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Demjanjuk in den Händen der bayerischen Justiz

Mutmaßlicher NS-Kriegsverbrecher

Das Verfahren gegen den mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrecher John Demjanjuk ist am Dienstag (12. Mai) einen großen Schritt vorangekommen. Der 89-Jährige landete nach seiner Abschiebung aus den USA auf dem Münchner Flughafen und wurde ins Gefängnis Stadelheim eingeliefert. Dort wurde ihm der Haftbefehl eröffnet, in welchem ihm vorgeworfen wird, 1943 Beihilfe zum Mord an 29.000 Menschen im Konzentrationslager Sobibor geleistet zu haben. Der gesundheitlich angeschlagene Demjanjuk äußerte sich auf Anraten seines Pflichtverteidigers Günther Maull zunächst nicht zu den Beschuldigungen.

Maull sagte, der Haftbefehl sei dem gebürtigen Ukrainer in seiner Muttersprache vorgelesen worden. Er habe den Eindruck, dass sein Mandant die Vorwürfe verstanden habe. Bis zum Beginn eines möglichen Prozesses gegen Demjanjuk werden nach Einschätzung des Verteidigers noch mehrere Monate vergehen.

Ob sein Mandant überhaupt verhandlungsfähig sei, wollte Maull dem Urteil der Mediziner überlassen. Der Beschuldigte bleibt vorerst auf der Krankenstation des Gefängnisses unter ärztlicher Beobachtung. Bei der Eröffnung des Haftbefehls saß Demjanjuk in einem Rollstuhl und trug eine Sauerstoffmaske. Demjanjuks Sohn hatte gesagt, sein Vater leide an Myelodysplasie, einer Vorform von Leukämie.

Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch forderte einen möglichst raschen Prozessbeginn. "Es geht hier um einen Wettlauf gegen die Zeit", sagte sie in München. Sie betonte, der Fall habe einen hohen symbolischen Stellenwert. "Alle noch lebenden NS-Kriegsverbrecher sollen wissen, dass es für sie keine Gnade geben kann, egal in welchem Alter."

Das Flugzeug mit dem staatenlosen Demjanjuk war am Montagabend (Ortszeit) in Richtung Deutschland gestartet. Der seit Jahrzehnten in den USA lebende Demjanjuk konnte abgeschoben werden, weil er bei seiner Einwanderung falsche Angaben gemacht hatte und ihm deshalb die US-Staatsbürgerschaft entzogen wurde.

Der Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm, sagte, im Fall Demjanjuk werde nach seiner Ansicht das Beweismaterial für eine Anklage und für eine Verurteilung ausreichen. Grundsätzlich müsse bei diesem Verfahren die Suche nach Gerechtigkeit im Mittelpunkt stehen. Niemand dürfe das Gefühl haben, dass aufgrund des Zeitablaufs "irgendwann alles unter den Tisch gekehrt" werde.

Unterdessen gehen die Vorbereitungen der Staatsanwaltschaft München I für die Anklageerhebung weiter. Der wohl letzte verbliebene Überlebende des Konzentrationslagers Sobibor im von den Deutschen besetzten Polen wurde am Dienstag über die damaligen Geschehnisse befragt. Der heute 82-jährige Thomas Blatt soll als Zeuge im geplanten Prozess gegen Demjanjuk aussagen. Blatt war als 15-Jährigem bei einem Massenausbruch von Gefangenen die Flucht geglückt.

Sein Anwalt Stefan Schünemann sagte, Blatt habe zwar Demjanjuk nicht persönlich kennengelernt, aber er habe allgemein über die Aufgaben der ukrainischen SS-Wächter berichtet. Sie seien "maßgeblich am reibungslosen Ablauf der Vernichtung" neu angekommener Gefangener sowie an der Bewachung der sogenannten Arbeitsjuden beteiligt gewesen. Mit Schlägen hätten sie Tausende Menschen in die Gaskammern getrieben.