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Soziale Spaltung und Armut bekämpfen

Grüne fordern Enquête-Kommission

Die Soziale Spaltung der Stadt ist durch viele Zahlen belegt. Die Grünen fordern für die kommende Wahlperiode eine Enquête-Kommission zur Armutsbekämpfung in Hamburg. Politik, Verbände und Wissenschaft sollen in dem Gremium gemeinsam nach Auswegen aus der Armutsfalle suchen und konkrete Maßnahmen erarbeiten. Der aktuelle Sozialbericht der Stadt und die Zahlen des Statistikamts Nord belegen: Die Armut in Hamburg hat sich verfestigt, die soziale Schere ist eines der größten Probleme unserer Stadt. Der Hamburger Wohlfahrtsindex (HWI), den die Grüne Fraktion im Frühjahr von Wissenschaftlern der Universität Heidelberg und der FU Berlin hatte berechnen lassen, attestiert Hamburg einen Zuwachs an Reichtum – bei gleichzeitig gesunkener Wohlfahrt. Grund dafür sind vor allem die Einkommensunterschiede, die in keinem Bundesland höher sind als in Hamburg.

Dazu Katharina Fegebank, sozialpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Die Zahlen machen deutlich, dass die Politik das Problem mit hoher Priorität auf die Tagesordnung setzen muss. Deshalb regen wir die Einsetzung einer Enquête-Kommission an. Hamburgerinnen und Hamburger mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende, Kinder und Familien sind besonders von Armut bedroht, das hat der Sozialbericht gezeigt. Eine Millionenstadt mit großem Wohlstand kann es sich nicht leisten, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung in der Armutsfalle steckt. Für uns kann es deshalb kein ,Weiter so‘ geben. Wir wollen gemeinsam mit Experten sehen, wie sich die Armut in Hamburg wirksam und entschlossen bekämpfen lässt.“

Dr. Anjes Tjarks, wirtschaftspolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen Bürgerschaftsfraktion, erklärt: „Der Hamburger Wohlfahrtsindex hat deutlich gemacht, dass die Unterschiede zwischen arm und reich in unserer Stadt größer sind als irgendwo sonst in Deutschland. Die Studie belegt, dass Hamburg in den vergangenen Jahren zwar materiell reicher aber bei der Wohlfahrt dennoch ärmer geworden ist. Die Bekämpfung der Armut ist eine riesige Herausforderung, sie betrifft viele Bereiche. Eine Enquête-Kommission ist das geeignete parlamentarische Mittel, um hier Lösungswege zu finden. Wir hoffen, dass die anderen Fraktionen der Bürgerschaft nach der Wahl diesen Weg mitgehen.“

Joachim Speicher, geschäftsführender Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hamburg und Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, erklärt: „Die Armutsquote in der Hansestadt ist trotz sinkender Arbeitslosigkeit auf den höchsten Stand seit 2006 gestiegen. Das hat der Armutsbericht des Paritätischen Ende 2013 gezeigt. Hamburg ist nicht nur die Hauptstadt der Altersarmen, sondern immer stärker auch sozial gespalten. Die Reichen werden reicher und die Armen immer ärmer. Wenn die Kluft nicht weiter wachsen soll, müssen die Parteien gemeinsam mit Experten nach Lösungen für die bedrohliche Lage suchen. Daher unterstützen wir die Forderung, eine Enquête-Kommission einzusetzen.“

Was ist eine Enquête-Kommission?

Eine Enquête-Kommission kann auf Antrag eines Fünftels der Bürgerschaftsabgeordneten eingesetzt werden. Sie berät gemeinsam mit unabhängigen Experten über Ursachen, Probleme und mögliche Lösungsstrategien. Die Kommission legt bis zum Ende der Wahlperiode ihren Bericht samt politischen Handlungsempfehlungen vor. Warum benötigt Hamburg in der nächsten Wahlperiode eine Enquête-Kommission zur Armutsreduzierung? Seit 2005 ist die Armutsgefährdungsquote in Hamburg stetig auf einem hohen Niveau. Rund 17,5 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger sind von Armut bedroht (siehe Tabelle 1, Quelle Statistische Ämter des Bunds und der Länder).

Durch den aktuellen Sozialbericht der Stadt Hamburg wissen wir außerdem, dass folgende Gruppen in Hamburg besonders von Armut bedroht sind: Kinder: In Hamburg lebt jedes vierte Kind in Armut, rund 46.000 Kinder sind von Armut bedroht. Die Quote der unter 15-Jährigen, die von Hartz-IV-Bezügen leben, liegt in Rothenburgsort bei 49,4 Prozent, in Nienstedten dagegen bei 0,2 Prozent. Migranten: Hamburgerinnen und Hamburger hatten im Durchschnitt ein Armutsrisiko von 34,1 Prozent (Statistische Ämter des Bunds und der Länder). Alleinerziehende: Alleinerziehende haben in Hamburg ein Armutsrisiko von 44,1 Prozent. Leben zwei Kinder oder mehr in einem Haushalt, dann steigt das Risiko auf 55 Prozent Senioren: In keinem anderen Bundesland leben so viele Seniorinnen und Senioren von der Grundsicherung im Alter. In Hamburg liegt die Quote bei 6,2 Prozent und die Tendenz ist steigend. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, in denen Armut weit verbreitet ist, ist Hamburg eine wirtschaftlich starke Metropole. Die Ausgangslage ist dementsprechend gut. Welcher Arbeitsauftrag folgt daraus für die Enquête-Kommission? Die Kommission soll herausarbeiten, warum in Hamburg sich Armut verfestigt, die soziale Spaltung anhält und soll Lösungsvorschläge erarbeiten sowie kritisch-konstruktiv das bestehende Hilfesystem evaluieren. Sie bietet die Möglichkeit, dass externe Akteure wie Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, Wohlfahrts- und Sozialverbänden sowie Expertinnen und Experten aus der Praxis mit eingebunden werden können.

