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Jetpilotenverband droht Jung mit Befehlsverweigerung

Nach Gesetzesänderung für Abschuss

Die Kampfpiloten der Bundeswehr drohen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) offen mit Befehlsverweigerung. "Derzeit" würden die Piloten einem Befehl zum Abschuss eines von Terroristen entführten Passagierflugzeugs nicht Folge leisten, sagte der Chef des Verbandes der Besatzungen strahlgetriebener Kampfflugzeuge der Bundeswehr, Thomas Wassmann, am 19. September im Bayerischen Rundfunk. Bevor es keine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage gebe, "werden wir auch dabei bleiben", betonte er. Jung hatte angekündigt, ein entführtes Flugzeug, das für Terror-Angriffe benutzt werden soll, notfalls auch ohne gesetzliche Grundlage abschießen zu lassen.

Der Verteidigungsminister habe die Jet-Besatzungen durch seinen Vorstoß "stark verwirrt", kritisierte der Verbandschef. Man sei davon ausgegangen, dass die Debatte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz der rot-grünen Vorgängerregierung erledigt sei.

Wenn es eine Gesetzesgrundlage geben sollte, "ist es damit ein rechtmäßiger Befehl und dementsprechend auch zu befolgen", so Wassmann. Ein Pilot, der damit Probleme habe, müsse "eventuell von diesem Beruf zurücktreten".

Auch wenn der Abschussbefehl im Ernstfall "auf höchster Ebene" getroffen werde, entbinde dies den betroffenen Piloten aber nicht von der Verantwortung. "Letztendlich, ob der ausführende Pilot dann tatsächlich auf den Knopf drückt, das wird immer seine Entscheidung bleiben", sagte der Verbandschef.

In Afghanistan wird den NATO-Truppen seit Monaten vorgeworfen, durch Luftangriffe immer wieder Zivilisten zu töten. Inwieweit deutsche Soldaten an diesen Einsätzen direkt oder indirekt beteiligt sind, ist unklar.

Jung steht zu Plänen zum Abschuss von Passagierflugzeugen bei Terrorverdacht

Die Bereitschaft von Verteidigungsminister Jung zum Abschuss gekaperter Zivilflugzeuge wird zur Belastungsprobe der großen Koalition. Während Jung am 19. September im Bundestag seine Haltung bekräftigte, er würde im Notfall einen solchen Abschussbefehl unter Rückgriff auf einen übergesetzlichen Notstand erteilen, und dafür Rückendeckung der Union erhielt, warnte die Opposition geschlossen vor einem Verfassungsbruch. Selbst der Koalitionspartner SPD ging auf Distanz.

Vor diesem Hintergrund kündigten die Liberalen einen Antrag an, Jung durch das Parlament eine Missbilligung aussprechen zu lassen. Dabei warb FDP-Chef Guido Westerwelle um Unterstützung auch der SPD-Abgeordneten mit den Worten: "Koalitionsräson ist das eine, aber die Verfassung steht sogar über der Koalitionsräson." Sollte der Antrag angenommen werden, hätte er dennoch keine rechtlich zwingende Wirkung.

Zuvor hatte sich Jung eindeutig zu seinen Äußerungen bekannt und dies mit einem Schutz der Bevölkerung, der Sicherung des Rechtsstaates sowie einer notwendigen Sicherheit für die betroffenen Jet-Piloten begründet. Auch in Extremsituationen dürfe und werde der Staat "nicht wehrlos" sein, so der CDU-Politiker.

Rückendeckung bekam er dafür lediglich von der Union. Angesichts der nach wie vor unklaren Rechtslage habe Jung "nicht verantwortungslos, sondern im höchsten Maße verantwortungsvoll gehandelt", sagte CDU-Wehrexperte Bernd Siebert. Die Union stehe deshalb hinter dem Minister. Nach den Worten des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unions-Fraktion, Norbert Röttgen (CDU), hat Jung sich zu seiner politischen Verantwortung in einer Situation bekannt, wo "der Staat als Ganzes kneift".

Für Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele ist Jung indes nicht nur übers Ziel hinausgeschossen, sondern entwickle sich zu einer "Gefahr für die Truppe" sowie einer "Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland". "Deshalb muss die Forderung lauten: Quittieren sie ihr Amt", sagte der Grünen-Politiker.

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nannte wie der Linke-Politiker Paul Schäfer die Abschusspläne von Jung schlicht verfassungswidrig.

Diese Sichtweise widersprach der Rechtsexperte der Unions-Fraktion, Jürgen Gehb (CDU). Mit dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts von 2006 zum Luftsicherheitsgesetz sei die Exekutive "in die Grauzone des Strafrechts zurückgeworfen" worden. Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht nicht grundsätzlich den Abschuss von Terror-Maschinen verbieten wollen.

FDP-Chef Westerwelle warnte derweil vor einem "Klima der Verunsicherung". Die Mehrheit des Bundestages stehe nicht hinter den Aussagen Jungs, "nicht einmal die Mehrheit der Bundesregierung steht hinter diesem Verteidigungsminister", sagte er. Denn klar sei, ein Abschussbefehl wäre rechtswidrig. Jung sollte endlich einsehen, dass ein Spruch der Verfassungsrichter "alle Staatsgewalt bindet".

Selbst von der SPD kam mit Blick auf die Entscheidung der Verfassungsrichter massiver Widerspruch. Deren Wehrexperte Rainer Arnold mahnte zudem, das Thema helfe nicht der Koalition und vor allem nicht den Soldaten. Die Menschen erwarteten, "dass wir hier regeln, was geregelt werden kann, und nicht über die Dinge reden, die nicht geregelt werden können".