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Steinbrück eilt Deutsche-Bank-Chef Ackermann zu Hilfe

Globale Regulierungsbehörde

Es wirkt wie ein abgestimmtes Drehbuch. Am Abend des 17. März ruft fordert Deutsche Bank Chef Josef Ackermann wegen der Finanzkrise in den USA Unterstützung auch vom deutschen Staat. "Es reicht nicht mehr, die Banken zu gegenseitiger Hilfe aufzufordern. Es gibt keinen Liquiditätsengpass, sondern einen Investorenstreik. Ich glaube hier nicht allein an die Selbstheilungskräfte der Märkte." Der mächtige Bank-Chef rief zu "gemeinsamen Aktionen" von Regierungen, Zentralbanken und Privatbanken auf, um das Vertrauen in die globalen Finanzmärkte wiederherzustellen. Die Regierungen müssten Einfluss nehmen auf die Märkte. Er forderte eine globale Regulierungsbehörde. Ackermann musste nicht lange warten. Schon am nächsten Morgen reagierte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) - und forderte praktisch das Gleiche. Zunächst sprach Steinbrück in Potsdam von der "größten Finanzkrise der letzten Jahrzehnte". Und forderte wie Ackermann: Nur durch einen engen Schulterschluss von Politik, Zentralbank und Kreditbranche sei die Finanzkrise zu bewältigen. "Wir in Deutschland sind sehr stark darauf angewiesen, die gute Zusammenarbeit zwischen Politik, Bundesbank, den jeweiligen Bankenverbänden und Bankeninstituten so dicht zu halten, dass wir die Folgewirkungen minimieren können", so der Bundesfinanzminister. Der Bundesverband deutscher Banken hatte vor dem Hintergrund der Finanzkrise schon vor einiger Zeit "eine verbesserte internationale Zusammenarbeit" gefordert. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac protestierte gegen die Bestrebungen, die Folgen einer "verfehlten neoliberalen Finanzmarktpolitik" nun auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

"Auswirkungen auf die Realwirtschaft können nicht verleugnet werden", so Steinbrück am 18. März. Die deutsche Wirtschaft habe aber die Chance, besser durch die Krise zu kommen als die amerikanische. "Ich bin froh, dass es am Wochenende in den USA zu Maßnahmen gekommen ist, um diese krisenhaften Zuspitzungen einzudämmen", sagte Steinbrück.

Akuter Auslöser war offenbar der Zusammenbruch von Bear Stearns, bis vergangenen Donnerstag die fünftgrößte Investmentbank an der Wall Street. Es kam es zum Verkauf des Wertpapierhändlers Bear Stearns an die US-Großbank JP Morgan. Der Verkauf an den Konkurrenten erfolgte weit unter dem Marktwert. Die US-Notenbank Fed stellte für den Deal einen "Risikoschirm" von über 30 Milliarden US-Dollar zur Verfügung.

JP Morgan-Chef Jamie Dimon begrüßte den Kauf von Bear Stearns und freut sich offenbar über die neuen Kunden: "Wir heißen ihre Kunden, Vertragspartner und Angestellten in unserer Firma willkommen, und wir sind froh, ihr Partner zu sein", so Dimon. Die Konkurrenz wird nun zurechtgestutzt. So soll die Hälfte der Mitarbeiter von Bear Stearns gehen. Dem US-Fernsehsender CNBC zufolge will JP Morgan nach der Übernahme von Bear Stearns 7000 der etwa 14.000 Arbeitsplätze streichen.

Die Fed hatte ihren Leitzins seit Ausbruch der Finanzkrise bereits drastisch auf drei Prozent gesenkt, weitere Zinssenkungen stehen möglicherweise bevor. Die Europäische Zentralbank (EZB) hingegen hält ihren Zins weiterhin bei vier Prozent.

Europäischer Rat erwägt staatliche Maßnahmen

Angesichts der Turbulenzen auf den Finanzmärkten haben die europäischen Staats- und Regierungschefs in enger Abstimmung mit den europäischen Banken und Bankenverbänden bereits am am 13. und 14. März auf der Tagung des Europäischen Rates in Brüssel staatliche Maßnahmen ins Auge gefasst. Die Behörden in der EU sollten in der Lage sein, "erforderlichenfalls Regelungs- und Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, auch wenn die Verantwortung in erster Linie beim Privatsektor liegt", heißt es in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates.

