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Atomkraftwerk Biblis eine Rückschau II

"Pyrrhussiege rot-grüner Ausstiegsrhetorik"

Die Umweltschutzorganisation Robin Wood hat Ankündigungen des Energiekonzerns RWE, eine Laufzeitverlängerung für den Atomreaktor Biblis A zu beantragen, scharf verurteilt. "RWE will Atomausstieg abwürgen, bevor er richtig begonnen hat", so Robin Wood. Die Minister Gabriel und Glos sowie Kanzlerin Merkel fordert die Organisation auf, einen entsprechenden Antrag von RWE abzulehnen. Statt längerer Laufzeiten fordern die Umweltschützer die sofortige Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis. Auch alle anderen Atomanlagen in Deutschland müssten vom Netz, da anders eine sichere, umweltfreundliche und effiziente Energieversorgung in Deutschland nicht zu gewährleisten sei.

RWE habe - ebenso wie die Atomkraftwerksbetreiber EnBW, Vattenfall und E.ON - mit der Bundesregierung im Jahr 2000 die so genannte Atomkonsens-Vereinbarung geschlossen. Darin seien "Restrommengen" für die Atomkraftwerke in Deutschland festgelegt worden. RWE und der Bund hätten zudem vereinbart, dass auf den Reaktor Biblis A keine zusätzlichen Strom-Kontingente aus anderen Reaktoren übertragen werden dürften.

Mit Blick auf eine absehbare Stilllegung habe das Bundesumweltministerium damals den Weiterbetrieb von Biblis A erlaubt - "trotz gravierender Sicherheitsmängel der Atomanlage". So sei der Reaktor nicht ausreichend gegen Störfälle gesichert, und es fehle - anders als bei allen anderen Atomkraftwerken in Deutschland - eine verbunkerte Notstandswarte.

Laut Atomkonsens solle Biblis A eigentlich Mitte 2008 definitiv stillgelegt werden. "RWE aber schert sich offenbar wenig um seine Zusagen von gestern und will den ältesten Reaktor Deutschlands, der nachweislich zu den Unsichersten im Land zählt, noch länger betreiben und dafür weiterhin Sicherheitsrabatt bekommen", kritisiert die Umweltorganisation.

Robin Wood habe den Atomkonsens von Beginn an "als Nonsens und Etikettenschwindel" kritisiert, "weil er nicht, wie öffentlich dargestellt, den Atomausstieg einleitet, sondern den Energiekonzernen vielmehr den jahrzehntelangen, ungestörten Weiterbetrieb ihrer Anlagen erlaubt." Einen positiven Lichtblick habe aber die Aussicht dargestellt, "dass immerhin die vier ältesten Meiler bis 2009 vom Netz gehen sollten".

"Nun bestätigt sich, dass die gefeierten Stilllegungen der Atommeiler von Stade und Obrigheim nur Pyrrhussiege rot-grüner Ausstiegsrhetorik waren", so der Vorstandssprecher von Robin Wood, Jürgen Sattari. Stimmt die Bundesregierung dem Antrag von RWE auf Laufzeitverlängerung zu, käme seiner Ansicht nach ein Stein ins Rollen. Die Atombosse würden das als Aufforderung interpretieren, eine Renaissance der Atomenergie einzuleiten. "Das wichtige Projekt Atomausstieg wäre damit gescheitert, bevor es überhaupt richtig begonnen hat", so Sattari.

Die Kunden würden nicht davon profitieren, wenn RWE mit dem Atomkraftwerk Gewinne von jährlich bis zu 300 Millionen Euro "einfahren" würde. "Ihnen bleiben immer höhere Stromrechnungen - zusätzlich zu der Gefahr durch das Atomkraftwerk und seine Jahrtausende lang strahlenden Abfälle", so Sattari.

Am 22-09-2006

Auch Biblis B abgefahren

Das hessische Umweltministerium hat mitgeteilt, dass im Atomkraftwerksblock Biblis A am Montag von Gutachtern "Montagemängel" an Dübeln bestätigt worden sind. Die beanstandeten Dübel dienen der "Verankerung von Anlagenteilen", unter anderem von Rohrleitungen. Bei Defekten an solchen Verankerungen kann es in Rohrleitungen von Betriebs- oder Sicherheitssystemen zu gefährlichen Leckagen und im äußersten Fall in Folge dessen zu einem Kernschmelzunfall kommen. Wegen der in Biblis A gefundenen Mängel wurde auch der Atomkraftwerksblock Biblis B "für eine außerplanmäßige Überprüfung von der Betreiberin RWE Power AG abgefahren".

