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Roland Kochs automatische Kennzeichenkontrolle ist verfassungswidrig

Höchstrichterliche Warnung vor dem Überwachungsstaat

Die in Hessen unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und in Schleswig-Holstein praktizierte automatische Erfassung von Autokennzeichen durch die Polizei verstößt gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das entschied das Bundesverfassungsgericht am 11. März in Karlsruhe. Datenschützer und Bürgerrechtler warnen seit Jahren vor einem Überwachungsstaat in Deutschland. Bei Sicherheitspolitikern ernteten sie meist Unverständnis. Nun wurden die Kritiker höchstrichterlich bestätigt. Die Karlsruher Richter folgten weitgehend der Argumentation des Rechtsanwalts dere drei klagenden Autofahrer, Udo Kauß. Er hatte in der Verhandlung betont, dass die Polizei durch die Kennzeichenerfassung "zu einer massenhaften heimlichen Beobachtung von Unverdächtigen ermächtigt" werde. Das sei eine "neue Qualität der Kontrolle" und ein Vorgehen, das sonst nur in einem "Polizeistaat" üblich sei.

In seinem Urteil zur automatischen Kennzeichenerfassung hat das Bundesverfassungsgericht erstmals von einem "Gefühl des Überwachtwerdens" bei den Bürgern gesprochen. Kauß sagte, das Gericht habe damit einen "neuen" Begriff in die juristische Diskussion eingeführt. Aus Sicht der Richter wird "die Unbefangenheit des Verhaltens" der Bürger dann gefährdet, wenn Ermittlungen so weit gestreut sind, dass jeder Bürger sich als potenzieller Straftäter fühle. Davon könnten "allgemeine Einschüchterungseffekte ausgehen".

Die Kennzeichenerfassung ist mit dem Urteil zwar "nicht tot", wie Kauß nach der Urteilsverkündung sagte. Doch die Bundesländer sind nun an sehr strenge Vorgaben gebunden: Die Fahndungsmaßnahme darf nur stichprobenartig und nicht flächendeckend angewandt werden. Der Abgleich mit Fahndungsdateien der Polizei muss "unverzüglich" erfolgen. Zudem müssen die Daten - falls es keinen "Treffer" gibt - "spurlos" und ohne die Möglichkeit, einen Personenbezug herzustellen, gelöscht werden.

Ronellenfitsch: Kennzeichenerfassung rund um eine Großstadt weiterhin möglich

Nach Angaben des hessischen Datenschutzbeauftragten Michael Ronellenfitsch muss zudem der Verwendungzweck genau beschrieben werden. Das könne die Suche nach gestohlenen Autos ebenso sein wie die nach Gewaltverbrechern. Die Fahndungsmaßnahme müsse aber - weil sie nicht flächendeckend sein dürfe - einen "besonderen Ortsbezug" haben. Denkbar sei etwa eine Kennzeichenerfassung an der Grenze zu einem Nachbarstaat oder auf allen Autobahnen rund um eine Großstadt.

Dass die Kontrollbrücken für die Erhebung der Lkw-Maut auf Autobahnen nun auch für die Kennzeichenerfassung bei Pkw eingesetzt werden könnten, ist eher unwahrscheinlich. Denn ob die dort erfassten Daten tatsächlich "unverzüglich" und "spurlos" gelöscht werden können, erschien mehreren Experten nach der Urteilsverkündung als fraglich.

Die Mautbrücken erfassen mit Videokameras zwar schon jetzt alle vorbeifahrenden Fahrzeuge - also nicht nur Lkw. Eine automatisierte Kennzeichenerfassung erfolgt aber bisher nur bei jenen Fahrzeugen, die durch eine Größenmessung als potenziell mautpflichtig identifiziert worden sind. Die ermittelten Daten werden gegenwärtig zwar nur für die Mautberechnung genutzt. Allerdings hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) schon mehrfach betont, dass aus seiner Sicht eine Verwendung von Maut-Daten auch zur Verfolgung schwerer Straftaten notwendig wäre.

Bouffier stoppt automatische Kennzeichenerfassung

Hessen hat nach dem Urteil offenbar den Einsatz der Lesegeräte zur Kennzeichenkontrolle gestoppt. Innenminister Volker Bouffier (CDU) ordnete am 11. März in Wiesbaden eigenen Angaben zufolge an, sämtliche Lesegeräte bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung nicht mehr zu verwenden.

Bouffier sagte, er bedauere die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Sie erschwere die Kriminalitätsbekämpfung. Man müsse jetzt sehr genau prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen Kennzeichenlesegeräte zur Gefahrenabwehr eingesetzt werden können.