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Durchsuchung der Wohnung einer Richterin war verfassungswidrig

Rüge für Landgericht

Die Verfassungsbeschwerde einer Richterin, die sich gegen die Anordnung der Durchsuchung ihrer Wohnung wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen gewandt hatte, war erfolgreich. Im Rahmen der Durchsuchung war unter anderem auf die im Computer der Beschwerdeführerin gespeicherten Daten sowie auf die Einzelverbindungsnachweise ihres Mobilfunktelefons Zugriff genommen worden. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hob mit Urteil vom 2. März 2006 einstimmig die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts auf. Die Verfassungsrichter sahen durch die Hausdurchsuchung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Zudem sei wegen des "äußerst geringen" Tatverdachts seitens des Landgerichts dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung getragen worden.

Nach Auffassung der Verfassungsrichter war das Fernmeldegeheimnis nicht verletzt. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses ende in dem Moment, in dem die Nachricht bei dem Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet sei. Ein Nutzer könne sich bei den seiner Verfügungsmacht unterliegenden Geräten gegen den unerwünschten Zugriff Dritter durch vielfältige technische Vorkehrungen schützen. Die in einer Privatwohnung verfügbaren Daten einer Kommunikation seien daher nach einem bereits abgeschlossenen Kommunikationsvorgang nicht mehr vom Fernmeldegeheimnis erfasst.

Der Beschluss des Landgerichts zur Durchsuchung der Wohnung verletzten die Beschwerdeführerin nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts "aber in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung" nach Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz sowie in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Absatz.

Ein Durchsuchungsbeschluss, der zielgerichtet und ausdrücklich die Sicherstellung von Datenträgern bezwecke, auf denen Telekommunikationsverbindungsdaten gespeichert sein sollten, greife in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Fernmeldegeheimnis und Recht auf informationelle Selbstbestimmung stünden, soweit es den Schutz der Telekommunikationsverbindungsdaten betreffe, in einem "Ergänzungsverhältnis". Sofern das Fernmeldegeheimnis etwa nach Beendigung eines Telefonats nicht mehr greife, dann würden die personenbezogenen Verbindungsdaten durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Damit werde der besonderen Schutzwürdigkeit der Telekommunikationsumstände Rechnung getragen und die Vertraulichkeit räumlich distanzierter Kommunikation auch nach Beendigung des Übertragungsvorgangs gewahrt.

Beschränkungen dieses Rechts bedürften einer gesetzlichen Grundlage. Die gegebene Möglichkeit, auf der Grundlage der Strafprozessordnung auf Verbindungsdaten zugreifen zu können, ist nach Auffassung der Verfassungsrichter "für eine wirksame Strafverfolgung nicht nur geeignet und erforderlich, sondern auch angemessen".

Ein erheblicher Eingriff sowohl in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als auch in die Unverletzlichkeit der Wohnung bedürfe jeweils im konkreten Fall "einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit". Beim Zugriff auf die bei dem Betroffenen gespeicherten Verbindungsdaten sei auf deren erhöhte Schutzwürdigkeit Rücksicht zu nehmen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung müsse dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich um Daten handele, die außerhalb der Sphäre des Betroffenen unter dem besonderen Schutz des Fernmeldegeheimnisses stünden und denen im Herrschaftsbereich des Betroffenen ein ergänzender Schutz durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zukomme. "Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Verbindungsdaten sowie die Vagheit des Auffindeverdachts der Maßnahme entgegenstehen", heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.

Dem Schutz der Verbindungsdaten müsse bereits in der Durchsuchungsanordnung durch Vorgaben zur Beschränkung des Beweismaterials auf den tatsächlich erforderlichen Umfang Rechnung getragen werden. "Dabei ist vor allem an die zeitliche Eingrenzung der zu suchenden Verbindungsdaten zu denken oder an die Beschränkung auf bestimmte Kommunikationsmittel, wenn die Auffindung verfahrensrelevanter Daten in anderen Endgeräten des Betroffenen von vornherein nicht in Betracht kommt."

Die Beschlüsse des Landgerichts tragen nach Auffassung des Verfassungsgerichts dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung. "Der gegen die Beschwerdeführerin bestehende Tatverdacht war allenfalls als äußerst gering zu bewerten und vermochte keinesfalls die vorgenommenen schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte der Beschwerdeführerin zu rechtfertigen."

Das geringe Gewicht des Tatverdachts folge bereits aus der Vielzahl von Personen, die für die fragliche Weitergabe der Informationen in Betracht gekommen seien. Einige von ihnen seien allein aufgrund eigener Bekundungen als Verdächtige ausgeschlossen, andere überhaupt nicht in die Betrachtung einbezogen worden.

Auch die Geeignetheit der Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln war nach Auffassung des Verfassungsgerichts "von vorneherein zweifelhaft". Zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung seien bereits fast fünf Monate seit der mutmaßlichen Tat vergangen gewesen. "Der fragliche Tatverdacht und die erheblichen Zweifel an der Geeignetheit der Durchsuchung stehen außer Verhältnis zu dem Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht der Beschwerdeführerin auf informationelle Selbstbestimmung. Das Landgericht hätte von Verfassungs wegen von der Anordnung absehen müssen." (Aktenzeichen 2 BvR 2099/04)