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Nachrichten Syrien Rückblende

Syriens Staatschef in Deutschland - Proteste auch am zweiten Tag des Assad-Besuchs

Der Besuch des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad stand auch am zweiten Besuchstag im Zeichen öffentlicher Kritik. Dem syrischen Staatspräsidenten werden antisemitische und antiisraelische Äußerungen sowie Menschenrechtsverletzungen in seinem Land vorgeworfen. Die Bundesregierung erhofft sich dagegen von Syrien Bemühungen für eine Friedenslösung im Nahen Osten.

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sagte, die Bundesregierung wolle gemäß ihrer Leitlinie "Wandel durch Zusammenarbeit" die "syrische Reformpolitik" durch engere wirtschaftliche und politische Kontakte unterstützen.

Deutliche Kritik am Besuch Assads kam erneut vor allem von Seiten jüdischer Verbände. Die Präsidentin der französischen Vereinigung der Söhne und Töchter der deportierten Juden (FFDJF), Beate Klarsfeld, warf der Bundesregierung vor, für einen "Judenhasser" den roten Teppich ausgerollt zu haben. Klarsfeld beschuldigte Syrien erneut, es habe dem NS-Verbrecher Alois Brunner Zuflucht gewährt. Syrien hat dies dementiert, es gilt aber als gesichert, dass sich Brunner zumindest jahrzehntelang in Syrien aufhielt. Die Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden In Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte, solange Assad sich "den Aufrufen zum Terror gegen Israel verpflichtet fühlt", hätte ihm die Ehre einer Einladung als Staatsgast nicht zuteil werden dürfen.

Seitens des Außenministeriums verlautete dazu, Außenminister Joschka Fischer (Grüne) habe im Gespräch mit Assad darauf hingewiesen, das aus seiner Sicht im Rahmen der Bemühungen um einen Frieden im Nahen Osten die "politische Rhetorik" geändert werden müsse.

Nach Polizeiangaben protestierten am Mittwoch rund 350 syrische Kurden friedlich vor dem Reichstag gegen den Besuch Assads. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GbV) warf Assad vor, Kurden würden in Syrien verfolgt und unterdrückt.

Auch amnesty international und Reporter ohne Grenzen prangerten an, in Syriens Gefängnissen säßen hunderte politische Gefangene.

Am 12-07-2001

Pro Asyl

Als skandalös hat Amnesty International (ai) Medieninformationen bewertet, wonach der deutsche Staatsbürger syrischer Herkunft Mohammed Haydar Zammar in Syrien von Beamten deutscher Geheimdienste und des Bundeskriminalamts verhört wurde. Zammar war Presseberichten des "Spiegel" zufolge 2001 vom US-amerikanischen Geheimdienst nach Syrien entführt worden. ai fordert die Bundesregierung auf, den Vorfall und die Rolle der beteiligten deutschen Geheimdienste sowie des BKA aufzuklären.

"Der Spiegel" berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, Beamte des Bundesnachrichtendienstes, des Bundesverfassungsschutzes und des Bundeskriminalamts seien im November 2002 nach Damaskus gereist, um Zammar - der zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Jahr als "verschwunden" galt - drei Tage lang zu verhören. Gegenstand der Verhöre waren offenbar Zammars Kontakte zu radikalen, gewaltbereiten Islamisten und den Attentätern, die die Anschläge des 11. September 2001 ausgeführt haben.

"Wenn der Bericht des 'Spiegel' zutrifft, haben deutsche Beamte in einem Land, dass für Folter bei Verhören bekannt ist, einen deutschen Häftling verhört, ohne sich für ein rechtsstaatliches Verfahren einzusetzen", sagte Ruth Jüttner, Nahost-Expertin von ai. "Das ist ein Skandal! Den Beamten musste klar sein, dass Zammar völkerrechtswidrig entführt, an geheimem Ort festgehalten sowie sehr wahrscheinlich gefoltert wurde. Die deutschen Behörden haben sich der unterlassenen Hilfeleistung, wenn nicht der Komplizenschaft mit den syrischen Behörden schuldig gemacht, die für das "Verschwindenlassen" und die unmenschliche Behandlung Zammars verantwortlich sind."

Mohammed Haydar Zammar wurde im Herbst 2001 in Marokko festgenommen und vermutlich nach Syrien entführt. Seitdem gilt Zammar als "verschwunden". Mitgefangene berichteten ai, dass Zammar ohne Kontakt zur Außenwelt in einer unterirdischen Einzelzelle des "Far Falastin", einer Haftanstalt des Militärgeheimdienstes in Damaskus, inhaftiert ist. Das Far Falastin ist für routinemäßige schwerste Folter berüchtigt. Es liegen Hinweise vor, dass Zammar während seiner Haft gefoltert wurde. Zeugen berichten, er sei extrem abgemagert.

"Geheimdienste und Behörden operieren nicht im rechtsfreien Raum. Insbesondere das BKA ist verpflichtet, eigene Ermittlungen einzuleiten, wenn es Hinweise dafür gibt, dass Deutsche im Ausland Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen werden," sagte Jüttner. Das Auswärtige Amt scheint von den beteiligten Behörden über den Vorgang nicht informiert worden zu sein. Statt dessen versuchte es über seine Botschaft in Damaskus mehrfach erfolglos, eine Besuchserlaubnis und konsularische Betreuung für Zammar zu erwirken.

