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Biblis-Region übt für die Atomkatastrophe

"Schlaue Tipps von RWE"

Behörden und der Biblis-Atomkraftwerksbetreiber RWE üben den Ernstfall: Am 12. und 13. September findet in der Region um das hessische Atomkraftwerk Biblis die Katastrophenschutzübung "Biblis '08" statt. Die Bevölkerung soll offenbar möglichst wenig davon mitbekommen, wenn in aller Frühe acht mobile Strahlenspürtrupps in Schutzanzügen im Landkreis Bergstraße auf den Feldern ihre Messinstrumente erproben oder wenn in der Lampertheimer Hans-Pfeiffer-Halle eine Notfallstation eingerichtet wird. Die Betriebsmannschaft von RWE trainiert zudem einen "Schichtwechsel". Zuletzt fand 2001 eine vergleichbare Katastrophenschutzübung in der Region statt. Die Empfehlungen von RWE und den Behörden an die Bevölkerung sind nicht unbedingt eindeutig.

Simuliert werden lediglich die Folgen eines "schweren Atomunfalls" der Stufe 6 auf der internationalen Bewertungsskala INES. Hierbei kommt es zu "erheblichen" Freisetzungen von Radioaktivität. Die höchste Stufe 7, der "katastrophale Unfall" mit "schwersten" Freisetzungen wie in Tschernobyl, bleibt unberücksichtigt.

Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW weist darauf hin, dass sich in Biblis nach der "Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke" jederzeit ein "katastrophaler Unfall" ereignen könne, "beispielsweise schon dann, wenn es wie am 8. Februar 2004 in Folge eines Unwetters zum 'Notstromfall' in dem Atomkraftwerk kommt". Einem internationalen OECD-Vergleich zufolge sei die Kernschmelzfestigkeit des deutschen Atommeilers Biblis zudem "katastrophal schlecht".

Nach Ansicht der Atomkritiker zeigt bereits die aktuelle "Notfallschutz"-Broschüre von RWE, "wie hilflos man einem Atomunfall in Biblis gegenüber steht. Da finden sich so paradoxe Empfehlungen für die Bevölkerung, einerseits zu Hause zu bleiben, andererseits aber die Wohnung zu verlassen", kritisiert die IPPNW. Wörtlich heißt es in der RWE-Broschüre: "Warum ins Haus gehen und dort bleiben? ... Überprüfen Sie, ob Fenster und Türen möglichst dicht geschlossen sind. ... Gehen Sie nur dann ins Freie, wenn es unbedingt notwendig ist." Andererseits kann es der Broschüre zufolge aber erforderlich werden, das Haus zu verlassen, um Jodtabletten abzuholen: "Sie können diese Tabletten nach einem erfolgten Aufruf über den Rundfunk oder nach entsprechenden Lautsprecherdurchsagen bei den in Ihrer Gemeinde eingerichteten Ausgabestellen abholen."

Es könne auch nötig werden, die Bevölkerung zum Zwecke einer vollständigen Evakuierung aufzufordern, ihre Häuser zu verlassen. Sofern man hierbei kontaminiert wird und keine der wenigen Notfallstationen in der Nähe ist, dann soll man sich bei der hektischen Flucht auf der Landstraße oder in einem fremden Ort nach einer verfügbaren Dusche umsehen: "Was tun, wenn man der Strahlung ausgesetzt war? ... Sollten Sie an keiner Notfallstation vorbei gekommen sein, so legen Sie vorsorglich die Oberbekleidung ab, waschen oder duschen sich gründlich und legen frische Oberbekleidung an."

Die Flucht wird nach Einschätzung der IPPNW zudem dadurch erschwert, dass grüne Schilder mit weißen Pfeilen den Fluchtweg markieren sollen, während rosa Schilder für die Einsatzkräfte bestimmt sind und geradewegs in die verseuchten Gebiete führen: "Fahren Sie bitte bei einer Evakuierung auf den vorgesehenen Straßen. ... Folgen Sie bitte den grünen Schildern mit weißem Pfeil. Rosa Schilder sind für die Einsatzkräfte bestimmt!"

