesetz mache andere im Flugzeug befindliche Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns. Wert und Erhaltung ihres Lebens würden durch das Luftsicherheitsgesetz unter mengenmäßigen Gesichtspunkten und nach der ihnen "den Umständen nach" vermutlich verbliebenen Lebenserwartung "in das Ermessen des Bundesministers der Verteidigung" gestellt.

Menschen sollten im Ernstfall "geopfert und vorsätzlich getötet" werden, wenn der Verteidigungsminister auf der Grundlage der ihm zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Informationen annehme, dass ihr Leben nur noch kurze Zeit dauern werde und daher im Vergleich zu den sonst drohenden Verlusten keinen Wert mehr habe oder jedenfalls nur noch "minderwertig" sei.

Die in der Regelung dem Staat eröffnete Befugnis gehe über das hinaus, was dieser nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Schutz des Lebens seiner Bürger unternehmen dürfe. Keinesfalls dürfe der Staat eine Mehrheit seiner Bürger dadurch schützen, dass er eine Minderheit vorsätzlich töte. Eine "Abwägung Leben gegen Leben" nach dem Maßstab, wie viele Menschen möglicherweise auf der einen und wie viele auf der anderen Seite betroffen seien, sei unzulässig.

Das Luftsicherheitsgesetz verletzt nach Auffassung der Verfassungsrichter auch den wehrverfassungsrechtlichen Vorbehalt in Artikel 87a Absatz 2 des Grundgesetzes, nach dem die Bundeswehr "außer zur Verteidigung" nur eingesetzt werden dürften, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulasse. Es lägen aber insbesondere die Voraussetzungen des Artikel 35 Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes nicht vor, die den Einsatz der Streitkräfte zur Unterstützung der Länder im regionalen und überregionalen "Katastrophenfall" zuließen.

Dem Bund sei ein Kampfeinsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen weder bei der Bekämpfung eines "besonders schweren Unglücksfalles" - als der ein von den Terroristen beabsichtigter Flugzeugabsturz gilt - noch bei einem "überregionalen Katastrophennotstand" erlaubt. Die Art der "Hilfe", die die Streitkräfte den Ländern in solchen Fällen sowie bei Naturkatastrophen leisten dürften, könnten "nicht von qualitativ anderer Art" sein als diejenigen der Polizeikräfte der Länder. Der Bund habe daher für das Luftsicherheitsgesetz keine Gesetzgebungsbefugnis gehabt.

Die Verfassungsbeschwerde von sechs Klägern, darunter einem Flugkapitän, dem früheren Bundestagsvizepräsidenten Burkhard Hirsch (FDP) und dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), war damit erfolgreich. Die abgestuften Bestimmungen des seit Januar 2005 geltenden Gesetzes erlauben es, ein verdächtiges Flugzeug abzudrängen, zur Landung zu zwingen, ihm Waffengewalt anzudrohen, Warnschüsse abzugeben und als "Ultima ratio" abzuschießen. Die Vorschrift über die "unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt" - Paragraph 14, Absatz 3 des Luftsicherheitsgesetzes - wurde nun für nichtig erklärt.

(AZ: 1 BvR 357/05 - Urteil vom 15. Februar 2005)

Am 15-02-2006

Klage gegen Zustimmungsgesetz

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler sieht die EU-Verfassung auch in Deutschland als "endgültig gescheitert" an. Gauweiler, der beim Bundesverfassungsgericht gegen das deutsche Zustimmungsgesetz klagt, begründete seine Einschätzung am Dienstag mit einer neuen Mitteilung des Gerichts. Verfassungsrichter Siegfried Broß legt nach Angaben von Gauweiler in einer Stellungnahme vom Montag dar, dass das Gericht die Arbeit an der Verfassungsbeschwerde Gauweilers vorerst weiter ruhen lasse. Bundestag und Bundesrat hatten im Mai 2005 dem EU-Verfassungsvertrag zugestimmt. Gauweiler hielt die Ratifizierung durch das Parlament für verfassungswidrig und zog nach Karlsruhe. Bundespräsident Horst Köhler will das Gesetz erst unterzeichnen, wenn das Bundesverfassungsgericht entschieden hat.