Bei dem außerplanmäßigen Stillstand in Biblis B sollen jetzt "Dübel einer bestimmten Bauart" durch die zuständige Baubehörde überprüft werden, teilte das Umweltministerium in Wiesbaden mit. Es solle geklärt werden, ob die in Biblis A gefundenen "Mängel" auch in Block B vorhanden sind.

Das Hessische Umweltministerium hält dieses Vorgehen der Betreiberin aus Sicherheitserwägungen für "dringend erforderlich" und hatte RWE aufgefordert zur Überprüfung der Dübel die Anlage abzufahren.

Die Rohrleitungs-Halterungen sind in Biblis schon seit Jahren ein intensiv behandeltes Thema. 1995 hatte es in Biblis eine gefährliche Leckage vermutlich aufgrund einer falsch eingestellten Rohrleitungs-Halterung gegeben. Die hessische Atomaufsicht hatte zuletzt betont, dass Halterungssysteme "ertüchtigt" worden seien und kein Problem mehr bestehe. Gegenüber der Öffentlichkeit wurde der Anschein erweckt, als sei das Atomkraftwerk Biblis gewissermaßen "runderneuert" worden.

Am 17-10-2006

In Biblis B nur Stichproben

Bei einer Überprüfung von Dübeln im Atomkraftwerk Biblis sind bei rund der Hälfte der bislang kontrollierten Bauteile Montagefehler aufgefallen. In Block A seien zwischen 130 und 200 Dübel kontrolliert worden, rund 50 Prozent seien nicht richtig montiert gewesen, sagte eine Sprecherin des hessischen Umweltministeriums am Mittwoch in Wiesbaden. In den Blöcken A und B sind jeweils zwischen 3500 und 4000 Dübel der betroffenen Sorte verbaut.

Block A ist derzeit wegen einer planmäßigen Revision abgeschaltet. Während der Revision war zunächst bei wenigen der 30 Zentimeter langen Dübel festgestellt worden, dass sie offiziellen Angaben zufolge zwei Millimeter aus den Wänden gekommen waren. Daraufhin wurde vom Umweltministerium als zuständiger Atomaufsichtbehörde die Untersuchung aller verbauten Dübel der betroffenen Art in Block A veranlasst.

Mitte Oktober wurde auch Block B zur Überprüfung dieser Bauteile abgeschaltet. Bis Ende des Monats sollen "stichprobenartig" die dort verbauten Dübel kontrolliert werden.

Am 26-10-2006

RWE

Das seit Oktober abgeschaltete Atomkraftwerk Biblis wird nach Einschätzung des Betreiber-Unternehmens RWE frühestens im zweiten Quartal 2007 wieder ans Netz gehen können. Die Sanierungsarbeiten in den beiden Blöcken würden noch weitere Monate in Anspruch nehmen, kündigte RWE-Kraftwerksvorstand Jan Zilius am Donnerstag an. "In diesem Quartal kriegen wir das nicht mehr hin." Wann das Kraftwerk genau wieder ans Netz gehe, sei derzeit noch nicht absehbar, sagte der Konzernvorstand. RWE hatte bei einer Revision von Biblis A entdeckt, dass Dübel zur Befestigung von sicherheitstechnisch wichtigen Anlagenkomponenten Montagemängel aufwiesen. Da von diesen Mängeln auch Biblis B betroffen war, musste RWE diesen Kraftwerksblock ebenfalls vom Netz nehmen. Betroffen sind offenbar die Hälfte der rund 15.000 im Atomkraftwerk Biblis eingebauten Dübel.

Nach Darstellung von Zilius liegt die Verzögerung vor allem an den sehr detaillierten Genehmigungsverfahren durch die Aufsichtsbehörden, die im Zuge der Sanierung notwendig seien. RWE nutze den derzeitigen Stillstand aber und habe Revisionen, die eigentlich für später im Jahr geplant gewesen seien, vorgezogen.

Grüne: RWE hat längere Dübel beantragt

Nach Informationen der grünen Landtagsfraktion hat RWE als Ersatz für die fehlerhaft eingebauten Dübel die Zulassung von rund sechs Zentimeter längeren Dübeln beantragt.

"Die eigentlich vorgesehene Generalsanierung von Biblis A und B wurde bisher noch nicht einmal in Angriff genommen", heißt es in einer Mitteilung vom 23. Januar 2007. Da die Genehmigung durch das Deutsche Institut für Bautechnik erst jetzt erfolgt sei, würden die beiden Atomreaktorblöcke noch viele Monate lang keinen Strom produzieren. "Dies alles macht deutlich, um welch gravierendes Problem es sich hierbei handelt."