Das "primäre Übungsziel" des für das diesjährige Training federführenden Landkreises Bergstraße, im Katastrophenfall "klare und widerspruchsfreie Verhaltensempfehlungen an die Bevölkerung veröffentlichen zu können", dürfte nach Einschätzung der IPPNW ein schwerlich zu verwirklichendes Ziel sein. Die Ärzteorganisation empfiehlt daher als Vorsorge: "Kopf einschalten. Biblis abschalten."

Beinahe-Unfall 2004?

Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW hat am heutigen Freitag bei der hessischen Atomaufsicht einen Antrag zur Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis B eingereicht. Sollte diesem Antrag nicht stattgegeben werden, wird die Organisation unmittelbar den Verwaltungsgerichtshof in Kassel anrufen. Nach Auffassung der IPPNW weist das Atomkraftwerk Biblis B "mindestens 49 grundlegende und schwerwiegende Sicherheitsmängel" auf.

"Derartige Sicherheitsmängel sind nach dem Kalkar-Urteil des Bundesverfassungsgerichts unzulässig, weil ein Atomkraftwerk stets dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen muss", sagte die Dortmunder Rechtsanwältin Wiltrud Rülle-Hengesbach, die die IPPNW in diesem Verfahren vertritt. "Nach dem Kalkar-Urteil ist dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung Vorrang zu gewähren vor den wirtschaftlichen Interessen der Atomkraftwerksbetreiber" betonte Angelika Claußen, Ärztin und IPPNW-Vorsitzende. IPPNW-Vorstandsmitglied Winfried Eisenberg wies darauf hin, dass als so genanntes "Restrisiko" der Atomenergie nur Ungewissheiten jenseits des menschlichen Erkenntnisvermögens akzeptiert werden müssen, nicht jedoch konkret beschriebene Unfallszenarien.

Ein weiterer Antragsteller, Emil Lauerwald, von der Bürgeriniative "Biblis abschalten" verwies darauf, dass es in Biblis B am 8. Februar 2004 zum Notstromfall kam. Lauerwald: "Das war fast der Super-GAU". Die IPPNW hatte die hessische Atomaufsicht noch im Dezember 2003 auf die Sicherheitslücke aufmerksam gemacht, die dann zwei Monate später zum Notstromfall führte, weil die Behörde untätig blieb.

"Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Kalkar-Urteil den Gesetzgeber als inkompetent angesehen, die Dynamik des Wissens umzusetzen", sagte Anwältin Rülle-Hengesbach auf einer Pressekonferenz in Frankfurt. Deshalb sei der Exekutive, also der staatlichen Atomaufsicht, die Verantwortung dafür zugeordnet worden, "dass ein Reaktor und damit auch die ihn tragenden Sicherheitselemente permantent an den Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen."

Rülle-Hengesbach verwies auf die "willkürbehaftete" Atomgesetz-Änderung von 1994, mit der Altanlagen wie Biblis B von gedachten Neuanlagen abgekoppelt wurden, um zu verhindern, dass der Standard von Neuanlagen bestimmend werden könnte für die Frage des Weiterbetriebes oder der Stilllegung von Altanlagen. "Die Politik hat damit im Prinzip einen Fehler gemacht", stellte die Rechtsanwältin fest. "Sie hat nämlich eingestanden, dass Altanlagen wie Biblis B nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen." Bei Nicht-Einhaltung des Standes von Wissenschaft und Technik liege eine Grundrechtsverletzung vor, "die auch über Interpretationen des Atomgesetzes aus politischem Kalkül nicht wegdiskutiert werden kann, weil es eine so genannte Normenhierarchie gibt" an deren höchster Stelle die Verfassung stehe.

Nach Darstellung der IPPNW entspricht Biblis B nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik. Die vorgetragenen 49 Auslegungsdefizite würden mit offiziellen Dokumenten und Dokumenten der Atomenergiebefürworter begründet. Erste Rechercheergebnisse seien der hessischen Atomaufsicht längst vorgelegt wurden. Diese habe die Biblis-Betreiberin RWE und den TÜV Süd um Stellungnahmen gebeten. "Fast keine der von uns vorgetragenen Sicherheitsmängel konnten von RWE und TÜV in ihren Stellungnahmen widerlegt werden" sagte ein Sprecher der IPPNW.