Bei den möglichen staatlichen Maßnahmen wurden vier Schwerpunkte gesetzt: Eine Erhöhung der "Transparenz für Investoren, Märkte und Regulierungsbehörden", Verbesserung der Bewertungsstandards, Verstärkung des Aufsichtsrahmens sowie eine "Verbesserung des Funktionierens des Marktes und der Anreizstruktur".

Linke: Wenn der Staat zahlt, muss er auch mehr Einfluss bekommen Der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Professor Herbert Schui, kritisierte am 18. März eine unzureichende staatliche Finanzaufsicht: "Die Narrenfreiheit an den Finanzmärkten muss beendet werden, wenn der Staat schon für die Finanzkrise büßen muss", so Schui. "In der Finanzkrise rufen die Marktfundamentalisten nach dem Staat. Das Schlimme ist: Der Staat muss eingreifen. Er wird faule Kreditrisiken übernehmen müssen. Die Privaten können aus Gier und Egoismus die Krise nicht in den Griff bekommen."

Wenn der Staat zahle, müsse er aber auch mehr Einfluss bekommen, fordert der Linksabgeordnete. Die Verstaatlichung von Banken, wie sie inzwischen selbst in den USA diskutiert werde, sei besser als Milliardengeschenke an Privatbanken. "Regulierungslücken müssen geschlossen werden. Unregulierte Institutionen wie Hedge-Fonds und Zweckgesellschaften darf es nach der Finanzkrise nicht mehr geben", meint Schui. "Die Spekulationsgeschäfte der Manager mit Aktienoptionen müssen der Vergangenheit angehören."

Attac: Verluste für die Steuerzahler, Gewinne für die Aktionäre? Stephan Schilling vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis begrüßte das Eingeständnis von Ackermann, dass die Selbstregulierung freier Finanzmärkte nicht ausreiche. "Es freut uns, dass selbst ein marktradikaler Bankmanager wie Ackermann in dieser Hinsicht lernfähig ist", so Schilling. "Unverschämt aber ist, dass er die Folgen der verfehlten neoliberalen Finanzmarktpolitik nun auf die Allgemeinheit abwälzen will, sonst aber alles beim Alten lassen will. Es kann nicht sein, dass die Steuerzahler die Verluste und Risiken übernehmen, die durch die Finanzmarktkrise entstanden sind, die Gewinne in guten Zeiten aber weiterhin allein den Aktionären gehören sollen."

Attac fordert, die jetzt notwendigen Rettungsmaßnahmen für die Banken "an einen grundsätzlichen Politikwechsel zu koppeln, der endlich Schluss macht mit dem Märchen des Segens freier Kapitalmärkte". Sektoren wie die Bankenbranche, deren Krisen die ganze Volkswirtschaft in Gefahr brächten und bei denen deshalb regelmäßig der Staat einspringen müsse, gehörten unter stärkere demokratische Kontrolle", meint Schilling. Die Regulierung der Finanzinstitutionen müsse verschärft werden.

Die Globalisierungkritiker sind der Auffassung, dass die Banken derartige Krisen selbst finanziell auffangen müssen: "Auf jeden Fall muss der Bankensektor - zum Beispiel durch die Bildung eines neuen Fonds - für die Kosten möglicher Rettungsaktionen selbst aufkommen. Das ist das mindeste", so Schilling.

FDP beklagt ein "Durcheinander auf dem Finanzmarkt" und fordert staatliche Regulierung von Derivaten, Hedge Fonds und Privat-Equity-Fonds

Der FDP-Wirtschaftsexperte Rainer Brüderle forderte - ganz im Sinne von Ackermann und Steinbrück - die Regierung auf, sich mit den anderen G8-Staaten abzustimmen, um koordiniert reagieren zu können. Die Bundesregierung müsse sich dafür stark machen, eine internationale Regulierung von Derivaten, Hedge Fonds und Privat-Equity-Fonds auf den Weg zu bringen, so Brüderle.

Es seien multilaterale Lösungen gefragt und keine überhasteten Einzelaktionen von nationalen Notenbanken. Zudem dürfe der US-Wahlkampf nicht die internationale Finanzpolitik bestimmen. "Es kann nicht angehen, dass alle wie erschreckte Kaninchen auf die US-Notenbank starren", so Brüderle Bezug nehmend auf mögliche Zinssenkungen der Fed.