Folgende Arbeitsaufträge sollte die Kommission nach Vorstellung der Grünen u.a. erhalten:

· Sie soll über die sozioökonomischen, strukturellen und individuellen Ursachen von Armut und Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention von Armut beraten

· Sie soll Vorschläge für den Senat zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts unter Einbeziehung von verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gruppen erarbeiten Besonders berücksichtigt werden sollte dabei:

· Verbesserung der frühkindlichen Bildung und Kinderbetreuung im Kontext von Kinderarmut

· Bildungspolitische Strategien für armutsgefährdete Jugendliche und junge Erwachsene

· Erwachsen-Aus- und Weiterbildung zur Überwindung von Armut

· Die Förderung von Alleinerziehenden

· Verbesserung und passgenaue Ausrichtung arbeitsmarktpolitische Instrumente zur Vermittlung, Qualifizierung und Beschäftigungsförderung von Arbeitslosen und insbesondere von Langzeitarbeitslosen

· Sozialräumliche Instrumente zu Bekämpfung von Armut

· Verbesserung der Gesundheitsversorgung von armutsgefährdeten Personen

· Strategien zur Bekämpfung der Armutsgefährdung von Menschen mit Migrationshintergrund

· Zur Verbesserung der Versorgung von günstigem Wohnraum für sozial benachteilige Personen

· Die besondere Rolle der Armutsgefährdung von Menschen mit Behinderungen

· Bekämpfung der extremen Armut in Form von Obdachlosig- und Wohnungslosigkeit

· Die zunehmende Altersarmut Die Enquête-Kommission wird eine wichtige Forderung des Grünen Wahlprogramms sein.

"Tragische und grausame Ungerechtigkeit"

Nach Auffassung des entwicklungspolitischen Verbandes "Venro" können die so genannten "Millenniumsziele" zwar grundsätzlich ereicht werden. Diese Ziele würden jedoch zur Zeit viel zu wenig engagiert angegangen. Mit der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen im Jahr 2000 versprachen die Regierungschefs der Welt die Halbierung der weltweiten Armut bis 2015. Wird das gegenwärtige Tempo beibehalten, dann werde Afrika das Ziel der Armutshalbierung jedoch nicht im Jahr 2015, sondern erst im Jahr 2147 erreichen, schreibt der Verband. Da das Thema Armutsbekämpfung im Jahr 2005 sowohl beim G8-Gipfel in Schottland im Juli und vor allem beim UN-Gipfel im September prominent auf der Tagesordnung stünde, sei 2005 "ein Schlüsseljahr", heißt es dort weiter. Jetzt startete der Verband den deutschen Teil der internationalen Kampagne "Global Call to Action Against Poverty" ("Weltweite Aktion gegen Armut") zur Einhaltung der versprochenen Ziele. Venro hat prominente Unterstützung. Der Musiker Herbert Grönemeyer äußerte die Befürchtung, dass Deutschland aufgrund seiner eigenen sozialen Situation versuchen könnte "sich aus den Verpflichtungen herauszuschleichen". Er habe vor, dies gemeinsam mit anderen Künstlern zu verhindern. Venro empfiehlt, unter anderem mit Kerosinsteuer und "Tobin Tax" neue Gelder für die Entwicklungshilfe aufzubringen.

Der Venro-Vorsitzende Reinhard Hermle sagte: "Fünf Jahre sind seit der Verabschiedung der Millenniums-Entwicklungsziele vergangen. Die bisherigen Fortschritte erweisen sich jedoch als völlig unzureichend. Dabei ist es grundsätzlich möglich, bis zum Jahr 2015 die schlimmsten Formen von Armut, Hunger und Krankheit in der Welt zu beseitigen."

Notwendig dazu seien aber mutige und weit reichende politische Entscheidungen, sowohl in Entwicklungs- als auch vor allem in Industrieländern. "Werden auch in diesem Jahr die Weichen nicht richtig gestellt, ist die Chance vertan". Die reichen Industriestaaten seien bisher weit hinter ihren internationalen Verpflichtungen und Möglichkeiten zurück geblieben. Es sei trotzdem "durchaus realistisch", dass ein Großteil der Ziele bis 2015 erreicht werden könne.