Die IPPNW verweist auf Experimente des Anlagenherstellers Siemens, wonach das Notkühlsystem in Biblis B falsch ausgelegt sei. Auch habe das Notkühlsystem eine gefährliche Sicherheitslücke im "Hochdruckbereich". Der Sicherheitsbehälter aus Stahl sei eine Fehlkonstruktion wie ein internationaler OECD-Vergleich sowie der Umstand ergebe, dass man beim Europäischen Druckwasser-Reaktor in Finnland mittlerweise auf Stahlbeton setze.

Das Problem mit Wasserstoffexplosionen ist nach Darstellung der IPPNW völlig ungelöst, in Biblis B sei mit vergleichsweise sehr hohen Wasserstoffkonzentrationen zu rechnen und Experimente im Forschungszentrum Jülich hätten ergeben, dass die in Biblis B eingebauten Systeme zum Wasserstoff-Abbau im Gegenteil gerade Explosionen herbeiführen könnten. Biblis B soll auch keinen Schutz gegen Flugzeugabstürze mit Passiermaschinen und gegen Terrorangriffe bieten. Schließlich könnten am Standort Biblis auch Erdbeben von weitaus größerer Stärke auftreten als die Anlage trotz einiger Nachrüstungen aushalten könnte.

"Am 8. Februar 2004 ist es in Biblis B beinahe zum Super-GAU gekommen", so Lauerwald von der Bürgeriniative "Biblis abschalten". Es sei zum so genannten "Notstromfall" gekommen, einem der gefürchtesten Szenarien. Bereits 1989 sei festgestellt worden, dass die Verbindung von Biblis B mit dem Strom-Verbundnetz Sicherheitsmängel aufweise. "Im Dezember 2003 wurde die hessische Atomaufsicht durch die IPPNW noch einmal auf dieses gravierende Sicherheitsdefizit hingewiesen", sagte Lauerwald. "Und dann, nur zwei Monate später, kommt es in Biblis B beinahe zur Atomkatastrophe." Aufgrund eines Unwetters und Kurzschlusses seien in Biblis B mindestens fünf Stromsysteme ausgefallen. Man habe in dieser Situation schließlich auf den letzten Notnagel zurückgreifen müssen, nämlich auf die Notstromdiesel. Doch auch die Notstromdiesel würden in Biblis B regelmäßig versagen.

"Für uns Ärzte gilt der Grundsatz Vorsorgen ist besser als Heilen", nahm der Arzt Winfried Eisenberg Bezug auf die Möglichkeit eines Super-GAU in Biblis. "In manchen Situationen gibt es gar nichts zu heilen, das Vorsorgen stellt die einzige Möglichkeit ärztlichen Handelns dar". Wirkliche Vorsorge wäre, die Gefahrenquellen im buchstäblichen Wortsinn auszuschalten. "Jedes stillgelegte AKW vermindert das Gesamtrisiko."

Eisenberg verwies auf den Restrisikobegriff im Kalkar-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dieses Restrisiko werde "als ein Bereich von Ungewissheiten definiert, die jenseits der Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens liegen." Das bedeute, "dass klar erkannte Ereignisabläufe, die zu einem Atomunfall führen können, die also nicht jenseits der Grenze des menschlichen Erkenntnisvermögens liegen, auf keinen Fall dem Restrisiko zugeordnet werden können." Flugzeugabstürze dürften demnach nicht dem Restrisiko "zugeordnet" werden, weil man ein solches Unfallszenario ja konkret beschrieben hätte.

Das Kalkar-Urteil gebe auch dem Gesundheitsschutz eindeutig Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Atomindustrie. "Explizit urteilten die Richter, dass sich die Atomindustrie weder auf das Eigentumsrecht noch auf die Berufsfreiheit berufen können, wenn es in einem Atomkraftwerk Ereignisabläufe gibt, die zum Unfall führen können", sagte die IPPNW-Vorsitzende Angelika Claußen. "Die Atomindustrie genießt auch keinen Vertrauensschutz, wie sie vor einigen Jahren behauptet hat."

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts habe ein Vertrauensschutz in den dauerhaften Betrieb einer Anlage "seit jeher nicht bestanden, da atomrechtliche Genehmigungen stets unter gesetzlichem Widerrufsvorbehalt nach § 17 Atomgesetz standen." Pikanterweise verwies die IPPNW-Vorsitzende auf "einen Juristen im Hessischen Umweltministerium, der im Jahr 1999 auf dem 10. Deutschen Atomrechtssymposium 1999 darlegte, dass es den behaupteten Vertrauensschutz für die Atomindustrie schlichtweg nicht gibt".