Jetzt produzierten die Biblis A und B keinen Strom mehr. Für die Partei "steht nun fest: Auch ohne das risikoreiche Atomkraftwerk gehen in Hessen die Lichter nicht aus."

Das Atomkraftwerk Biblis produziert etwa 2500 Megawatt Strom, wenn beide Blöcke in Betrieb sind. Für reguläre und auch für irreguläre Anlagenstillstände wie derzeit müssen Kraftwerksreserven mit einer Kapazität von größenordnungsmäßig 2500 Megawatt zur Verfügung stehen. Den Ersatzstrom für Biblis liefern derzeit im Strommix neben Kohlekraftwerken und anderen Atomkraftwerken auch Windkraftanlagen. Diesen wirft die Atomindustrie gerne vor, sie könnten nicht dauerhaft Strom liefern und bräuchten daher Reservekapazitäten.

Gewinn-Einbußen

Der außerplanmäßige Stillstand von Biblis hat bei RWE bereits 2006 den operativen Gewinn belastet. Schon im November hatte der Essener Konzern darauf verwiesen, dass sich das Unternehmen kurzfristig am Markt habe mit Strom eindecken müssen - zu deutlich höheren Preisen. Dies werde einen "nicht zu vernachlässigenden Effekt" auf das Ergebnis haben.

Nach den Worten von Zilius hat die bisherige Witterung in diesem Winter diesen negativen Effekt ein wenig abgemildert, da die Strompreise wegen des milden Wetters auf einem niedrigen Niveau geblieben seien.

Am 25-01-2007

3 weitere Vorkommnisse

Das vom Energiekonzern RWE betriebene Atomkraftwerk Biblis wird noch mehrere Monate abgeschaltet bleiben. Das teilte die Kraftwerksleitung am Mittwoch in Biblis mit. Ein Sprecher der Betreiberfirma RWE Power wollte sich auf Nachfrage nicht auf einen möglichen Termin für das Hochfahren des Meilers festlegen. Grund für den Stillstand sind tausende falsch montierter Dübel in dem südhessischen Atomkraftwerk. Der Mangel war erst bei einer Mitte September begonnenen Revision von Block A entdeckt worden. Wegen der fehlerhaften Dübel nahm RWE Mitte Oktober auch Block B vom Netz. Trotz des monatelangen Stillstands der beiden Atomkraftwerksblöcke gingen in Hessen die Lichter bislang nicht aus. Jetzt gab es in Biblis drei weitere Vorkommnisse.

Wie RWE und das hessische Umweltministerium knapp mitteilten, trat am 2. Februar an einem Notstromdiesel in Biblis A bei einem Funktionstest eine Störung auf. Bei der "sicherheitstechnisch wichtigen Komponente" kam es zu einer Leckage an einer Entlüftungsleitung des Motorkühlers, wodurch Kühlwasser des Notstromdiesels austrat.

Die mit einer Schraubverbindung befestigte Entlüftungsleitung hatte sich gelöst. Die Reparatur der für die Notstromversorgung wichtigen Komponente dauerte nach RWE-Angaben 3 Stunden.

Biblis B: Schäden an Kernbehälter und an Wärmetauschern

Im benachbarten Atomkraftwerksblock Biblis B wurden den Angaben zufolge am 1. Februar an 13 Schrauben des Kernbehälters "Befunde" festgestellt. Die Schrauben fixieren laut RWE die Bleche des Kernbehälters, in dem sich die Brennelemente befinden. Die Ursachen für die Schäden ist bislang offenbar unbekannt.

Am 2. Februar wurden in Biblis B zudem Schäden an einem Wärmetauscher eines sicherheitstechnisch wichtigen Kühlkreislaufs festgestellt. Laut RWE wurde an sieben Wärmetauscherrohren die "die Mindestwandstärke unterschritten", so dass diese Rohre verschlossen werden mussten. Der Atomkraftwerksbetreiber behauptet, dass dadurch die Funktionsfähigkeit des Wärmetauschers nicht beeinträchtigt sei.

Die sicherheitstechnische Relevanz der drei Vorkommnisse im Atomkraftwerk Biblis wurde weder seitens der Betreibergesellschaft RWE noch seitens des Umweltministeriums erläutert.