Am 24-11-2005

Irak & Syrien

Nach der Razzia gegen als "islamistische Schleuser" bezeichnete Personen am Mittwoch ist am Donnerstag auch gegen den zweiten Beschuldigten ein Haftbefehl erlassen worden. Dem 36-jährige Syrer wird vorgeworfen, mit Hilfe gefälschter Reisedokumente und erschlichener Einreisevisa Menschen aus dem Irak und Syrien nach Europa eingeschleust haben, wie die Polizei am Donnerstag in München mitteilte.

Die Polizei hatte bei der Razzia in Bayern und Niedersachsen einen 48-jährigen Iraker und den Syrer wegen Verdachts auf illegale Einschleusungen nach Europa festgenommen. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die Verdächtigen auch Verbindungen zu Personen aus dem Umfeld der Terrororganisation Ansar al-Islam haben, hieß es.

Am 11-05-2006

Ausgeschöpfte Ölreserven

Syrien "muss" den Rückgang der Ölproduktion im Zuge ausgeschöpfter Ölreserven kompensieren und neue Wachstumsfelder erschließen, meint jedenfalls das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Wachstumspotential liege in der Liberalisierung des Handels vor allem mit den arabischen Ländern und im Ausbau der Gasproduktion. Die deutschen "Wirtschaftsforscher" verlangen von Syrien "die erfolgreiche Umsetzung marktwirtschaftlicher Reformen, die Maßnahmen zur systematischen Liberalisierung und Verbesserung des gesamten institutionellen Rahmens umfassen".

Zwar sei die syrische Wirtschaft seit dem Jahr 2000 - nicht zuletzt aufgrund der steigenden Ölpreise - stetig gewachsen, doch ihre Struktur habe sich nur wenig verändert. Erdöl und Erdölprodukte haben laut DIW immer noch einen Anteil am Gesamtexport von 70 Prozent. Die Entwicklung sei in den letzten Jahren von abnehmender Ölproduktion, entsprechend rückläufigen Ölexporten und einer Verschlechterung der Leistungsbilanz gekennzeichnet gewesen.

Ende 2005 habe die Regierung beschlossen, die Planwirtschaft schrittweise in eine soziale Marktwirtschaft zu überführen. "Ein umfassendes konsistentes Reformprogramm fehlt allerdings noch." Der Bankensektor ist nach Auffassung der deutschen Wirtschafsforscher "extrem unterentwickelt": So seien im Jahr 2005 nur 4 Prozent aller Investitionen mit Bankkrediten finanziert worden - entsprechend wenig Zinsen müssen die Gewerbetreibenden demnach an Zinsen an die Banken zahlen. Dennoch: "Der Aufbau eines institutionellen Rahmens für das Finanzsystem und eine effektive Finanzaufsicht steht erst am Anfang", schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.

"Staatliche Vorleistungen für private Investitionen"

Infolge der sinkenden Ölproduktion wachse das Staatsdefizit ständig. "Staatliche Vorleistungen für private Investitionen" seien deshalb kaum möglich. Um die staatlichen Einnahmen zu erhöhen, schlagen die Wirtschaftsforscher aus Deutschland vor, neue Steuern zu erheben: "Für eine Verbreiterung der Steuerbasis besteht allerdings erheblicher Spielraum, da es derzeit weder eine Umsatzsteuer noch eine Mineralölsteuer gibt.

Als Begründung für die neuen Steuern gibt das Wirtschaftsforschungsinstitut dann merkwürdigerweise an, diese sollten zur Schaffung eines Sozialversicherungssystems eingesetzt werden. Und: "Subventionen" und Regulierungen sollten schrittweise abgebaut werden.

Am 29-09-2006

DIE LINKE in Bundestag

Gehen wir in der Zeit ein wenig zurück, um zu betrachten, wie die deutsche Politik mit dem Thema Syrien umgeht. Pressemagazine wie der Spiegel aber auch andere Medien berichteten darüber, dass sich die Linke mit dem Assad Regime solidarisiere. Daraufhin verlangte die Bundesregierung eine "Aktuelle Stunde" unter dem Titel: "Solidarität von LINKEN-Abgeordneten mit dem syrischen Präsidenten Assad" im Bundestag". Auch hier wurden die Anschuldigungen wiederholt vorgetragen. So Dr. Andreas Schockenhoff (CDU) wörtlich: "Sie nehmen nicht zur Kenntnis, dass es keineswegs der Westen ist, der ein militärisches Eingreifen fordert; der NATO-Generalsekretär hat dies bereits vor Monaten ausgeschlossen. Vielmehr sind es führende Stimmen aus der syrischen Opposition, die dies fordern, ebenso wie zuletzt hochrangige Vertreter der Arabischen Liga. Sie nehmen auch nicht zur Kenntnis, dass die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in ihrem Bericht von Ende November eindeutig Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien festgestellt hat. Sonst schwadroniert die Linke gerne darüber, dass mit militärischen Interventionen angeblich Rohstoffinteressen gesichert werden sollen."