Venro und Grönemeyer forderten die Bundesregierung auf, die deutschen Entwicklungsgelder auf die fest zugesagten 0,33 Prozent des Bruttonationaleinkommens anzuheben und bald einen verbindlichen Zeitplan zur Erreichung des 0,7 Prozent-Ziels vorzulegen. Hermle: "Wenn wir 0,7 Prozent abgeben, sind sowieso noch 99,3 Prozent für uns!" Dieses Ziel solle durch die Bereitstellung zusätzlicher Gelder und nicht nur die Anrechnung weiterer Schuldenerlasse erreicht werden.

Grönemeyer hat genug von Lügen und leeren Worten

Grönemeyer sprach in diesem Zusammenhang von "Taschenspielertricks". Er wolle keinen "politischen Wust von Nichts" hören, denn das Thema sei zu ernst. Trotz großer Schwierigkeiten die es in Deutschland gäbe, seien "wir sehr wohl in der Lage" die damals versprochenen Ziele zu erreichen. Er sprach von einer "tragischen und grausamen Ungerechtigkeit in der Menschheit, dass in Zeiten, in denen die Welt über mehr als die nötigen Mittel verfügt, immer noch Millionen Menschen an den Folgen extremer Armut sterben müssen."

Neben scharfer Kritik hob Grönemeyer jedoch immer wieder hervor, dass die vollständige Beseitigung der Armut seiner Ansicht nach sehr wohl gute Chancen habe. Das zusätzliche Geld müsse für Ernährungssicherung, Grundbildung, Basisgesundheitsdienste und den Zugang zur Wasser- und Sanitärversorgung verwendet werden, forderte er gemeinsam mit Venro.

Hierbei gehe es vordringlich um die ärmsten und armen Länder sowie um die Bekämpfung von Armut und Hunger bei den ärmsten Bevölkerungsgruppen in Ländern mit höherem Einkommen. Länder sollten ihre Schulden überhaupt erst dann zurückzahlen müssen, wenn sie in der Lage seien die Millenniumsziele zu erreichen.

Der Venro-Vorsitzende sagte, es hersche "ein krasses Missverhältnis" zwischen Entwicklungsetat und anderen Budgets. Während für Entwicklungshilfe weltweit jährlich 69 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stünden, würden gleichzeitg eine Billion US-Dollar für Rüstung ausgegeben. Die Entwicklungspolitik selbst sei inzwischen recht gut, meint der Verband, die Wirtschaftspolitik mache aber wieder vieles zunichte. So müsse es auch "endlich einen Abbau der Agrarsubventionen" geben.

Der deutsche Teil der internationalen Kampagne mit dem Namen "Deine Stimme gegen Armut" sprach sich dabei auch dafür aus, dass die ärmsten Länder ihre Produkte auf dem Weltmarkt verkaufen können sollten, ohne Zölle oder andere Regulierungsmaßnahmen beachten zu müssen. Die Deutschen wandten sich auch gegen eine Privatisierung der Wasserversorgung in den armen Ländern und forderten, dass Umweltabkommen vor Handelsvereinbarungen stehen müssten.

Am 3.Februar drückte Nelson Mandela seine Unterstützung für die Kampagne bei einer großen Kundgebung in London aus. Er sagte, die Kampagne könne als zivilgesellschaftliche Bewegung ihren Platz neben der Bewegung zur Beendigung der Sklaverei finden.

Am 31. Mär. 2005

Vorbereitung auf G8-Treffen

Das G8-Treffen in Schottland wirft seine Schatten voran. Aber nicht nur die Staats- und Regierungschefs befassen sich mit der Lage in der Welt. Auch viele soziale Bewegungen und NGOs bereiten ihre Protestaktionen vor. Das meiste Aufsehen wird Bob Geldofs Rockfestival gegen die Armut erregen. Lateinamerikanische Gruppen bieten Inhaltliches zum Thema. So legen sie dar, dass Armut weiblich sei.

Bob Geldof hat mehrere zeitgleich statt findende Konzerte in europäischen und amerikanischen Großstädten mit Superstars wie Paul Mc Cartney, Sting, Annie Lennox und vielen mehr organisiert und lässt damit das "Live Aid"-Spektakel von 1985 wieder aufleben.

Derweil haben sich lateinamerikanische soziale Bewegungen in Chile getroffen und in einem ausführlichen Kommuniqué dargelegt, dass seit 1990 weltweit 270 Millionen Menschen an den Folgen der Armut gestorben seien. Besonders betroffen seien Frauen und Kinder.

Armut sei dabei nicht nur materiell zu sehen. Auch mangelnde Informationen über die Rechte des Einzelnen führten zu Armut und Ungleichheit, sagte Monica Maureira von Oxfam International. Weiterhin kritisiert das Komuniqué, dass die Industriestaaten weiterhin ihr Versprechen brechen, mindestens 0,7 Prozent des Bruttoinlandproduktes für Entwicklungspolitik auszugeben.

In der ersten Juliwoche wollen weltweit hunderttausende Menschen für die Kampagne gegen die Armut auf die Straße gehen.

Am 28. Jun. 2005