Auch die FDP sieht nun offenbar die Notwendigkeit für staatliche Regulierung: "Um Vertrauen in das Bankensystem wieder aufzubauen, sind jetzt klare ordnungspolitische Spielregeln für den globalen Finanzmarkt gefragt", so Brüderle. Nur wenn "das Durcheinander auf dem Finanzmarkt" überwunden wird, könnten die Selbstheilungskräfte des Marktes wirken, hofft der FDP-Abgeordnete.

Schwarz-Rot müsse nun durch eine "klare Ordnungspolitik" die Binnenkräfte Deutschlands stärken. Jetzt räche sich, dass die gute konjunkturelle Phase nicht genutzt worden sei, um für schlechte Zeiten vorzusorgen. Die falsche Steuererhöhungspolitik der Bundesregierung laste auf der Konjunktur und hat die Menschen nachhaltig verunsichert.

Der FDP-Politiker sieht nun sogar in der Lohn-Zurückhaltung der vergangenen Jahre ein Problem: "Wenn die Realeinkommen der Menschen in Deutschland immer weiter sinken, darf man sich über eine Vertrauenskrise gegenüber der Politik nicht wundern", so Brüderle.

Grüne: Ackermann will, dass die Notenbanken nach dem Vorbild der Fed Papiere von zweifelhaftem Wert aufkaufen

Auch der finanzpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, der Ordoliberale Gerhard Schick, wundert sich über den Deutsche Bank-Chef. Ackermann müsse die Hilflosigkeit der Finanzbranche eingestehen. Angesichts der aktuellen Eskalation auf den Finanzmärkten wolle Ackermann nun einen "globalen Rat der Weisen, der den Banken sagt, wo's langgeht", mokiert sich Schick. Dieser neue Rat der Weisen sei aber nicht nötig, da es bereits den Internationalen Währungsfonds (IWF) gebe.

Der IWF habe aber bereits frühzeitig vor den Krisen am Subprime-Markt und bei Risiken für strukturierte Finanzprodukte gewarnt, so Schick. "Wichtig ist nicht eine neue Institution, sondern dass Banken und Bankenaufseher in Zukunft besser zuhören anstatt sich von vermeintlich sicheren Gewinnen berauschen lassen."

Die Stimmung unter den Banken sei vergiftet, keiner traue mehr dem anderen, so der Eindruck des Grünen. Dass Deutschlands wichtigster Banker nun ausdrücklich staatliches Engagement fordere, sei eine erstaunliche Forderung für den Vertreter einer Branche, die staatliche Eingriffe ansonsten fürchte wie der Teufel das Weihwasser. "Ackermann will, dass die Notenbanken nach dem Vorbild der Fed Papiere von zweifelhaftem Wert aufkaufen und so Ruhe in die Märkte bringen. Die Zentralbanker sollen also gutes Geld in die maroden Märkte schießen." Das sollte die EZB nach Auffassung von Schick nur machen, wenn gleichzeitig aus der Branche neue und bessere Regeln für die Finanzmärkte unterstützt werden und ein angemessener Beiträge derer beim Krisenmanagement gesichert sei, "die vorher Gewinne aus den riskanten Produkten erwirtschaftet haben".

Hedgefonds blieben von G8 unbehelligt - "Effizienz des Weltfinanzsystems"

Trotz vielfacher Warnungen hatte die Politik immer wieder auf eine stärkere Kontrolle der internationalen Finanzmärkte verzichtet. Noch im Juni 2007 wollte sich die Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten nicht auf eine Vereinbarung über einen Verhaltenskodex für die risikoreichen Hedgefonds einigen. In einer gemeinsamen Erklärung zu Wachstum und Verantwortung in der Weltwirtschaft räumten die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industriestaaten und Russlands am 7. Juni lediglich die wachsenden Risiken solcher Fonds für das Weltfinanzsystem ein.

Angesichts des Wachstums dieser Fondsart und der zunehmenden Komplexität der Handelsinstrumente müsse man weiter "wachsam" bleiben, hieß es in der Erklärung. Andererseits betonten die Politiker, dass Hedgefonds wesentlich zur "Effizienz des Weltfinanzsystems" beitragen würden. Die G8 rief zur Selbstkontrolle der Hedgefonds auf.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte vor dem Gipfel eine Regulierung von Hedge-Fonds und Private-Equity-Gesellschaften gefordert. Von ihnen gehe unmittelbare Gefahr für Arbeitsplätze aus, hatte Gewerkschaftschef Michael Sommer am 30. Mai 2007 in Berlin gesagt.