Ulrich Maurer (DIE LINKE) warf der Union Heuchelei vor. Er stellte klar, dass die Bundesregierung eine lange Tradition der Kollaboration mit dem Assad Regime pflege. Er kritisierte den fehlenden Passus der Gewalt durch das Assad Regime gegen seine Bürger, wies aber auf die internationale Ärzte-organisation IPPNW hin, die diese Gewalt in aller Deutlichkeit benannte. Im Kern zitierte Maurer aus Presseerklärungen von Unionspolitikern, wie z. B. der von Erika Steinbach (Fraktion CDU-CSU) in der Rheinischen Post vom 17. 01. 2012: "Wenn am Ende überall der islamische Fundamentalismus obsiege, werde man vielleicht sagen müssen, dass für Christen die Regime von Mubarak und Co. das kleinere Übel waren."

Desweiteren bezog sich Ulrich Maurer auf Parlamentsdokumente, wo auf Anfrage der Fraktion die LINKE die Bundesregierung eingeräumt hatte, "dass noch 2011 insgesamt 166 Menschen aus Deutschland nach Syrien abgeschoben werden sollten. Darunter Dekateure, die sich gegen Assad gewandt haben". Er beschrieb die Vorgehensweise der Bundesregierung, indem er darlegte, dass diese Menschen nach Ungarn abgeschoben werden sollten, obwohl deutlich war, dass Ungarn sie direkt nach Syrien ausliefere. Weitere Zitate aus Protokollen des Bundestages zeigten, dass DIE LINKE sich schon immer für die Verfolgten des Assad Regimes stark gemacht hatte. Doch waren es die CDU, CSU, SPD, FDP und die Grünen, die den Antrag der LINKEN mit der Forderung: "Solidarität mit den Demokratie-bewegungen in den arabischen Ländern. Beendigung der deutschen Untertützung von Diktatoren" ablehnten.

Am 23-04-2012

Türkisch-syrische Grenze für Flüchtlinge öffnen

Dass syrische Flüchtlinge vor verschlossenen Grenzen stehen, während sich die Staatengemeinschaft über die syrische Tragödie empört, ist nicht hinnehmbar. PRO ASYL begrüßt die Ankündigungen des CDU-Generalsekretärs Volker Kauder, zu einem Aufnahmeprogramm für Syrienflüchtlinge kommen zu wollen. „Geld allein reicht nicht. Europa muss Flüchtlinge im Rahmen eines Sofortprogramms aufnehmen“, forderte der Geschäftsführer von PRO ASYL, Günter Burkhardt. Nachdem die Türkei als eines der Hauptaufnahmeländer am Wochenende zum ersten Mal Tausende syrische Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen hat und viele Syrienflüchtlinge unter menschenunwürdigen Umständen in jordanischen Wüstenlagern leben, ist eine zügige europaweite Aufnahmeaktion das Gebot der Stunde. „Wer die Türkei zur Öffnung ihrer Grenze bewegen will, darf sie mit dem Problem der Syrienflüchtlinge nicht allein lassen“, sagte Günter Burkhardt.

Ein Abstimmungsprozess innerhalb der EU darf allerdings nicht dazu führen, dass es zu Verzögerungen bei der Aufnahme kommt. Deutschland könnte bereits jetzt Verwandte von hier lebenden syrischen Staatsangehörigen in einem vereinfachten Visumsverfahren aufnehmen.

Auch die in Deutschland lebenden syrischen Staatsangehörigen haben massive Probleme, die es jetzt zügig zu lösen gilt. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2012 stellten 1.623 Syrerinnen und Syrer einen Asylantrag – mit guten Chancen. Die Gesamtschutzquote lag bei 94,5 Prozent.

Über diese aus der aktuellen Situation in Syrien resultierende Schutzbereitschaft darf nicht vergessen werden, dass syrische Flüchtlinge in Deutschland über lange Jahre hinweg keinen adäquaten Schutz erhalten haben. Deshalb gibt es mehr als 3.400 Syrer, die lediglich mit einer Duldung in Deutschland leben, mehr als 2.000 von ihnen leben bereits länger als sechs Jahre in Deutschland. Parallel zum angekündigten Aufnahmeprogramm müsste die aufenthaltsrechtliche Situation dieses Personenkreises geregelt werden, soweit sie nicht inzwischen einen Asylfolgeantrag vor dem Hintergrund der veränderten Situation gestellt haben.

Absurd ist es, dass sich trotz der jetzt seit mehr als einem Jahr andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien die Innenministerkonferenz lediglich zu einer erneuten halbjährigen Verlängerung des Abschiebungsstopps durchringen konnte. Selbst nach einem Sturz des Assad-Regimes würde die aktuelle Krise jedoch nicht binnen einiger Monate beendet sein. PRO ASYL fordert deshalb die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen statt der bisherigen Duldungen.