Am 08-02-2007

Hilfsantrag noch offen

Der Energiekonzern RWE scheiterte offenbar teilweise mit seinem Antrag beim Bundesumweltministerium, die Laufzeit des über 30 Jahre alten hessischen Atomkraftwerksblocks Biblis A zu verlängern. In den nächsten zwei Wochen solle RWE das Ergebnis mitgeteilt werden, teilte das Ministerium am 2. März mit. Noch nicht entschieden sei über einen zweiten Antrag, Reststrommengen eines anderen Reaktors auf Biblis zu übertragen, sagte ein Ministeriumssprecher.

Nach übereinstimmenden Presseberichten soll die Prüfung im Umweltministerium ergeben haben, dass keine Reststrommengen des im Rückbau befindlichen Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf Biblis A übertragen werden dürfen. RWE hatte im September einen Antrag dafür gestellt.

Hilfsweise war eine Übertragung von Restlaufzeiten des Kernkraftwerks Lingen auf Biblis A beantragt worden. Nach den Vorstellungen von RWE sollte Block A so bis in die zweite Jahreshälfte 2011 betrieben werden. Durch eine genehmigungsfreie Reststrommengen-Übertragung wollte RWE auch Block B so lange am Netz lassen.

RWE lag am Freitag nach eigener Aussage kein Bescheid aus dem Ministerium vor. Ein Sprecher der Konzerntochter RWE Power sagte, das Unternehmen sehe nach wie vor gute Erfolgsaussichten für seinen Antrag. RWE gehe davon aus, dass das Bundesumweltministerium den Antrag "sachgerecht und ideologiefrei" prüfe.

Die hessische Landesregierung, die sich für eine längere Laufzeit von Biblis und gegen einen Ausstieg aus der Atomenergie stark macht, warnte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) davor, sich bei der Entscheidung über die Laufzeitverlängerung von ideologischen Motiven leiten zu lassen. Gabriels hessischer Amtskollege Wilhelm Dietzel (CDU) verlangte, dass das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundeskanzleramt in die Biblis-Entscheidung einbezogen wird.

Biblis A ist der älteste deutsche Reaktor, der noch am Netz ist. Der Meiler ging 1974 in Betrieb. Auf der Grundlage des so genannten Atomkonsenses zwischen Bundesregierung und Atomindustrie muss das Atomkraftwerk spätestens 2008 vom Netz genommen werden, sofern es nicht zu längeren Anlagenstillständen oder vor allem Strommengen auf die Anlage übertragen werden. Umweltschutzorganisationen weisen seit Jahren auf eine hohe Störanfälligkeit des Meilers hin.

Atomkonzern EnBW lässt Strommengenübertragung für Neckarwestheim-1 prüfen Derzeit läuft noch ein weiteres Prüfverfahren eines Antrages auf Laufzeitverlängerung für das vom baden-württembergischen Energiekonzern EnBW betriebene AKW Neckarwestheim-1. Das Kernkraftwerk soll eigentlich spätestens 2009 vom Netz gehen. EnBW will Strommengen vom jüngeren Reaktor Neckarwestheim-2 auf den älteren übertragen und so dessen Laufzeit bis 2017 verlängern.

Mit "mindestens einem" weiteren Antrag der Stromwirtschaft auf Laufzeitverlängerung wird dem Zeitungsbericht zufolge in Kürze gerechnet.

Am 02-03-2007

Wirkung umstritten

Mit zweijähriger Verzögerung bekommt das von RWE betriebene Atomkraftwerk Biblis eine Vernebelungsanlage gegen Terrorangriffe mit Flugzeugen. Die Betreiberfirma RWE Power habe vom hessischen Umweltministerium eine erste Teilgenehmigung für die Errichtung der Anlage erhalten, teilte die Kraftwerksleitung am Donnerstag mit.

Ursprünglich sollte die Anlage in Biblis bereits 2005 genehmigt werden. Das Vernebelungsprinzip wurde dann jedoch zunächst in einem Pilotversuch am niedersächsischen Kernkraftwerk Grohnde erprobt. Biblis wird nun die bundesweit zweite Anlage, die das Tarnschutzsystem erhält. Nach und nach sollen auch alle anderen deutschen Atomkraftwerke mit der Technik ausgerüstet werden.

Eine Studie der Reaktorsicherheitskommission war nach "den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001" zu dem Schluss gekommen, dass besonders ältere deutsche Atommeiler mit ihren dünneren Betonwänden nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert sind. Fachleute äußerten die Befürchtung, dass etwa der Aufprall eines Flugzeugs auf den Reaktor Brunsbüttel oder Biblis zu einem Super-GAU führen könnte.