Broß verwies in seiner Stellungnahme auf die unklare Zukunft der EU-Verfassung nach den gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden. Zudem verwies er darauf, dass es 2007 einen neuen Fahrplan geben solle, wie ein möglicherweise veränderter Vertrag bis 2009 in Kraft treten könne.

Eine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde zum jetzigen Zeitpunkt könnte das Gericht in die Rolle eines Mitgestalters im europäischen Verfassungsprozess führen, die mit der Funktion des Gerichts unvereinbar wäre, argumentierte Broß.

Am 31-10-2006

Wieder ausgebürgert

Eingebürgerten Ausländern darf der deutsche Pass entzogen werden, wenn sie ihre alte Staatsbürgerschaft wieder annehmen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss (2 BvR 1339/06). Die Richter nahmen die Beschwerde eines im März 1999 eingebürgerten und später wieder ausgebürgerten Türken nicht zur Entscheidung an. Der Türke hatte dem Gericht zufolge wenige Monate nach seiner Einbürgerung unter Ausnutzung einer damaligen Gesetzeslücke einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft gestellt und diese dann im Februar 2001 erhalten. Daraufhin zogen Behörden in Frankfurt am Main seine deutschen Ausweispapiere ein.

Nach dem 2000 in Kraft getretenen Staatsangehörigkeitsgesetz verliert ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem freiwilligen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Zuvor galt dies nur dann, wenn sich der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthaltsort eines Betroffenen nicht in Deutschland befanden.

Die Verfassungsrichter entschieden, dass es sich nicht um einen verbotenen Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit handelt und bestätigten damit die gesetzliche Regelung. Diese dürfe auch dann angewendet werden, wenn der Antrag auf den Erwerb der alten Staatsbürgerschaft vor dem Inkraftreten der Änderung gestellt wurde. Das im Grundgesetz verankerte Ausbürgerungsverbot sei nicht verletzt. Der Betroffene habe es selbst in der Hand gehabt, die deutsche Staatsangehörigkeit zu behalten.

Von der Gesetzesänderung ist dem Gericht zufolge "eine große Zahl" eingebürgerter Personen betroffen. Nach Angaben der Türkischen Gemeinde in Deutschland haben rund 50.000 in der Bundesrepublik lebende Türken nach Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft keinen gesicherten Aufenthaltsstatus. Der Vorsitzende der Organisation, Kenan Kolat, kündigte für den 31. Januar eine Demonstration vor dem Bundesinnenministerium in Berlin an. Er forderte eine "humanitäre Lösung" für die Betroffenen.

Baden-Württembergs Innenminister Rech betonte, die Gerichtsentscheidung zeige, dass der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit "eine vorbehaltslose Willensentscheidung für die deutsche Verfassungs- und Werteordnung" verlange. Die Entscheidung für die deutsche Staatsangehörigkeit dürfe kein Lippenbekenntnis sein, sondern müsse eine klare und verbindliche Hinwendung zur deutschen Gesellschaftsordnung erkennen lassen.

Am 10-01-2007

Keine verfassungsrechtliche Bedenken

Der zu 15 Jahren Haft verurteilte so genannte "Terrorhelfer" Mounir El Motassadeq ist mit seiner Verfassungsbeschwerde gescheitert. Mit dem am Freitag bekannt gewordenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sind die Chancen des Marokkaners, seine Strafe nicht antreten zu müssen, weiter gesunken. Die Karlsruher Richter nahmen die Verfassungsbeschwerde Motassadeqs gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs wegen Beihilfe zu 246-fachem Mord nicht an, wie eine Sprecherin des Verfassungsgerichts sagte. Zur Begründung hieß es, dass die Verfassungsbeschwerde teilweise unzulässig sei und der Schuldspruch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Motassadeqs Verteidiger Udo Jacob sagte, die Begründung des Verfassungsgerichts sei "sehr dürftig". Jacob kündigte an, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einschalten zu wollen. Sein Mandant habe ihm eine entsprechende Vollmacht erteilt, sagte Jacob. Ein mögliches Verfahren könne allerdings Jahre dauern. Motassadeq sei von dem Karlsruher Beschluss "maßlos enttäuscht". Laut Jacob werde auch überlegt, die Revision gegen das Urteil möglicherweise später zurückzunehmen.