Am 09. Sep. 2005

"Organisatorisches Chaos"

Nach Darstellung von zwei ehemals in Biblis tätigen Fachleuten soll es in dem hessischen Atomkraftwerk gravierende Missstände geben. Die Rede ist von "Fehlplanungen" und von einem "organisatorischen Chaos" bei sicherheitstechnischen Nachrüstungen, von fehlerhaften Arbeiten einer Elektroinstallationsfirma, von nicht fachgerechten Arbeiten aufgrund von fehlendem Werkzeug in der Nachtschicht, von Schäden in Folge von Kurzschlüssen, weil das Personal nicht über die erforderliche Routine verfügt habe, vom Verzicht auf den Austausch schadhafter Komponenten, vom Abzug von Personal allein aus Kostengründen und von zu schwachen Antriebsmotoren für sicherheitstechnisch wichtige Komponenten. Der TÜV soll von diesen Dingen Vieles nicht mitbekommen haben.

Die beiden Fachleute sind grundsätzlich nach wie vor Atomenergie-Befürworter. Nach Angaben der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW haben sie übereinstimmend ausgesagt, dass technische Pläne von Sicherheitssystemen vielfach nicht der Realität entsprechen und dass derartige Pläne obendrein auch noch "manipuliert" worden seien. Sie sprechen von einer unzulässig geringen Personalstärke, von zum Teil unqualifiziertem Personal und davon, dass Arbeiten an sicherheitstechnisch wichtigen Komponenten wegen der hohen Strahlenbelastung teilweise unter sehr großem Zeitdruck durchgeführt werden mussten. Der in Biblis B eingesetzte Fachmann wurde bei Inspektionen des Notkühlsystems radioaktiv verstrahlt, was RWE einräumen musste.

Der in Biblis A eingesetzte Fachmann war am Aufbau einer Notsteuerstelle für sicherheitstechnisch wichtige Armaturen, Schieber und "Gebäudeabschlussklappen" beteiligt. Seine Kritik, dass die Planungs-, Montage- und Inbetriebsetzungsarbeiten fehlerhaft durchgeführt wurden, sieht er dadurch bestätigt, dass in Folge dieser Arbeiten am 5. Juni 2002 eine Gebäudeabschlussklappe in Biblis A nicht funktionierte, was offiziell gemeldet wurde. Er befürchtet darüber hinaus, dass es viele weitere Fehler gibt, die bislang unentdeckt blieben, im Notfall aber zum Versagen von sicherheitstechnisch wichtigen Komponenten führen könnten.

Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens erhob der in Biblis A eingesetzte Fachmann schwerwiegende Vorwürfe: "Man kann in Biblis A nicht von einer Fehlorganisation sprechen, sondern man kann das nur als Chaos bezeichnen. Einem organisatorischen Chaos und einem Chaos was die Planung und Durchführung der Änderungen betrifft. Die Atmosphäre war vergiftet durch Streit, Schuldzuweisungen, gegenseitigen Vorwürfen, Intrigen, Lügen und Bedrohung bis hin zur Nötigung zwischen dem gesamten Personal von Planung, Montage und Inbetriebsetzung."

Ein Kollege habe kritisiert, dass man in der Nacht mit einer Inbetriebsetzungstruppe Montagearbeiten wie z.B. Verdrahtungsänderungen am Unterverteiler sowie fehlerhafte Steckeranschlüsse und nicht angeschlossene Kabelverbindungen hätte durchführen müssen, was unzumutbar gewesen sei. "Unter anderem war es notwendig, spezielle Absteuerungsvarianten des Antriebs durch Einlöten von Dioden am Baugruppenträger der Steuerschränke vorzunehmen. Da wir für diese spezielle Arbeit keine entsprechende Routine hatten, kam es zu Kurzschlüssen bei denen dann ganze Anschlussstifte und Leitungsverbindungen schmolzen und erheblich beschädigt wurden. Wir haben diese schadhaften Stellen notdürftig wieder hergestellt. Wenn wir den TÜV informiert hätten, hätte der ganze Baugruppenträger ausgetauscht werden müssen, wodurch es zu erheblichen Kosten und Verzögerungen gekommen wäre. Manchmal wurde es auch notwendig, Ansteuerungssignale im Antrieb zu ändern. Das ist aber normalerweis e verboten, weil die Antriebe eine Normverdrahtung besitzen. Die Signalzuführung war öfters so verdreht, dass dies nur noch durch Umverlegen der Drähte im Antrieb möglich war. Wir haben dann die Drähte nur verdrillt und haben keine Klemmen verwendet, da in der Nacht das Werkzeug fehlte, weil die Montagetruppe ja nicht mehr arbeitete. Die Strahlungsbelastung war auch oft sehr hoch, was uns gezwungen hat die Arbeiten noch schneller auszuführen."

