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Länderverkehrsminister kritisieren Bahnprivatisierung

Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit

Vor einer Woche hatte die Bundesregierung die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG beschlossen. Am 2. August haben sich die Verkehrsminister der Länder geschlossen für Änderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung ausgesprochen. Zudem wollen die Länder ein Gutachten einholen, ob der Gesetzentwurf überhaupt verfassungsgemäß ist. Die Minister hatten auf ihrer Konferenz am Donnerstag in Berlin vor allem ihre Sorge über den regionalen Schienenverkehr zum Ausdruck gebracht. Zugleich hatten sie stärkere Mitsprache bei Investitionen eingefordert. Umweltverbände begrüßten die Kritik der Landesminister an der geplanten Privatisierung. Einer Umfrage zufolge lehnt die Mehrheit der Bevölkerung die Privatisierungspläne der Bundesregierung ab.

"Es ist richtig, dass sich die Länder konstruktiv am weiteren Prozess zur Zukunft der Deutschen Bahn beteiligen wollen", kommentierte TRANSNET-Chef Norbert Hansen. Deshalb sei der Bund auch gefordert, den Ländern die nötige Mitsprache zu sichern.

Allerdings sei nicht alle Kritik von den Ministern berechtigt. Hansen sieht die Schuld für die Situation des regionalen Schienenverkehrs vor allem bei den Ländern. Es liege in der Hand der Länder, dessen Umfang zu bestimmen. "Sie bestellen, was gefahren werden soll, und sie entscheiden, wer es fahren soll", so Hansen.

Carl Waßmuth von Attac befürchtet, dass die Länder in Folge des Privatisierungsgesetzes endgültig ihren Einfluss auf die Mitgestaltung der bundesweiten Bahnpolitik verlieren würden. In der Folge würden vermutlich "Verbindungen außerhalb der Metropolen vernachlässigt, der Service in den Bahnhöfen wird zurückgefahren und Fernverkehrsstrecken werden künftig durch Nahverkehrsgelder der Länder bezahlt werden müssen", so Waßmuth.

Einen Vorgeschmack darauf, wie Fern- durch Regionalzüge ersetzt werden, hätten die Länder bereits vor wenigen Jahren bei der Abschaffung der InterRegio-Züge bekommen. Komplett verloren ginge langfristig der Einfluss auf die Struktur und die Kapazität des Schienennetzes, meint Waßmuth. "Gemäß dem Kleingedruckten im Gesetzentwurf würde das gesamte Netz im Wert von 126 Milliarden Euro vollständig in den Besitz der Deutschen Bahn AG übergehen. Denn wollte der Bund das Netz wieder in sein Eigentum zurücknehmen, würde ihn das doppelt so viel wie den gesamten Privatisierungserlös kosten."

Nach Auffassung des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) ist das geplante Gutachten zur Verfassungskonformität des Gesetzes ein längst überfälliger Schritt. Der Verkehrsclub befürchtet hierbei allerdings einen Deal zwischen Bund und Ländern. So sei es möglich, dass sich die Länder mit den von ihnen geforderten Mitsprache- und Kontrollrechten bei der Mittelvergabe für den Schienenverkehr zufrieden geben würden.

Nach Auffassung des VCD-Vorsitzenden Michael Gehrmann "ist der derzeitige Gesetzentwurf ist schlichtweg nicht zu verbessern. Indem er das Schienennetz faktisch der Deutschen Bahn AG überlässt, hebelt der Entwurf die im Grundgesetz festgeschriebene Gemeinwohlverantwortung des Staates für die Schiene aus."

Nach Auffassung der Verbraucherzentrale Bundesverband "rollt das Privatisierungsgesetz unaufhaltsam aufs Abstellstellgleis", so Verbandsvorstand Gert Billen. "Die Bedenken der Länderverkehrsminister bestärken mich in der Auffassung, dass der Gesetzentwurf zur Privatisierung der Deutschen Bahn AG nicht heilbar ist." Er werde weder dem verfassungsrechtlichen Infrastrukturauftrag noch den Erfordernissen für einen echten Wettbewerb gerecht.

Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic, hält die von den Landesministern geäußerte Kritik an der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn für unzureichend. Es gehe nicht darum "ein falsches Vorhaben in seinen negativen Auswirkungen zu begrenzen, sondern die gesamte Bahnprivatisierung muss gestoppt werden". Das von Verkehrsminister Tiefensee geplante Privatisierungsmodell sei mit dem am Gemeinwohl orientierten Infrastrukturauftrag des Grundgesetzes nach Artikel 87e Absatz 4 nicht vereinbar, so der ehemalige BGH-Richter.

Er betonte, dass "mit dem Geld der Allgemeinheit" die Eisenbahninfrastruktur aufgebaut worden sei und unterhalten werde. Ein Börsengang, wie Bahnchef Mehdorn ihn für 2008 plane, verbiete sich auch "vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Verkaufserlöse den realen Wert der Anlagen um mindestens 60 Milliarden Euro unterschreiten würden", so Neskovic. Er forderte die Länder auf, im Bundesrat gegen die geplante Bahnprivatisierung zu stimmen und so das Vorhaben der Bundesregierung zu verhindern. Öffentliches Eigentum dürfe nicht "verscherbelt" werden.

Einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag von der Initiative "Bahn für Alle" ergab, dass die Mehrheit der Bevölkerung die geplante Teilprivatisierung der Bahn ablehnt. 64 Prozent der Befragten sprachen sich bei der Umfrage im Juli gegen die Pläne der Bundesregierung aus.

Auch neun Bundesländer hätten sich im Vorfeld der heutigen Konferenz bereits ablehnend oder kritisch zu dem Gesetzentwurf geäußert, so die Initiative. "Das würde reichen, um das Gesetz zum Scheitern zu bringen."

"Fast zwei Drittel der Bundesbürger wollen, dass die Bahn vollständig in öffentlicher Hand bleibt. Darüber dürfen sich ihre gewählten Vertreter nicht hinwegsetzen", sagte Werner Reh, Verkehrsexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Weil sich die Bundesregierung so weit vom Volkswillen entfernt habe, müssen jetzt die Länder dieses Gesetz stoppen. Sie sind von den negativen Auswirkungen direkt betroffen und würden sich mit einer Zustimmung zu diesem Gesetz politisch kastrieren."

Nach Darstellung von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee bringt die "Bahnreform" für die Kunden viele Vorteile. "Die Preise bleiben erschwinglich. Und die Autobahn wird durchlässiger, weil mehr Waren und Menschen im Zug befördert werden", sagte Tiefensee gegenüber der "Zeit" vom 27. Juli. Ab dem 1 .Januar 2010 sei der internationale Personenverkehr liberalisiert, "dann gibt es heftigen Wettbewerb um Marktanteile".

Es sei "legitim, dass dem Unternehmen, das über Jahrzehnte diese Dienstleistung mit deutschen Arbeitnehmern erbracht hat, eine starke Stellung in diesem Wettbewerb garantiert wird", meint der Verkehrsminister. Die Pendler würden von neuen Zügen, Bahnhöfen mit Rolltreppen, mehr Informationen, besseren Taktzeiten und auch geringeren Abstände zwischen den Zügen profitieren.