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Skeptische Stimmen zu US-Präsident Obama

"Der friedliche Schein trügt"

Zur Wahl von Barack Obama zum US-Präsidenten gab es in Deutschland auch skeptische Stimmen. Lühr Henken und Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag sagten am Mittwoch (5. November), die Menschen hätten große Erwartungen an den neuen US-Präsidenten. Obamas Versprechen eines "Change", eines politischen Wechsels, habe Millionen im Land mobilisiert und zu einer noch nie dagewesenen Wahlbeteiligung geführt. "Obama stellte sich von Beginn an gegen den verbrecherischen Irakkrieg, forderte die Auflösung der illegalen US-Gefängnisse in Guantanamo, verblüffte mit seiner Ankündigung, als Präsident in direkten Gesprächen - ohne Vorbedingungen - mit den Führern von 'Schurkenstaaten' in den Dialog treten zu wollen und sprach sich - zuletzt in seiner Berliner Rede - für eine atomwaffenfreie Welt aus", lobten Henken und Strutynski. Der friedliche Schein trüge aber, wenn man etwas genauer hinschaue. Henken und Strutynski rechnen damit, dass Obama die Welt in einen Krieg gegen den Iran führen könnte.

Der von Obama angekündigte "schnelle Truppenabzug" aus dem Irak ziehe sich über eineinhalb Jahre hin, belasse im Land aber dauerhafte US-Stützpunkte mit einer großen Zahl von US-Elitetruppen und rund 160.000 Personen - zumeist US-Amerikaner - in privaten "Sicherheitsdiensten", "so dass das strategische Ziel der Bush-Regierung, den irakischen Ölreichtum zu kontrollieren und sich eine strategische Bastion am Golf zu schaffen, weiterverfolgt wird", kritisieren Henken und Strutynski.

Die aus dem Irak abgezogenen Kampftruppen sollen nach dem Willen Obamas die Aufstandsbekämpfung in Afghanistan verstärken, "ja, Obama war sogar der erste, der eine Ausweitung des US-Krieges nach Pakistan äußerte. Dazu sagen wir: Ein Mehr vom Falschen kann zu keinen guten Ende führen. Nur der militärische Rückzug der NATO-Truppen, begleitet von Verhandlungen, welche die am Konflikt Beteiligten aus Afghanistan und Pakistan und die Nachbarn Indien, China, Iran und Russland einbeziehen, eröffnet eine Chance auf Frieden in der Region."

Auch würden Obamas Äußerungen zum israelisch-palästinensischen Konflikt vor allem israelische Hardliner zufrieden stellen und blieben weit zurück hinter dem, was zu einer einvernehmlichen Konfliktlösung beizutragen vermöge, so Henken und Strutynski.

Obama wolle auch das NATO-Bündnis "erneuern, d.h. zunächst weiter nach Osten zu expandieren (Georgien und Ukraine).

Vor allem aber kritiseren Henken und Strutynski Obamas mögliche Pläne für einen Iran-Krieg: "Ein jüngstes Strategiepapier aus dem Umfeld Obamas, das in der Konfliktlösung mit dem Iran Hafenblockaden, Luft- und Marineangriffe ebenso empfiehlt wie den Atomwaffeneinsatz und damit Hunderttausende von Toten einzukalkuliert, ähnelt auf gefährliche Weise der Bush-Politik gegenüber dem Irak. Ein Wechsel sieht anders aus."

Nicht zuletzt habe Obema am Abend seines Wahlsiegs der Welt einen Neuanfang in der "amerikanischen Führerschaft" angekündigt. "Das eben will aber die Welt nicht. Acht Jahre American Leadership unter George W. Bush waren genug", so Henken und Strutynski.

"Als Friedensbewegung vermissen wir bei aller blumigen Rhetorik Obamas substanzielle Aussagen zur konventionellen Abrüstung und Rüstungskontrolle (VKSE-Vertrag) in Europa, klare Schritte zu einer atomwaffenfreien Welt, den Stopp der NATO-Osterweiterung und den Verzicht auf die Globalisierung der NATO, den Willen, einen neuen ABM-Vertrag unter Verzicht auf ein US-Raketenabwehrsystem anzustreben, einne nachprüfbaren Plan zur Beendigung der Besatzungen in Irak und Afghanistan, die unmissverständliche Bindung der US-Außenpolitik an das Völkerrecht, ein Ende der Kriegsdrohungen gegen den Iran, eine kraftvolle Nahost-Politik, die zu einem Ausgleich der Interessen zwischen Israel, der arabischen Welt und dem Iran und zu einem lebensfähigen palästinensischen Staat führt", so Henken und Strutynski.