Parallel wollen die Verteidiger einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim 7. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) einreichen. Dies sei jetzt "wohl das erfolgversprechendste Rechtsmittel", sagte der zweite Verteidiger des Marokkaners, Ladislav Anisic. Ein wesentlicher Grund für eine Wiederaufnahme sei, dass der vom Terrorverdacht freigesprochene Marokkaner Abdelghani Mzoudi nun doch als Zeuge für einen möglichen neuen Prozess zur Verfügung stünde. "Die Zusage haben wir", sagte Anisic.

Das Oberlandesgericht Hamburg hatte am Montag die Strafe gegen den Marokkaner wegen Beihilfe zum Mord an 246 Passagieren und Besatzungsmitgliedern der nach offizieller Darstellung am 11. September 2001 in den USA zum Absturz gebrachten vier Flugzeuge sowie der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung auf 15 Jahre Gefängnis neu festgesetzt.

Der BGH hatte zuvor ein Urteil des OLG vom August 2005 verschärft, das Motassadeq lediglich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen und zu sieben Jahren Haft verurteilt hatte. Zur Festsetzung einer neuen Strafe verwies der BGH das Verfahren anschließend an das OLG zurück.

Am 15-01-2007

"Menschenwürdige Existenz gewährleistet"

Das Bundesverfassungsgericht hat die notwendigen Maßnahmen für den Schutz der Intimsphäre von Gefangenen präzisiert. Demnach ist es zulässig, einen Untersuchungsgefangenen in einer Einzelzelle mit einer räumlich nicht abgetrennten Toilette unterzubringen. Dadurch werde der Gefangene nicht in seiner Menschenwürde verletzt, heißt es in dem am 4. Dezember veröffentlichten Beschluss. Bei einer Einzelzelle bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, körperliche Bedürfnisse unter Wahrung der eigenen Intimsphäre zu verrichten. Dies sei anders als in Fällen, in denen zwei oder mehr Gefangene gemeinsam in einer Zelle untergebracht seien und keine ausreichende räumliche Abtrennung der Toilette gegeben sei. Der Kläger befand sich in Untersuchungshaft und wurde 2006 in die Justizvollzugsanstalt Koblenz verlegt. In seiner Klage erläuterte der Mann, dass beim Öffnen der Zellentür der erste Blick auf die offen im Raum stehende Toilette falle. So könnten Bedienstete und dritte Personen auf dem Gang ihn bei der Verrichtung seiner Notdurft sehen. Dies verletze sein Schamgefühl und seine Menschenwürde. Die Karlsruher Richter bestätigten eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz und verwarfen die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde eines Gefangenen.

Die Verfassungsrichter betonten, dass der Gefangene einen "Anspruch auf besondere Rücksichtnahme durch das Vollzugspersonal" habe. Bedienstete müssten "durch Anklopfen oder ausreichend vernehmbare Schließgeräusche beim Öffnen der Tür" ihr Kommen ankündigen.

Das OLG hatte darauf hingewiesen, dass die Ausstattung der beanstandeten Einzelzelle dem "allgemeinen Standard der Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik" entspreche. Laut JVA Koblenz verfügten alle ihre Einzelhafträume über eine Toilette ohne bauliche Abtrennung.

Die Karlsruher Richter lehnten auch Beschwerden in zwei weiteren Fällen ab. Hier konnten die Kläger entweder einen abgetrennten WC-Bereich oder eine Toilette außerhalb des Haftraums nutzen. In einem Verfahren ging es um die Unterbringung eines Straftäters in einem 14,5 Quadratmeter großen Zweibettzimmer, das wegen Überbelegung im Landeskrankenhaus von Sachsen-Anhalt in Uchtspringe mit drei Personen belegt war.

