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Gewerkschaften und Globalisierungskritiker warnen vor Dienstleistungsrichtlinie

Demos in Straßburg und Berlin

Gewerkschaften und Globalisierungskritiker haben am Freitag vor den "weitreichenden, negativen Folgen" der geplanten EU-Dienstleistungsrichtlinie gewarnt. Die Dienstleistungsrichtlinie sei im Kern antieuropäisch, kritisierten Attac, die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): Sozial- und Lohndumping seien ihre Folgen. Sie forderten einen Verzicht auf das sogenannte Herkunftslandsprinzip. Demonstrationen am 11. und 14. Februar sollen sie Druck auf die Bundesregierung und das EU-Parlament ausüben.

"Offenbar haben die EU-Politiker die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt: Die Menschen haben die Nase voll von einseitiger, neoliberaler Politik im Interesse großer Konzerne", sagte Sven Giegold vom Attac-Koordinierungskreis. Die Ablehnung der Verfassung in Frankreich und Belgien, der massive Protest gegen die Hafenrichtlinie und die europaweiten Demonstrationen gegen die Dienstleistungsrichtlinie zeigten, dass die EU ihre Bürger nicht länger ignorieren könne, so Giegold.

"Statt weiterer rücksichtsloser Liberalisierung brauchen wir verbindliche soziale und ökologische Standards in Europa." Er betonte, dass die Wirtschaftslobby in Europa gut vernetzt sei und großen Einfluss auf die EU-Kommission ausübe. "Nur wenn sich auch Gewerkschaften und soziale Bewegungen europaweit verbünden, können sie der Konzernmacht etwas entgegensetzen", sagte der Attac-Sprecher. Die geplanten Demonstrationen seien ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Die Gewerkschaft GEW forderte, das Bildungswesen aus dem Geltungsbereich der Richtlinie herauszunehmen. "Bildung ist Teil der Daseinsvorsorge für alle Menschen in unserer Gesellschaft", sagte der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne. Sie sei wie der Gesundheitsbereich öffentliche Aufgabe und dürfe "nicht zum Spielball wirtschaftlicher Profitinteressen werden". Er warnte vor der drohenden "weiteren Privatisierung und Deregulierung" des Bildungsbereiches. "Qualitätsverluste des Angebots und die Zunahme der Chancenungleichheit sind die Folgen." Die Zeche zahlten die Beschäftigten und die Lernenden, sagte Thöne.

Eine bedarfsgerechte staatliche Planung von Bildungsangeboten werde es künftig nicht mehr geben, warnte Thöne. "Wo eine Bildungsfirma ihre Kita oder Hochschule aufmacht, entscheidet sie genauso autonom wie etwa die Lebensmittelkette Edeka", sagte der GEW-Vorsitzende. Er wies darauf hin, dass Weiterbildungs-, Hochschul- sowie der Kinder- und Jugendhilfebereich große Einfallstore böten, aber auch die Schulen nicht vor den Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie gefeit seien.

Nach Ansicht der IG BAU trifft die Richtlinie die gesamte Baubranche hart. Selbst in der Baubranche, die durch allgemeinverbindliche tarifliche Mindestlöhne und Entsendegesetz am besten gegen die Konkurrenz durch Auslandsbetriebe gewappnet scheine, mache die Richtlinie deren Kontrolle und Durchsetzung nahezu unmöglich, sagte Frank Schmidt-Hullmann, Leiter der Abteilung Internationales und Europäische Baupolitik der IG BAU. Auch die geplante Ausweitung des Entsendegesetzes und entsprechende Einführung von tariflichen Mindestlöhnen in der Gebäudereinigung würde konterkariert.

"In allen Branchen beginnt ein Einkommens-Senkungswettbewerb, den die europäischen Niedrigstlohnländer diktieren", kritisierte Schmidt-Hullmann. "Über Leiharbeit wären auch Industriebetriebe und Verwaltungen betroffen". Auch in deutschen Betrieben könne künftig ausländisches Arbeitsrecht gelten, wenn die Unternehmen ihren Sitz verlagerten. Tarifarbeit würde teilweise massiv behindert. "Bei jedem nach deutschem Recht legalen Streik müsste die Frage gestellt werden: Sind wir nach dem Recht des angeblichen Herkunftslandes überhaupt eine legale Gewerkschaft? Darf ich mich am Streik beteiligen, obwohl der Arbeitgeber sagt, dass Arbeiter in einem polnischen Kleinstbetrieb keinerlei Tarif- und Gewerkschaftsrechte haben?", sagte der IG BAU-Sprecher.

Für den 11. Februar hat ein breites Bündnis zu einer europaweiten Demonstration in Straßburg aufgerufen. Am 14. Februar will das Europaparlament über die Richtlinie entscheiden. Für diesen Tag sind Demonstrationen in verschiedenen europäischen Hauptstädten geplant, unter anderem in Berlin.