Mit der Anlage soll das Atomkraftwerk in kürzester Zeit in einer Nebelwand verschwinden können. Die Frage nach der Wirksamkeit ist jedoch umstritten. Eine Greenpeace-Studie kam 2004 zu dem Ergebnis, dass künstlich erzeugte Nebel an Atomkraftwerken wirkungslos wären. So sei fraglich, ob die kurzen Alarmzeiten für eine Vernebelung ausreichten.

Am 22-03-2007

Niederlage für Energieriesen RWE

Im Streit um eine längere Laufzeit von Deutschlands ältestem Atomkraftwerk (AKW) Biblis A hat das Betreiberunternehmen RWE vor Gericht eine Niederlage einstecken müssen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel wies am 27. Februar eine Klage des Energiekonzerns ab, der 30 Milliarden Kilowattstunden Reststrommengen des bereits 1988 stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf den südhessischen Meiler übertragen wollte. Nach Angaben von RWE hätte damit die Laufzeit bis 2013 verlängert werden können. Ohne die Übertragung müsste der Reaktor nach RWE-Berechnungen im Herbst 2009 abgeschaltet werden. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte den Antrag des Unternehmens jedoch nicht genehmigt - zu Recht, wie der VGH befand. Der Senat schloss sich der Sichtweise des Ministeriums an, dass die Stromkontingente von Mülheim-Kärlich nach dem Gesetz zum Atomausstieg nur auf sechs bestimmte Kernkraftwerke verschoben werden dürfen. Zu denen gehöre Biblis A aber nicht, heißt es in der Urteilsbegründung.

Es bedeute auch keine unzulässige Beschränkung der grundgesetzlich garantierten Eigentumsrechte, wenn RWE über die insgesamt 107 Milliarden Kilowattstunden Reststrom von Mülheim-Kärlich nicht beliebig verfügen könne. Der Energiekonzern will jetzt vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ziehen.

In der Verhandlung vor dem VGH hatten beide Seiten das Atomgesetz für sich Anspruch genommen. In einer Fußnote zu einer Anlage des Gesetzes ist aufgeführt, auf welche Kraftwerke Reststrommengen von Mülheim-Kärlich übertragen werden können.

RWE vertrat die Auffassung, dass mit dieser Auflistung eine Verschiebung auf andere Meiler nicht ausgeschlossen sei. Zudem sieht sich der Energiekonzern in seinen Eigentumsrechten beschnitten, wenn er die restliche Strommenge nicht nach eigenem Gutdünken so verwenden darf, wie ihm das wirtschaftlich geboten erscheine.

RWE möchte die Stilllegung von Biblis A möglichst lange hinauszögern - auf jeden Fall über das Ende der Legislaturperiode hinaus. "Wir wollen Zeit schaffen für weitere Entscheidungen, wie es mit der Kernenergie in Deutschland weitergeht", sagte der Leiter des Kraftwerks, Hartmut Lauer, am Rande der Verhandlung.

Aus gleicher Motivation will das Energieunternehmen Vattenfall Reststrom von Mülheim-Kärlich auf Brunsbüttel übertragen. Doch auch diese Klage war im Januar - vom schleswig-holsteinischen Oberverwaltungsgericht - abgewiesen worden.

Die Laufzeitverlängerung für Biblis A verfolgt RWE auch mit einem weiteren Antrag. Wenn die Übertragung von Mülheim-Kärlich nicht zugelassen wird, soll eine Strommenge vom Atomkraftwerk Emsland übertragen werden. Das Bundesumweltministerium prüft den Antrag nach eigenen Angaben noch. Der Hessische VGH hat nach Angaben des Ministeriums das Gerichtsverfahren zu einer diesen Antrag betreffenden RWE-Klage zunächst bis Ende März ausgesetzt.

Hessens Umweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) bedauerte die Entscheidung der Kasseler Richter. Der Grünen-Bundesvorsitzende und die hessische SPD begrüßten die Entscheidung dagegen.

Am 27-02-2008

Spielen auf Zeit

Vor wenigen Jahren hat RWE mit der Bundesregierung vereinbart, den hessischen Atomkraftwerksblock Biblis A voraussichtlich um das Jahr 2008 abzuschalten. Dafür hat die Atomwirtschaft von der Politik viele Zugeständnisse bekommen. Nun verweigert sich der Energieriese RWE - wie von Atomkraftgegnern damals prognostiziert - der 2000 schriftlich zugesicherten "geordneten Beendigung" der Atomenergienutzung. Nach Informationen des "Handelsblatts" setzte RWE für 2009 eine ungewöhnlich lange Revision an, die unmittelbar vor der Bundestagswahl 2009 endet. RWE hofft auf einen Regierungswechsel, um sein über 30 Jahre altes Atomkraftwerk weiterbetrieben zu können.