Eine wenig beachtete Personengruppe sind etwa 2.000 syrische Studentinnen und Studenten, die in Deutschland leben. Viele haben existenzielle Probleme. Sie können ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern, weil Geldtransaktionen aus Syrien nicht mehr möglich sind. Hier muss ebenfalls schnell und möglichst unbürokratisch geholfen werden. Ein Abdrängen der Betroffenen ins Asylsystem wäre unsinnig, auch wenn viele syrische Studierende durch die Entwicklung der Ereignisse faktisch zu Flüchtlingen geworden sind.

Schließlich muss ein Schlussstrich unter die jahrelange Kollaboration deutscher Regierungen mit dem Assad-Regime gezogen werden. Zwingend ist es deshalb, das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen zu kündigen. Der skandalöse Vertrag mit einem Folterstaat, auf dessen Basis Menschen in syrische Haft- und Folterzellen abgeschoben wurden, existiert bis heute.

Am 28-08-2012

Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

"Die Haltung der Bundesregierung gegenüber den syrischen Flüchtlingen ist schäbig", erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, zum Tag des Flüchtlings am 28. September. "Die Nachbarländer Syriens haben Zehntausende von Flüchtlingen aufgenommen und sind dringend auf Entlastung angewiesen. Da ist es schlichtweg verantwortungslos, wenn die Bundesregierung die Hände in den Schoß legt und darauf verweist, sie nehme 300 Flüchtlinge pro Jahr auf. In den wesentlich ärmeren Ländern im Nahen Osten kommen an einem einzigen Tag mehr Flüchtlinge an als in Deutschland im ganzen Monat." Jelpke weiter:

"Erforderlich ist also die Aufnahme eines bedeutenden Kontingents von Flüchtlingen aus den überforderten Nachbarländern Syriens. Dies muss EU-weit koordiniert werden, national aber kann und muss die Bundesregierung sofort handeln. Zu den wichtigsten Schritten gehören ein sicheres Bleiberecht und der Verzicht auf Hin- und Herschieben der Flüchtlinge innerhalb der EU, wie es bislang nach der Dublin-Verordnung geschieht.

Vor allem aber müssen die EU-Außengrenzen offen sein für Menschen in Not. Die gängige Abschottungspolitik der EU und das Wirken der sogenannten Grenzschutzagentur FRONTEX stehen dem entgegen. Hier bedarf es eines radikalen politischen Wandels, der von der LINKEN bereits seit Jahren eingefordert wird.

Die Fraktion DIE LINKE hat gestern einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der entsprechende Forderungen enthält, wie sie heute auch von amnesty international und Pro Asyl erhoben worden sind. (Bundestagsdrucksache 17/10786 "Für einen wirksamen Schutz und die Aufnahme syrischer Flüchtlinge in der Europäischen Union und in Deutschland")."

Pressemitteilung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Ulla Jelpke

Am 26-09-2012

Pressemitteilung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

„Aus der Waffenruhe in Syrien sollte die Bereitschaft wachsen, über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Dafür spricht im Moment noch wenig. Aber keine Gelegenheit, die Gewalt zu beenden, darf ungenutzt verstreichen“, so Wolfgang Gehrcke zu der vom internationalen Sondergesandten Lakhdar Brahimi vermittelten Feuerpause während des islamischen Opferfestes in Syrien. Das Mitglied im Vorstand der Fraktion DIE LINKE weiter:

„Die Bundesregierung ist jetzt aufgefordert, nachdrücklich den ‚Rebellengruppen‘ klar zu machen, dass diese Waffenruhe eingehalten werden muss. Die syrische Regierung unter Präsident Assad sollte die Waffenruhe - völlig unabhängig davon, wie sich die einzelnen Rebellenformationen verhalten - beschließen und, soweit es in ihrer Verantwortung liegt, durchsetzen. Eine Waffenruhe ist im Interesse der Bevölkerung, sie muss zum muslimischen Opferfest die Chance haben, einige Tage ohne Gewalt zu verbringen.

Waffenruhe zum muslimischen Opferfest ist die erste gute Nachricht seit 18 Monaten aus Syrien. Außerdem ist dieser Schritt ein Erfolg für den UN-Sonderbotschafter Lakhdar Brahimi. Dafür dankt ihm die Fraktion DIE LINKE.“

Am 25-10-2012

Ärzteorganisation (IPPNW)

Die lehnt eine Militärintervention in Syrien ab. Es kann nur eine diplomatische Lösung des Konflikts geben. Die Kriegsvorbereitungen müssen sofort gestoppt werden. „Wir fordern die Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, jedwede Beteiligung Deutschlands an einem Krieg gegen Syrien öffentlich auszuschließen und keine weiteren Waffen mehr in umliegende Länder zu liefern“, erklärt die IPPNW-Vorsitzende Susanne Grabenhorst. Ausgeschlossen werden müssen auch die Lieferung von Dual-Use-Gütern, die Entsendung von Ausbildern oder eine entsprechende Unterstützung der syrischen Konfliktparteien durch ihre jeweiligen Verbündeten. Die Entscheidung der Europäischen Union über eine Lockerung von Rüstungslieferungen an syrische Rebellen muss sofort wieder aufgehoben werden.

