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Gewerkschaften, Sozialverbände und Kassen laufen Sturm gegen 15,5 Prozent-Satz

Kampf gegen höheren Kassenbeitrag

Gewerkschaften, Sozialverbände und Krankenkassen laufen Sturm gegen die geplante Anhebung der Krankenkassenbeiträge auf 15,5 Prozent. Der Wohlfahrtsverband Volkssolidarität sprach von einem "faulen Kompromiss zulasten der Rentner". Ruheständler hätten nichts davon, dass im Gegenzug der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gesenkt werde. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warf der Bundesregierung "Pfusch" vor. Die Lösung sei "in höchstem Maße unseriös" und gefährde die Absicherung bei Krankheit und Arbeitslosigkeit. Die Kassen forderten dagegen erneut sogar einen höheren Beitragssatz und drohten mit der Erhebung von Zusatzbeiträgen. Die Koalition verteidigte ihre Entscheidung.

Nach wochenlangem Ringen um den künftigen einheitlichen Beitragssatz in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hatten sich die Spitzen von Union und SPD am Sonntagabend auf einen gemeinsamen Kurs geeinigt. Der Kassenbeitrag steigt nach dem Willen der Koalition auf 15,5 Prozent. Zum Ausgleich sinkt der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 3,3 auf 2,8 Prozent - zunächst für eine Dauer von 18 Monaten. Das Kabinett will den GKV-Beitragssatz am Dienstag beschließen.

Den Rentnern helfe diese Abgabensenkung nicht, kritisierte der Präsident der Volkssolidarität, Gunnar Winkler. "Real bedeutet das eine Rentenkürzung", betonte er. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Arbeitgeberverbände den Kompromiss angetrieben hätten. Die Entwicklung sei "nicht akzeptabel".

Auch der Sozialverband VdK beschwerte sich über eine "überproportionale Belastung" der Ruheständler. Einige Krankenkassen müssten vermutlich schon im kommenden Jahr Zusatzbeiträge erheben, sagte VdK-Chefin Ulrike Mascher. Dies gehe einseitig zulasten der Arbeitnehmer und Rentner. Die Arbeitgeber blieben dagegen außen vor.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach bezeichnete die beiden Beschlüsse als "denkbar schlechteste Entscheidung". Was auf den ersten Blick wie ein Nullsummenspiel aussehe, sei eine "schwere Hypothek für die Zukunft". Das Problem löse kein einziges Problem. Statt dessen fehle Geld für die Absicherung bei Krankheit und Arbeitslosigkeit.

Um den geplanten Beitragssprung in der GKV zu vermeiden, fordert der DGB höhere Steuermittel für Hartz-IV-Empfänger. "Es bleibt absolut unverständlich, dass der Bund bei dem willkürlich festgelegten Beitrag von 118 Euro bleiben will, zumal klar ist, dass die Durchschnittsausgaben der Krankenkassen im nächsten Jahr deutlich über die heute nötigen 250 Euro pro Versicherten steigen werden und die Belastungen für die Krankenkassen wachsen", kritisierte Buntenbach. Eine Anhebung des Steueranteils für die GKV würde den Beitragssprung in der GKV und damit die gesamte "Abgaben-Rochade" überflüssig machen.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) kann die Beitragssenkung für die kommenden anderthalb Jahre nach eigenen Angaben aus ihren Rücklagen finanzieren. Anschließend werde es schwierig, teilte die Behörde am Montag mit. Bleibe der Satz länger auf dem niedrigen Niveau von 2,8 Prozent, seien bis 2012 "praktisch alle Reserven" der BA aufgebraucht. Die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung sei in diese Rechnung noch nicht einbezogen.

Scharfe Angriffe kamen auch von der Opposition. FDP, Linke und Grüne bezeichneten die Beschlüsse als "gefährlichen Koalitionsschacher", "Murks" und bloße "Linke-Tasche-rechte-Tasche"-Politik". Die Bürger würden weiter belastet. Noch dazu würden die Leistungen bei der Arbeitslosen- und Krankenversicherung massiv gekürzt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und führende Koalitionspolitiker bemühten sich dagegen, ihren Kurs zu verteidigen. Jede Kasse habe die Möglichkeit, wirtschaftlich zu arbeiten und ihren Versicherten Überschüsse zurückzugeben, argumentierte Merkel.

Dies wiesen die Krankenkassen zurück. Sollte die Regierung einen Beitragssatz von 15,5 Prozent beschließen, seien die Kassen bereits im Laufe des nächsten Jahres gezwungen, Zusatzbeiträge zu erheben, sagte eine Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes. Um die gestiegenen Kosten für Ärztehonorare und Krankenhäuser zu finanzieren, sei ein Einheitssatz von 15,8 Prozent nötig.