RWE hoffe weiter, in diesem Fall den Reaktor länger am Netz lassen zu dürfen, bestätigten Konzernkreise dem "Handelsblatt". Mit der Revision will sich das Unternehmen nun offenbar einen zusätzlichen Spielraum verschaffen. Biblis A soll im kommenden Jahr vom 9. Mai bis 5. September gewartet werden - also fast vier Monate lang. Das geht aus Daten hervor, die das Unternehmen im Internet Großhändlern zur Verfügung stellt. Bislang war der Stillstand vom 25. März bis 30. April geplant, also lediglich einen guten Monat lang.

Biblis A ist der nächste Reaktor, der nach dem 2002 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung und den Versorgern ausgehandelten Atomkonsens eigentlich abgeschaltet werden müsste. Damals wurden den 19 Anlagen Reststrommengen zugebilligt, die jedem einzelnen Reaktor insgesamt eine Laufzeit von im Schnitt 32 Jahre ermöglichen sollten. Bislang wurden aber nur die vergleichsweise sehr kleinen Atomkraftwerke Stade und Obrigheim stillgelegt. In dieser Legislaturperiode - für die die Regierungsparteien CDU und SPD vereinbart hatten, nicht an dem Beschluss zu rütteln - wird vermutlich kein weiterer Reaktor folgen.

Dabei wäre Biblis A bei normalem Betrieb eigentlich schon in diesem Jahr an der Reihe gewesen. RWE profitierte aber bereits von einem ersten - außerplanmäßigen - Stillstand. Weil der Energiekonzern in dem Reaktor tausende, offenbar fehlerhaft montierte Dübel austauschte, stand die Anlage eineinhalb Jahre lang still. Erst Anfang Februar fuhr der Betreiber RWE sie wieder hoch. Mit der jetzt geplanten Revision dürfte RWE sicher ins Jahr 2010 kommen.

Ein Sprecher der Kraftwerkstochter RWE Power begründete die verlängerte Revision mit sicherheitstechnischen Erfordernissen. Laut "Handelsblatt" heißt es dagegen in Konzernkreisen: "Wir werden doch nicht riskieren, dass wir keine Reststrommengen mehr haben, wenn es doch noch eine Chance auf längere Laufzeiten gibt."

Und selbst Konzernchef Jürgen Großmann macht keinen Hehl daraus, dass er Biblis um jeden Preis in die nächste Legislaturperiode retten will. "Wir können den Reaktor in Biblis so fahren, dass wir mit den Restlaufzeiten über die nächste Bundestagswahl kommen. Und dann gibt es vielleicht ein anderes Denken in Bevölkerung und Regierung", sagte er schon im Dezember.

An die schriftliche Vereinbarung mit der Bundesregierung möchte sich der RWE-Chef nicht halten. Politiker werfen der Atomwirtschaft daher fehlende Vertragstreue vor.

Am 31. Mär. 2008

Brisantes Leck

Die hessische Atomaufsicht unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) lässt offenbar den Atomkraftwerksblock Biblis B weiterlaufen, obwohl dort seit dem 10. Januar Radioaktivität über einen so genannten Dampferzeuger in die Umgebung entweicht. Wie der Betreiber RWE und das hessische Umweltministerium meldeten, ereignete sich in Biblis B am 10. Januar eine "geringfügige Heizrohrleckage" in einem Dampferzeuger des Atomkraftwerks. Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW machte das Ereignis nun breit bekannt. Man wolle zwar nichts künstlich aufbauschen, sagte ein Sprecher. "Es handelte sich offenbar erneut um ein Leck unterhalb der kritischen Größe. Aber man muss wissen, dass Dampferzeuger-Heizrohrlecks ab einer kritischen Größe alles andere als Lappalien sind. In allen offiziellen Risikostudien gehören sie zu den gefährlichsten Auslösenden Ereignissen, die vergleichsweise leicht zur Atomkatastrophe führen können."

Das Atomkraftwerk Biblis B ist laut IPPNW gegenüber Dampferzeuger-Heizrohrlecks "besonders schlecht geschützt". Der Atomkraftwerksblock weise nachweislich 17 schwerwiegende Sicherheitsmängel zur Beherrschung dieser hoch-komplexen Vorkommnisse auf.