Jegliche deutsche Solidarität kann nur den Menschen in Syrien und in den Flüchtlingslagern gelten. Die Ärzte und Ärztinnen weisen besonders daraufhin, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzen muss, dass die Menschen in Syrien freien und sicheren Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Angriffe auf medizinisches Personal und Einrichtungen verstoßen gegen das internationale Völkerrecht.

Die IPPNW verurteilt jeglichen Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Dazu zählen auch Chemiewaffen. Bisher hat Syrien die Chemiewaffenkonvention von 1992 weder unterzeichnet noch ratifiziert und hat sich damit seit Jahren der Überwachung durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag entzogen.

Angesichts der erhobenen Vorwürfe eines wiederholten Chemiewaffeneinsatzes in Syrien fordert die IPPNW von allen am Konflikt beteiligten Kräften, für die Sicherheit der UN-Inspekteure zu sorgen. Die Ankündigung von US-amerikanischen, englischen und französischen Politikern, ohne UN-Mandat Militärschläge durchzuführen, bevor die Ergebnisse der Untersuchung bekannt sind, ignoriert in verantwortungsloser Weise den wichtigsten völkerrechtlichen Rahmen für Friedenserhaltung: die Charta der Vereinten Nationen. Jegliche Untersuchung der vorgefundenen Hinweise und deren Beurteilung muss ohne Vorverurteilung erfolgen. Nur so kann ein Gutachten erfolgen, auf dessen Grundlage die internationale Gemeinschaft ihre weiteren Handlungen überdenkt. Auf keinen Fall kann die Reaktion auf ein mutmaßliches Kriegsverbrechen eine Intensivierung des Krieges sein.

Als erster Schritt für eine politische Lösung ist ein Waffenstillstand notwendig. Für diese Option müssen die Möglichkeiten der Kooperation zwischen den westlichen Staaten, der Arabischen Liga, Russland und China aber auch der regionalen Nachbarmächte wie Iran zugunsten einer friedlichen Lösung des Konfliktes ohne Vorbedingungen genutzt werden. Dies ist Aufgabe der Vereinten Nationen.

Eine solche Kooperation würde zumindest auf dem Verständnis beruhen, dass einer Sicherung der eigenen geopolitischen und regionalen Interessen auf Kosten der Toten und auf den Rücken der Verletzten des syrischen Bürgerkrieges keine Zukunft beschert ist. Auf dieser Grundlage könnten Verhandlungen über die zukünftige Gestaltung Syriens mit Blick auf auf regionale Kooperation statt Konfrontation geführt werden.

Schließlich fordert die IPPNW erneut, dass die Bundesregierung alle erdenklichen Anstrengungen unternimmt, um den Inlandsflüchtlingen und den Flüchtlingen, die benachbarte Länder erreichen konnten, tatkräftig zu helfen. Dazu gehört auch, dass Deutschland sie ohne Zahlenbegrenzung in großzügiger Weise aufnimmt.

Am 28-08-2013

GEW Hessen:

Die GEW Hessen verurteilt den menschenverachtenden Giftgaseinsatz auf Zivilisten in Syrien. Mit großem Bedauern müssen wir feststellen, dass es der internationalen Gemeinschaft bisher nicht gelungen ist, die Bürgerkriegssituation in Syrien mit diplomatischen Mitteln beizulegen. Mit großer Besorgnis und Unruhe sehen wir heute die Kriegsvorbereitungen der USA und Frankreichs. Der geplante Angriff bringt keine Lösung, sondern im Gegenteil eine Verschärfung der Situation in Syrien.

Noch während die UN-Kontrolleure den Giftgasangriff untersuchen, standen die Verantwortlichen für die USA und ihre Verbündeten bereits fest: Giftgas wurde eingesetzt; und zwar von der Syrischen Regierung. Gegen jede Rechtsstaatlichkeit, ohne jeden Beweis und aufgrund von Vermutungen sollen nun wieder einmal „gezielte Angriffe“ auf syrische Regierungstruppen erfolgen. Wieder einmal wird suggeriert, es würden keine Unschuldigen getroffen.

Das Beispiel Irak zeigte in der Vergangenheit bereits die skrupellose Vorgehensweise einer „Allianz der Willigen“, die unter Bruch der Charta der Vereinten Nationen und unter Inkaufnahme zahlloser Menschenrechtsverletzungen den Menschrechtsinterventionismus begründete, um ihre Interessen durchzusetzen. Dabei wurden durch Außenminister Colin Powell dem Sicherheitsrat der UNO vorgebliche „geheimdienstliche Beweise für Massenvernichtungswaffen“ zur Begründung des Angriffs auf den Irak vorgelegt, die nicht belastbar waren. Wenn sich die USA heute auf „Geheimdienstinformationen“ berufen, um den Angriff auf die Regierungstruppen Assads zu rechtfertigen, sind diese von zweifelhafter Glaubwürdigkeit.

Es ist unverantwortlich, unter einem Vorwand zusätzlich zu den bestehenden Krisengebieten einen weiteren internationalen Krieg in Nahost anzuzetteln. Krieg ist nicht das Mittel zur Lösung von Konflikten, sondern – wie die permanenten Anschläge im Irak und anderswo zeigen – zur Schaffung viel größerer Probleme.