Im anderen Verfahren blieb unbeanstandet, dass sich der Kläger im offenen Strafvollzug in der JVA Diez in Rheinland-Pfalz mit einem anderen Gefangenen in einem Haftraum von nur 11,7 Quadratmetern befand.

(AZ: 2 BvR 939/07; 2 BvR 2354/04; 2 BvR 2201/05 - Beschlüsse vom 13. November 2007)

Am 04-12-2007

Viele Experten skeptisch

Die Zulässigkeit von Wahlcomputern steht auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts. Bei der mündlichen Verhandlung am Dienstag (28. Oktober) in Karlsruhe beurteilten viele Experten die Geräte skeptisch. Vertreter des Bundesinnenministeriums halten dagegen "die Sicherheit für hinreichend". Rund zwei Millionen Wähler hatten bei der Bundestagswahl 2005 nicht mit Stift und Stimmzettel gewählt, sondern ihr Votum per Wahlcomputer abgegeben. Das Gericht prüft, ob durch deren Einsatz die in der Verfassung verankerten Grundsätze der freien, gleichen, geheimen und öffentlichen Wahl verletzt wurden. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.

Wahlcomputer seien grundsätzlich manipulierbar und gefährdeten das Prinzip der freien und geheimen Wahl, sagte der Hamburger Jurist Ulrich Karpen. Zudem werde das "Prinzip der Öffentlichkeit" bei einer Wahl als "demokratischem Urakt" verletzt, argumentierte der Vertreter der Beschwerdeführer. Manipulationen seien möglich, und unklar sei auch, ob Manipulationen im Nachhinein festgestellt werden können, erklärte der Informatiker Jörn Müller-Quade vom Europäischen Institut Systemsicherheit.

Ähnlich äußerte sich Melanie Volkamer vom Institut für IT-Sicherheit und Systemsicherheit der Universität Passau. Der Bonner Jurist Wolfgang Löwer kritisierte, bei Wahlcomputern sei die Kontrollierbarkeit nicht sichergestellt. Das blinde Vertrauen in Computer sei "unerträglich".

Beschwerdeführer Ulrich Wiesner, Informatiker aus Neu-Isenburg, sieht hier "zusätzliche Risiken", die einzugehen "nicht notwendig" sei. Wiesner und sein juristischer Beistand halten zudem die angewendete Technik "für nicht ausgereift". Diese befinde sich auf dem Stand der 80er Jahre. Wiesner hat zusammen mit seinem Vater, dem Politikwissenschaftler Joachim Wiesner, die Beschwerde in Karlsruhe eingereicht.

Vertreter des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht stellten mehrfach kritische Nachfragen zur Praktikabilität von Wahlcomputern. Der Berichterstatter des Senats, Verfassungsrichter Rudolf Menninghoff, verwies auf die Niederlande und Irland. In beiden Ländern seien unabhängige Experten zu dem Ergebnis gekommen, dass das Wahlverfahren mit Papier und Stift der "elektronischen Urne" überlegen sei. Der niederländische Ministerrat habe daher im Mai 2008 beschlossen, Wahlen künftig nur noch mit Stift und Papier zuzulassen.

Auch sei von Problemen beispielsweise bei der hessischen Landtagswahl 2008 und den Kommunalwahlen in Brandenburg berichtet worden, sagte Menninghoff. Er führte ferner Probleme mit solchen Geräten in den USA an.

Beobachter der Verhandlung in Karlsruhe konnten in der Sitzung aber kein eindeutiges Stimmungsbild erkennen, in welche Richtung das Gericht tendieren wird. Die Wahlbeschwerde, die Bundestagswahl 2005 wegen der Verwendung von Wahlcomputern für ungültig zu erklären, blieb in der Anhörung weitgehend unbeachtet.

Wahlcomputer waren in Deutschland bereits 1999 zur Europawahl und später bei den Bundestagswahlen 2002 und 2005 im Einsatz. Bei der Bundestagswahl wurden sie in 39 der 299 Wahlkreise eingesetzt, und zwar in den Bundesländern Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Am 28-10-2008