"Wir fragen uns, welche Ziele die deutsche und europäische Politik verfolgt, wenn sie in ihrer 'Obamania' nun hervorhebt, dass 'nun die Zeit der Alleingänge vorbei' (Genscher) sei oder dass Obama "auf einen langjährigen Freund zählen" könne (Köhler)", so Henken und Strutynski. "Soll das etwa heißen: Noch mehr deutsche Soldaten nach Afghanistan, Verschärfung der Kriegsdrohungen gegen den Iran? Soll auf diese Weise die von der Bundeskanzlerin in ihrem Glückwunschsschreiben an Obama versprochene "transatlantischen Partnerschaft" funktionieren? Dazu sagen wir schon heute Nein." Der Bundesausschuss Friedensratschlag werde alles in seiner Kraft Stehende tun, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, und den angestrebten militärischen Schulterschuss zwischen den USA und der EU im Interesse des Friedens zu verhindern.

Pflüger: Aus friedenspolitischer Sicht besteht eher Anlass zu Besorgnis

Auch nach Auffassung des Europaabgeordneten Tobias Pflüger (Linke) "zeigt eine genauere Betrachtung, dass gerade aus friedenspolitischer Sicht eher Anlass zu Besorgnis angebracht ist". Ein Blick auf das Beraterteam des gewählten US-Präsidenten zeige auf, wohin es unter Barack Obama gehen könnte: "Beispiel Wesley Clark: Er war derjenige, der als NATO-Oberbefehlshaber den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien leitete. Samantha Power steht dafür, dass für die gewaltsame Verbreitung von 'Demokratie', 'Menschenrechten' und freien Märkten jedes militärische Mittel recht ist", so Pflüger.

Der frisch gewählte US-Präsident wolle zusammen mit seinem Vize-Präsidenten auch nach 2010 eine Kerntruppe für bestimmte Aufgaben im Irak belassen: für das Vorgehen gegen die Reste von Al-Kaida, den Schutz unserer Dienstleister und Diplomaten, und die Ausbildung und die Unterstützung der irakischen Sicherheitskräfte. Auch deren Umfang habe Obama bereits angedeutet: 30.000 Soldaten. "Ist das der von vielen Wählerinnen und Wählern ersehnte Abzug aus dem Irak?", fragt Pflüger. Gerade was die amerikanisch-russischen Beziehungen anbelangt, wäre ein "change" dringend nötig, um die sich verschärfenden Konflikte nicht in einen "Neuen Kalten Krieg" abgleiten zu lassen. "Doch auch hier kann die Auswahl von Obamas Beratern, insbesondere Zbigniew Brzezinski, alles andere als zuversichtlich stimmen", meint Pflüger. Zum Georgienkrieg habe Brzezinski Putins Vorgehen mit der Hitlers verglichen und gefordert, dass dies nur zu "Ausgrenzung und wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen führen kann. Wenn Russland diesen Kurs weiterfährt, muss es letztendlich innerhalb der Staatengemeinschaft isoliert werden."

Schließlich stehe zu erwarten, dass Obama - nicht zuletzt aufgrund der großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der USA - von den EU-Ländern einen deutlich größeren militärischen Beitrag zur Aufrechterhaltung der derzeitigen Weltordnung einfordern werde. "So will Obama nicht nur den Krieg in Afghanistan auch nach Pakistan ausweiten und etwa 10.000 Soldaten mehr dorthin schicken, sondern er fordert auch von den Verbündeten eine deutlich größere Beteiligung - insbesondere in Afghanistan", so Pflüger.

Es deute sich eine "Neue Transatlantische Partnerschaft" an, "die ihre institutionelle Entsprechung in einer revitalisierten NATO finden würde, dafür wäre der in der EU äußerst beliebte Obama geradezu der ideale Kandidat", warnt Pflüger. "Die Folge wäre aber lediglich eine Verschiebung der militärischen Beiträge und eine noch militaristischere EU-Außenpolitik. Auf die Freude über die Wahl Obamas in der EU und Deutschland könnte also der große Katzenjammer folgen."