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Polizei hat Opferzahl weit übertrieben

Nur zwei Beamte stationär behandelt

Die Zahl der schwer verletzten Polizisten bei den Anti-G8-Protesten von Rostock am Wochenende ist von der Polizei weit überhöht dargestellt worden. Von den über 40 als schwer verletzt gemeldeten Beamten seien lediglich zwei stationär behandelt worden, sagte ein Sprecher des polizeilichen Planungsstabs "Kavala" am 6. Juni. Die Linksabgeordnete Ulla Jelpke kritisierte die "Übertreibungen" der Polizei. Sie erinnerte daran, dass ein Polizeigerücht vor 40 Jahren dazu führte, dass ein Polizist den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte.

Einer der beiden Polizisten sei am Montag wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden, der andere werde mit einem offenen Bruch weiter stationär versorgt, sagte der Polizeisprecher.

Bei der Angabe von Personenschäden richtet sich die Polizei in Deutschland dem Sprecher zufolge üblicherweise nach dem Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz (StVUnfStatG), wonach Personen als schwer verletzt gelten, die stationär behandelt werden müssen. Für die Einstufung verletzter Polizisten bei Demonstrationen gebe es dagegen keine solche Definition.

Polizeisprecher: Ich kann in keiner Weise bestätigen, dass wir hier Zahlen übertreiben

Der Planungsstab widerspricht aber dem Eindruck, die Opferzahlen seitens der Polizei seien bewusst nach oben getrieben worden. "Ich kann in keiner Weise bestätigen, dass wir hier Zahlen übertreiben", betonte der Sprecher.

Die Verletzungen seien von Polizeiärzten attestiert und anschließend von den Einsatzabschnitten in die Zentrale gemeldet worden, wo sie addiert worden seien, hieß es. Die meisten der als schwer verletzt eingestuften Einsatzkräfte hätten Finger-, Hand- und Knochenbrüche sowie schwere Prellungen durch Steinwürfe erlitten. Diese hätten aber bis auf die zwei Ausnahmen ambulant behandelt werden können, sagte der Sprecher.

Jelpke: Ein Polizeigerücht führte vor 40 Jahren zu den tödlichen Polizeischüssen auf Benno Ohnesorg

Die innenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, warf der Polizei "maßlose Übertreibung" vor. "Mit falschen Opferzahlen und Panikmache will die Polizeiführung offenbar die Stimmung gegen die Protestbewegung aufheizen und ihre eigenen unverhältnismäßigen Übergriffe auch auf friedliche Demonstranten rechtfertigen", kritisierte Jelpke. Das Verhalten der "Kavala" sei unverantwortlich und trage in keiner Weise zur Deeskalation bei.

"Mit falschen Opferzahlen und Panikmache will die Polizeiführung offenbar die Stimmung gegen die Protestbewegung aufheizen und ihre eigenen unverhältnismäßigen Übergriffe auch auf friedliche Demonstranten rechtfertigen", so Jelpke. Diese Nachrichten hätten Politiker von Union und SPD veranlasst, den Einsatz von Gummigeschossen und der Antiterror-Einheit GSG9 gegen die "potenziellen Mörder" des "Schwarzen Blocks" zu fordern.

"Wir kennen diese Methodik", so Jelpke. "Vor 40 Jahren, am 2. Juni 1967, ließ die Berliner Polizei das Gerücht verbreiten, ein Polizist sei von einem Demonstranten erstochen wurden. In dem so geschaffenen Klima fielen die tödlichen Schüsse auf den Studenten Benno Ohnesorg."

Jelpke kritisierte auch die von Seiten der Polizei verbreitete Meldung, die Clownsarmee der G8-Gegner habe aus ihren Wasserpistolen Säure verspritzt. "Auch das entpuppte sich als Falschmeldung", so die Abgeordnete.

Attac will Gewalttäter bei Protesten stärker ausgrenzen

Aufgrund der Gewalt in Rostock hatte das globalisierungskritische Netzwerk Attac am 5. Juni angekündigt, Gewalttäter während des G8-Gipfels stärker ausgrenzen. Man wolle erkennbar gewaltbereite Personen bei den weiteren Demonstrationen "aktiv wegschicken", sagte Attac-Mitbegründer Sven Giegold dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Darunter verstehe man allerdings nur die verbale Aufforderung. Weiteres müsse die Polizei tun.

Giegold sagte, Attac verurteile die Ausschreitungen scharf. Eine Garantie für einen gewaltfreien Ablauf der Proteste während der nächsten Tage könne es jedoch nicht geben.

Attac-Mitglieder würden sich Giegold zufolge an "friedlichen Sitzblockaden" beteiligen. Diese würden aber "räumlich und personell klar unterscheidbar" sein von Aktionen, die sich nicht an den friedlichen Rahmen hielten.

BUKO: Verzerrte Darstellung der Ereignisse

Die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO), ein seit 1977 bestehender Zusammenschluss von knapp 150 internationalistischen Gruppen, ist mit dieser Ankündigung von Attac offensichtlich nicht einverstanden. Es gebe eine "verzerrte Darstellung der Ereignisse" bei der Demonstration am 2. Juni gegen den G8-Gipfel sowie die Praxis von Justiz und Sicherheitsorganen, nunmehr "mit entschiedener Härte" gegen die Proteste vorzugehen.

Das von Medien, Polizei "und einigen Veranstaltern" gezeichnete Bild "bürgerkriegsähnlicher" Zustände in Rostock entspreche nicht der Realität, meint die BUKO. Die zur Zeit geführte Debatte gehe an der engagierten Praxis zehntausender Gipfelgegner vorbei.

Die Schuldzuweisungen einiger Organisatoren der Proteste an den Schwarzen Block seien "geradezu hysterisch" meint Stefanie Müller von der BUKO. "Es ist wohl mehr als vorauseilender Gehorsam zu verstehen, wenn VertreterInnen davon sprechen, dass diese "Gewalttäter" ausgesondert gehören, oder sich gar zur Denunziation bereit erklären, indem sie Informationen über so genannte Gewalttäter an die Polizei weiterleiten wollen" so Müller.

Verfehlt ist nach Auffassung der BUKO außerdem "die einseitige Darstellung der vermeintlichen Deeskalationsstrategie der Polizei, die von den DemonstrationsveranstalterInnen unkommentiert übernommen wurde". Die täglich Bestandsaufnahme des "Anwaltlichen Notdienstes" mache deutlich, dass es in Rostock eine "systematische Aussetzung der Grundrechten, Einschüchterungen und Traumatisierungen" gebe.

Die BUKO wendet sich gegen eine "künstliche Ausdifferenzierung eines Protests", der in seinen Themen und Aktionsformen notwendigerweise so unterschiedlich wie widersprüchlich sei. "Was der Staat im Vorfeld des G8-Gipfels nicht geschafft hat - die Spaltung der Bewegung - sollten wir nun im Nachhinein nicht selbst vollstrecken" fordert Müller.

Grüne für Boykott gewalttätiger Demonstrationen beim G8-Gipfel

Einen Boykott von Protestaktionen gegen den G8-Gipfel, bei denen es zu Ausschreitungen kommt, fordert hingegen der Grünen-Innenexperte im Bundestag, Wolfgang Wieland. "Die gewaltfreien Demonstranten müssen den anderen klar sagen: Entweder es bleibt gewaltfrei oder wir gehen", sagte der frühere Berliner Justizsenator der "Frankfurter Rundschau". Bei den Krawallen von Rostock sei die Gewalt "eindeutig von den Autonomen ausgegangen", meint Wieland. "Die Verantwortung auf die Polizei zu schieben, das läuft hier nicht."