Auch aus diesem Grund lehnen wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, als Pädagoginnen und Pädagogen Krieg als Mittel der Politik ab. Ebenso treten wir für das Völkerrecht ein und können es nicht hinnehmen, dass die USA mit „einer Koalition der Willigen“ erneut ohne einen Beschluss der Vereinten Nationen einen Krieg beginnen.

Wir fordern die Bundesregierung auf, gegen diesen Kriegseinsatz Stellung zu beziehen und alles zu tun, die Nato-Staaten von diesem Vorhaben abzubringen.

Wir fordern auch, endlich die Chemiewaffenkonvention der Vereinten Nationen einzuhalten, entsprechend zu kontrollieren und die Vernichtung aller chemischen Waffen sicherzustellen.

Am 03-09-2013

Mehr Flüchtlinge aufzunehmen ist ein Gebot der Humanität

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW hat Bundesinnenminister Friedrich heute in einem Brief aufgefordert, das Flüchtlingskontingent aufgrund der katastrophalen humanitären Situation in Syrien und den Nachbarstaaten deutlich aufzustocken. „Angesichts von mindestens 4.000.000 Binnenflüchtlingen im syrischen Kriegsgebiet und 2.000.000 syrischen Flüchtlingen in den Nachbarländern handelt es sich bei den 5.000 Menschen um eine beschämend geringe Zahl. Das menschliche Leid hat durch die Kriegssituation ein unvorstellbares Ausmaß angenommen“, erklärt Dr. Sabine Farrouh, IPPNW-Vorstandsmitglied.

Die Bundesregierung solle sich darüber hinaus für eine unbegrenzte Aufnahme syrischer Flüchtlinge in der EU einsetzen und diesbezüglich dem Beispiel Schwedens folgen. Das sei ein Gebot der Humanität. „Ferner ist es notwendig, dass die Einreisebedingungen - analog der Flüchtlingssituation während des Bosnien-Kriegs - unbürokratisch gehandhabt werden. Ein Familiennachzug ist zu ermöglichen. Monatelanges Warten auf einen Botschaftstermin, um ein Visum zu beantragen, ist aufgrund der aktuellen Situation inakzeptabel“, heißt es in dem Brief.

Viele der nach Deutschland kommenden syrischen Flüchtlinge bedürfen des besonderen Schutzes. Aufgrund der durchlittenen Kriegs- und Gewalterfahrungen muss angenommen werden, dass viele von ihnen traumatisiert sind. Für sie ist ein sicherer Aufenthalts- bzw. Flüchtlingsstatus unabdingbar. Sie müssen krankheitsgerecht untergebracht werden und flächendeckend Zugang zu einer fachgerechten Gesundheitsversorgung bekommen. Sie brauchen Traumatherapie und psychosoziale Rehabilitation.

Die IPPNW appelliert zudem an die Bundesregierung, die Mittel für die humanitäre Hilfe des IRK/DRK in Syrien deutlich aufzustocken ebenso wie die der UN-Organisationen, um den vom Bürgerkrieg betroffenen Menschen zu helfen, die in Syrien und den Nachbarländern bleiben müssen.

Am 12-09-2013

Waffenstillstand und Verhandlungen ohne Vorbedingungen

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW erhofft sich von der internationalen Syrien-Friedenskonferenz („Genf-II“) in Montreux nach fast drei Jahren Gewalt und Zerstörung konkrete Fortschritte im Hinblick auf ein Ende des Krieges, z.B. die Vereinbarung lokaler und regionaler Waffenstillstände. Sie fordert die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass bei der Konferenz alle am Krieg beteiligten inländischen und ausländischen Kräften ohne Vorbedingungen beteiligt werden. Ziel der Konferenz müsse ein demokratisches, multi-ethnisches und multi-religiöses Syrien sein.

„Ein besonderer Stellenwert für die friedliche politische und gesellschaftliche Entwicklung des Landes gebührt den Frauen Syriens“, heißt es in einem Appell der Ärzteorganisation. Die IPPNW unterstützt die Ziele der „Syrien Womens Charter“, die ein breites Frauenbündnis Anfang Januar in Damaskus verabschiedet hat.

Die umfassenden Sanktionen gegen Syrien müssen beendet und jegliche militärische Förderung des Konfliktes von außen gestoppt werden. Das würde einen von der internationalen Gemeinschaft getragenen konsequenten Bann gegen Waffenlieferungen an die inner-syrischen Konfliktparteien sowie ein Ende jeglicher militärischer Präsenz in der Region beinhalten. Das betrifft auch die deutschen Nato-Raketeneinheiten an der türkisch-syrischen Grenze oder Marineeinheiten im Mittelmeer. Deutschland müsse zudem aufgrund der katastrophalen humanitären Situation in Syrien und den Nachbarstaaten deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen.

In Teilen Syriens ist die Versorgungssituation katastrophal. So steht etwa das Flüchtlingslager Yarmouk im Süden von Damaskus am Rande einer humanitären Katastrophe. Lebensmittel, Säuglingsmilch und Medikamente sind vollständig aufgebraucht und es gibt kein ärztliches Personal mehr. Am Wochenende gelangten erstmals seit vier Monaten Hilfsgüter ins das Lager. „Wir hoffen, dass in Montreux in einem ersten Schritt lokale und regionale Waffenstillstände vereinbart werden, damit die notleidende Bevölkerung und die Flüchtlinge in Syrien endlich versorgt werden können“, so Penteker.