Der Fachmann berichtet laut IPPNW weiterhin, dass sich ein Kollege enorm daran gestört hätte, dass nur eine Elektroinstallationsfirma Arbeiten im sicherheitstechnisch wichtigen Bereich hätte durchführen dürfen, "die aber fehlerhaft und unzureichend ausgeführt wurden". Der Kollege habe weiterhin kritisiert, dass man einen "erfahrenen Antriebsspezialisten nach Finnland abgezogen hatte und dafür keinen qualitativ entsprechenden Ersatz zur Verfügung stellen konnte, der in der Nachtschicht dann fehlte". Offenbar wurde der Antriebsspezialist in Biblis abgezogen und auf die Baustelle des Europäischischen Druckwasser-Reaktors (EPR) im finnischen Olkiluoto geschickt.

Die IPPNW hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel am 1. Oktober eine Liste mit insgesamt 24 Vorwürfen der beiden Fachleute geschickt. Die meisten dieser Vorwürfe seien dem Bundesumweltministerium jetzt erstmalig mitgeteilt worden, betont die Organisation.

Ein Teil der Vorwürfe habe man aber bereits mit mehreren Schreiben seit März 2005 bei der Atomaufsicht des Bundes vorgetragen. Bei den bislang vorgetragenen Punkten handelt es sich den Angaben zufolge um Informationen des in Biblis B eingesetzten Fachmanns. In Folge der von der IPPNW "wiederholt angemahnten Aufklärung" seien inzwischen zentrale Vorwürfe offiziell bestätigt worden.

"So bestätigte beispielsweise der TÜV Süd, dass mehrere hundert so genannte Stempelfelder des Notkühlsystems in Biblis B nicht auffindbar beziehungsweise nicht leserlich sind", so die Atomkritiker. Damit aber stehe die Qualität des Notkühlsystems in Frage. Nach Angaben des Fachmanns sei es in anderen Industrieanlagen wie zum Beispiel Chemieanlagen und Raffinerien üblich, dass sicherheitstechnisch wichtige Rohrleitungen nicht "abgenommen" und ausgetauscht werden müssen, wenn "Stempelfelder" nicht lesbar und die sicherheitstechnischen "Nachweise" insofern nicht zu erbringen seien. "Nicht so im hessischen Atomkraftwerk Biblis", empören sich die Atomkritiker der IPPNW. "Es erstaunt schon, dass die deutschen Aufsichtsbehörden offenbar in Chemieanlagen bezüglich der Rohrleitungen höhere Sicherheitsstandards einfordern als in Atomkraftwerken."

Ein weiterer Vorwurf lautet: Im "Keller" des Reaktorgebäudes von Biblis B stand in Rohrleitungskanälen des Notkühlsystems wiederholt Wasser, unweit von sicherheitstechnisch extrem wichtigen Pumpen des Notkühlsystems. Auch dieser Vorwurf sei inzwischen bestätigt worden. Diese Notkühlpumpen ("Nachkühlpumpen") versagen laut IPPNW bei Überflutung, "mit der möglichen Konsequenz, dass im Notfall der Reaktorkern nicht gekühlt werden kann und es zur gefürchteten Kernschmelze kommt".

Die Ursache der Wasseransammlungen in Rohrleitungskanälen des Notkühlsystems im Reaktorgebäude von Biblis B ist offenbar strittig. Der in Biblis B tätige Fachmann sagte laut IPPNW aus, dass ein Strahlenschützer von RWE ihm mitgeteilt habe, dass bei Hochwasserständen des Rheins Wasser in das Reaktorgebäude von Biblis B eindringt. Die Betreibergesellschaft RWE bestreite das.

Am 01. Aug. 2007