Wegen des gewaltigen Gefährdungspotenzials dürfe es eigentlich noch nicht einmal zu einer solchen Kleinstleckage kommen, wie sie sich in Biblis nun am 10. Januar offenbar erneut ereignet habe. "Eigentlich muss RWE Vor-Schädigungen an den Heizrohren entdecken, lange bevor es zu einem Leck, also zu einem wand-durchdringenden Schaden an einer solchen Rohrleitung kommt", so der IPPNW-Sprecher. "Dass es nun aber erneut, wie schon 1998 – damals trotz einer förmlichen Vorwarnung – zu einem Leck kommen konnte, zeigt, dass RWE diese gefährliche Technik nicht im Griff hat. In Biblis kann es jeden Tag zum Super-GAU kommen. Ein Weiterbetrieb dieses Atomkraftwerks, wie von Roland Koch favorisiert, ist völlig unverantwortlich."

Von einem Super-GAU in Biblis wären Millionen Menschen in Hessen wie auch in ganz Deutschland betroffen. Nach Auffassung der IPPNW ist es aber bereits unverantwortlich, dass die hessische Atomaufsicht das Atomkraftwerk Biblis mit dem aktuellen Leck einfach weiterlaufen lässt, so als wäre nichts geschehen. "Wenn die offiziell angegebene Menge der in Biblis ständig austretenden Radioaktivität auch nur ein Tausendstel des zulässigen Tages-Grenzwertes betragen soll, wie von RWE und der Landesregierung dargestellt, dann ist zu berücksichtigen, dass Tages-Grenzwerte Radioaktivitäts-Spitzen darstellen, die möglicherweise bei strahlen-empfindlichen Kindern in der Nahumgebung Krebs und Leukämie auslösen können. Eine offiziell bei nur einem Tausendstel der zulässigen Grenzwerte liegende Radioaktivität führte in der allseits gelobten Studie des atomenergie-freundlichen Mainzer Kinderkrebs-Registers zu dem Ergebnis, dass Kinder in der Nahumgebung deutscher Atomkraftwerke vermehrt an Krebs erkranken."

Die Regierung Koch handelt nach Auffassung der Ärzteorganisation vor diesem Hintergrund "völlig verantwortungslos, wenn sie das Atomkraftwerk mit dem Leck einfach weiterlaufen lässt". Das Vorsorgeprinzip verlange zwingend, mögliche Gefahrenquellen sofort abzuschalten, spätestens dann, wenn durch ein Leck Radioaktivität in die Umwelt freigesetzt werde. "Vor allem aber müssen wir endlich nüchtern realisieren, dass es in Biblis jeden Tag zu einem kritischen Dampferzeuger-Heizrohrleck und damit mitten in Europa zur Atomkatastrophe kommen kann. Dies gilt es zu verhindern und deshalb muss dieses gefährliche Atomkraftwerk umgehend abgeschaltet werden", fordern die Atomkritiker.

Am 16-01-2009

Reaktorgebäude

Im hessischen Atomkraftwerk Biblis ist erneut eine Störung aufgetreten. Wie das Umweltministerium in Wiesbaden als zuständige Aufsichtsbehörde am Mittwoch (11. März) mitteilte, sei am vergangenen Samstag im "Ringraum" des Reaktorgebäudes von Biblis, Block B, ein Leck an einer Rohrleitung des Nebenkühlwassersystems entdeckt worden.

Das Loch sei abgedichtet worden. Die Leitung werde bei der derzeitigen Revision des Kraftwerks saniert. Personal, Umgebung oder Anlage seien nicht gefährdet gewesen, hieß es vonseiten des Ministeriums.

Bei der Störung handele es sich um die vierte Störung innerhalb von eineinhalb Wochen, die RWE als Betreiber von Deutschlands ältestem Kernkraftwerk meldete.

Beide Reaktorblöcke von Biblis sind derzeit abgeschaltet. Die voraussichtlich bis September dauernde Revision von Block A soll nach Angaben von RWE rund 70 Millionen Euro kosten. Block B wird seit Ende Januar bis voraussichtlich Ende Mai überprüft.

Am 11-03-2009

Korrosion einer Absperrarmatur

Im Atomkraftwerk Biblis ist erneut ein Defekt festgestellt worden. Wie das hessische Umweltministerium am Dienstag (7. April) mitteilte, informierte Biblis-Betreiberin RWE über die Korrosion einer Absperrarmatur im Block A.