Die IPPNW-Ärztin Dr. Gisela Penteker war vom 7.-13. Januar 2014 gemeinsam mit einer kleinen Delegation des Bundestagsabgeordneten Jan van Aken im Norden Syriens. Dort haben Kurden, Christen und Araber gemeinsam basisdemokratische Selbstverwaltungsstrukturen geschaffen. Die ganze Region unterliegt einem Embargo und die Menschen sind ständigen Angriffen sowohl von Assad-Truppen als auch Dschihadisten ausgesetzt. Bei Interesse vermittele ich Ihnen gerne ein Interview mit der Ärztin.

Am 20-01-2014

MISEREOR fordert Deutschland zu noch mehr Großzügigkeit auf

Die Lage der syrischen Flüchtlinge im Libanon wird zunehmend verzweifelter. Das berichtete MISEREOR-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon unmittelbar nach Rückkehr von einer Reise ins Krisengebiet, die ihn in der vergangenen Woche in den Nordirak wie auch in den Libanon geführt hatte. "Während in Genf zäh verhandelt wird, kommen nur im Libanon jeden Tag 3000 neue Flüchtlinge an", sagte Bröckelmann-Simon, der im Vorstand des katholischen Hilfswerks für den Bereich Internationale Zusammenarbeit zuständig ist. "Viele der Flüchtlinge, die ich in Irak und Libanon getroffen habe, leben seit drei Jahren unter äußerst schwierigen Bedingungen ohne wirkliche Perspektive. Hilflos sind sie zwischen die Mahlsteine der Global- und Regionalpolitik geraten." An die ab heute in Genf wieder anlaufenden Verhandlungen über ein Ende des Syrien-Krieges knüpften die Menschen in der betroffenen Region nur sehr geringe Erwartungen, obwohl sie weiter inständig auf eine baldige Rückkehr in ihre Heimat hofften.

"Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, alles dafür zu tun, dass die Waffen schweigen, die humanitäre Versorgung gewährleistet bleibt und die Flüchtlinge sichere Rückzugsgebiete erhalten", appellierte Bröckelmann-Simon an die Genfer Konferenz. "Zudem wird es von großer Bedeutung sein, dass es nach Ende der Verhandlungen keine Gewinner gibt, sondern ein fairer Interessensausgleich stattfindet. Verlierer sind eigentlich alle jetzt schon, insbesondere die Flüchtlinge. Diese sitzen jedoch nicht mit am Verhandlungstisch."

Darüber hinaus forderte er von der Europäischen Union, insbesondere aber auch von Deutschland, mehr Großzügigkeit bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Im Libanon seien zurzeit etwa 900.000 Menschen offiziell registriert, die vor den Kämpfen im Nachbarland geflohen sind. Einschließlich der Dunkelziffer gehe das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR jedoch von bis zu 1,4 Millionen Flüchtlingen aus, bis zum Jahresende drohe ein Anstieg auf zwei Millionen Menschen. Hinzu kämen die schon längere Zeit im Land lebenden Flüchtlinge aus den Palästinensergebieten, Armenien und dem Irak.

Der ohnehin krisengeplagte Libanon sei angesichts solcher Dimensionen mit seinen vier Millionen Einwohnern überfordert, den Flüchtlingen angemessene Lebensbedingungen zu bieten. "Verglichen mit dem prozentualen Anteil an der Gesamtbevölkerung würde eine solche Situation für Deutschland bedeuten, dass wir in kürzester Zeit zwischen 20 und 25 Millionen Flüchtlinge aufnehmen müssten und die Hälfte aller Schulkinder Flüchtlingskinder wären", beschreibt Bröckelmann-Simon die Lage.

"Es wäre für Deutschland ohne Probleme machbar, wenn wir 100.000 Flüchtlinge aufnehmen würden. In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren z.B. 320.000 bosnische Flüchtlinge bei uns und wurden willkommen geheißen. Auch das haben wir gut verkraftet." Bislang hat Deutschland die offizielle Aufnahme von 10.000 Flüchtlingen aus Syrien zugesagt. Weitere rund 25.000 Syrer sind zwischen 2011 und 2013 selbstständig nach Deutschland eingereist.

Bröckelmann-Simon lobte die "unglaublich große Hilfsbereitschaft der libanesischen Bevölkerung", die auch zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften in vorbildlicher Weise praktiziert werde. Doch die zunehmende Konkurrenz um Arbeitsplätze und soziale Fürsorge werde im Libanon zunehmend zum gesellschaftlichen Problem. Nach UNHCR-Aussagen drohten etwa 1,5 Millionen Libanesen durch den Flüchtlingsansturm in die Armut abzurutschen. MISEREOR fördert mit bislang rund 1,9 Millionen Euro Hilfsmaßnahmen für Flüchtlinge in Syrien sowie den Nachbarländern.

Am 10-02-2014

Syrischer Irak oder irakisches Syrien

10 Jahre Irak-InvasionZwei Überschriften aus dem Nahen Osten dominieren zurzeit die Medienlandschaft: Der scheinbar nicht endende Konflikt in Syrien und die US-Invasion in den Irak vor zehn Jahren. Die Prognosen und Rückblicke überschlagen sich. Einigkeit besteht nur in Einem: In der Vergangenheit lief viel falsch und für die Zukunft sieht es auch nicht besser aus. Es ist zwar bislang nur ein Gerücht, dass im Syrienkonflikt Giftgas zum Einsatz kam, doch besteht die Angst vor der Nutzung chemischer Waffen seit Beginn des stetig weiter eskalierenden Bürgerkrieges. Denn dass die syrische Regierung über ein großes Arsenal an chemischen Waffen verfügt, ist hinlänglich bekannt. Zurzeit jedoch treffen die Vorwürfe aufeinander. Die Rebellen beschuldigen das Regime und das Regime die Rebellen, Giftgas in der Region um Aleppo eingesetzt zu haben. Beides scheint möglich, ist es doch zunehmend unübersichtlicher geworden, welche Waffen zurzeit in wessen Händen liegen. Bereits Ende 2012 gab es relativ fundierte Vermutung, dass das Assad-Regime Nervengas in Horms eingesetzt hätte, berichtete damals das US-Magazin „Foreign Policy“.

Am 21. März 1988, also vor ziemlich genau 25 Jahren, flogen iranische Behörden mit einem Hubschrauber westliche Journalisten nach Halabdscha. Kurz darauf beschuldigte der Irak die iranische Regierung, für den Giftgasangriff verantwortlich zu sein. Die Konsequenzen waren weitreichend. Diese aktuellen Befürchtungen, ob begründet oder nicht, erhalten insbesondere im Anbetracht der momentanen Nachrichtenlage einen bitteren Beigeschmack. Während in der EU zurzeit ein Waffen-Embargo gegenüber Syrien besteht, kündigten Frankreich und England Alleingänge an, um die syrischen Rebellen aufzurüsten.

Nur 15 Jahre nach Halabdscha zieht George W. Bush in den sogenannten zweiten Irakkrieg, bzw. dritten Golfkrieg. Heute glaubt man aus den zahlreichen Fehlern gelernt zu haben. Dass eine einzige und zudem befangene Quelle für die Legitimation eines Krieges nicht ausreicht. Dass man eine „Exit-Strategy“ braucht. Dass das Zeigen von LKWs auf einem Foto nicht ausreicht, um Massenvernichtungswaffen nachzuweisen. Dass George W. Bush keine Ahnung von der Region hatte und noch zwei Monate vor der Invasion nicht wusste, was Sunniten und was Schiiten sind. Dass es ausgewiesene Experten in den Beratungsgremien braucht, die ihr Fachwissen nicht aus einem Reiseführer beziehen.

Trotz dieser gravierenden Fehler und vielen mehr sagt der damals federführende Premierminister Großbritanniens, Tony Blair, in einem BBC-Interview: „No regrets“ – Kein Bedauern. Ferner versichert Blair, dass ohne die militärische Intervention, Saddam Hussain gestürzt würde und der Irak in eine Krise, wie die in Syrien heute, gestürzt wäre. Also, retrospektiv gesprochen, eine ‚Syrisierung Iraks‘.

Am 17. März 2013 gab Gerhard Schindler, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), dem Deutschlandfunk ein Interview zur Zukunft Syriens. So ist er sich sicher, dass das „Regime Assad am Ende verlieren“ werde. Auf die Frage, wer auf Assad folgen könne, gibt sich der Geheimdienstler pessimistisch. Eine Einigung zwischen dem engsten Führungszirkel um Assad und den Oppositionellen hält er für ausgeschlossen. Auch weil die Opposition in sich zu heterogen ist. Dies gibt ihm Anlass, eine „Irakisierung“ Syriens zu befürchten.

Diese Vergleiche dominieren die Einschätzungen der zahlreichen und immer komplizierter werdenden Konflikte in der Region. Mali wird das neue Afghanistan. Syrien wird der neue Irak. Irak wird das neue Syrien. So lässt sich zwar aus Fehlern lernen, wie es die US-Regierung auch vor zehn Jahren hätte tun sollen, indem sie sich an Erfahrungen aus Vietnam erinnerten, doch wird man den Ländern nicht gerecht und es entsteht ein Nährboden für tiefgreifende Fehlentscheidungen. Ein Maßgebliches Problem der Bush-Regierung war, dass sie von der Region zu wenig wussten. Durch die Vereinfachungen, diese Länder beliebig auszutauschen, fallen wir in unserem außenpolitischen Verständnis hinter die Zeit von Edward Said zurück. Wir brauchen das Rad nicht neu erfinden, doch dürfen auch Personen in hohen Entscheidungspositionen etwas tiefer schürfen, um nachhaltige Probleme zu lösen.

Lasse Petersdotter - Student der Politikwissenschaft und Islamwissenschaft an der CAU zu Kiel

Am 20. Mär. 2013 unter: nachrichten