Eine Gefahr für Personal, Umgebung oder Anlage habe nicht bestanden, so die routinemäßige Angabe des Ministeriums. Das beschädigte Bauteil sei ausgetauscht worden, vergleichbare Armaturen müssten nun überprüft werden.

Sowohl Block A als auch Block B des Kernkraftwerks Biblis sind seit Monaten wegen einer Revision abgeschaltet. Allein seit Anfang März wurden fünf meldepflichtige Störungen entdeckt.

Die Grünen im hessischen Landtag erneuerten ihre Forderung, "diesen alten Atommeiler endgültig stillzulegen". Anstatt auf Deutschlands ältestes Atomkraftwerk zu setzen, sollte die CDU/FDP-Koalition den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben, sagte die energiepolitische Sprecherin, Ursula Hammann. Die Stromversorgung in Hessen sei ohne Atomenergie möglich.

Am 07-04-2009

50 Liter kontaminierten "Sperrbereich"

Im hessischen Atomkraftwerk Biblis hat es wieder eine Störung gegeben. Die Kraftwerkbetreiberin RWE habe das Umweltministerium als zuständige Aufsichtsbehörde über den Austritt eines Harz-Wassergemisches aus einer Armatur des Kühlmittelreinigungssystems im Reaktorblock B informiert, teilte das Ministerium am Mittwoch in Wiesbaden mit. Rund 50 Liter hätten einen Raum innerhalb des Sperrbereichs kontaminiert.

Die Flüssigkeit sei abgesaugt worden. Gefahr habe weder für Personal noch Umgebung oder Anlage bestanden.

Block A und Block B des Kernkraftwerks Biblis sind seit Monaten wegen einer Revision abgeschaltet. Kernkraftgegner und Umweltschützer fordern seit langem die Abschaltung des ältesten deutschen Atomkraftwerks. Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW klagt auf Stilllegung des Reaktorblocks Biblis B.

Am 22-04-2009

"Sicherheitsgründe"

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat aus Sicherheitsgründen eine Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Brunsbüttel ablehnt. Der Betreiber Vattenfall Europe wollte Strommengen des Atomkraftwerks Krümmel auf den Meiler in Brunsbüttel übertragen. Die Anlage in Brunsbüttel verfüge aber über noch weniger Sicherheitsreserven als Krümmel, teilte das Bundesumweltministerium am Dienstag (5. April) in Berlin als Begründung mit. Zur Sicherstellung der Energieversorgung im Norden und zum Klimaschutz sei keine Strommengenübertragung erforderlich.

Vattenfall Europe will gerichtliche Schritte gegen die Entscheidung des Bundesumweltministeriums einleiten. Eine bereits laufende Untätigkeitsklage beim Oberverwaltungsgericht Schleswig soll in eine Aufhebungsklage umgewandelt zu werden, kündigte Unternehmenssprecherin Barbara Meyer-Bukow am Dienstag auf ddp-Anfrage an. Sie wies zugleich Kritik am Sicherheitsstandard des Atommeilers zurück. "Brunsbüttel ist ein sicheres Kraftwerk", sagte sie. Dies hätten verschiedenste Analysen bestätigt.

Beide schleswig-holsteinischen Anlagen gehören zum Vattenfall-Konzern. Im Mai 2007 hatte das Unternehmen beantragt, eine Strommenge von 15 Terawattstunden (TWh) auf das AKW Brunsbüttel zu übertragen. Dadurch würde die Laufzeit des Siedewasserreaktors Brunsbüttel um etwa zweieinhalb Jahre verlängert.

Der 1977 in Betrieb genommene Reaktor in Brunsbüttel ist seit dem Sommer 2007 nach einem Kurzschluss und Mängeln vom Netz genommen. Wann das Kraftwerk wieder in Betrieb genommen werden kann, steht noch nicht fest. Auch der im Vergleich zum Atomkraftwerk Brunsbüttel neuere Reaktor in Krümmel ist nach einem Trafobrand und Reparaturarbeiten Ende Juni 2007 weiter vom Netz.

Ende März hatte bereits das Bundesverwaltungsgericht eine weitere Ablehnung durch das Bundesumweltministerium im Fall Brunsbüttel bestätigt. Die Anlagenbetreiber RWE und Vattenfall wollten Reststrommengen des bereits stillgelegten Atomrektors Mülheim-Kärlich auf die AKW Biblis A und Brunsbüttel übertragen.

Am 05-05-2009