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Scheidung ohne Versorgungsausgleich

Leben von 500 Euro Rente

Ursula Töpfer bekommt klägliche 550 Euro Rente im Monat. "Ich habe keinerlei Anspruch auf Versorgungsleistungen", klagt die Seniorin. Sie und Tausende andere Frauen, die zu DDR-Zeiten geschieden wurden, fühlen sich von der Politik im Stich gelassen: Sie haben aus familiären Gründen weniger verdient als ihre Männer, hatten aber keine Möglichkeit, die Rentenansprüche ihrer geschiedenen Partner zu übernehmen. Im Gegensatz zu Geschiedenen im Westen, wo der sogenannte Versorgungsausgleich 1977 eingeführt wurde, erhalten sie keinen Ausgleich ihrer Rentenansprüche.

Jahrelang kämpfte jede Betroffene vergeblich allein für ihr Recht. Nun wollen in der DDR geschiedene Frauen am 2. Oktober bei einer Kundgebung in Leipzig erstmals gemeinsam protestieren. "Die Politik hat uns 19 Jahre lang würdelos betteln lassen", sagt Ute Lauterbach aus einem kleinen Ort bei Berlin. Die 68-Jährige ist Gründerin der Initiativgruppe der in der DDR Geschiedenen und eine der Organisatorinnen der Protestveranstaltung.

"Die Frauen sind müde", sagt Lauterbach. Immer wieder hörten sie von den Politikern das Argument, dass die DDR-Frauen doch schließlich gearbeitet, ihr eigenes Geld verdient hätten und deshalb gar nicht auf den Versorgungsausgleich angewiesen seien. "Dabei sind unsere Verdienste meist so gering gewesen", sagt die ausgebildete Kindergärtnerin.

Mindestens tausend Briefe hätten die Betroffenen bereits an die Ministerpräsidenten der Länder, Abgeordnete und die im Bundestag vertretenen Parteien geschickt. Alle hätten ihre Situation bedauert, keiner jedoch bislang etwas für sie bewirken können. Etwa 500 000 Frauen seien von dieser "übergroßen Ungerechtigkeit" betroffen, sagt Lauerbach. Die meisten Politiker spekulierten auf eine "biologische Lösung" des Problems. Immerhin sei seit der Wende knapp die Hälfte aller betroffenen Frauen bereits gestorben. Anm. der Readaktion: Wiederstand wird immer mehr zur Bürgerpflicht. Nicht nur gegen Harz 4 braucht es gute Anwälte. Bei Kündigungen ist ein guter Anwalt für Arbeitsrecht ein absolutes Muß.

"Im Westen wird Müttern, die wegen der Kindererziehung zu Hause geblieben sind, ein Versorgungsausgleich gezahlt. Im Osten nicht", beschreibt Lauterbach die Situation, unter der viele vor 1992 geschiedene Ost-Frauen leiden. Ein Großteil von ihnen habe nicht mehr als 500 bis 600 Euro Rente und lebe damit am Existenzminimum.

Zu ihnen gehört auch Ursula Töpfer. Sie hat ihren Mann - einen Bauingenieur - 1944 geheiratet, bekam von ihm zwei Kinder und folgte ihm an jeden Ort, an den es ihn beruflich verschlug. "Als er 50 wurde, hat er festgestellt, dass er immer nur gearbeitet hat und sich eine 20-jährige Frau genommen", erzählt die hochbetagte Frau von ihrem Schicksal. Als seine junge Ehefrau kurz darauf schwanger wurde, sei er gestorben. Die Frau hatte damit Anspruch auf die Intelligenz-Witwenrente, die Witwen von Akademikern zusteht. Ursula Töpfer ging nach 30 Jahren Ehe leer aus. "Ich habe in meinem Alter nichts mehr zu erwarten", sagt die 83-Jährige. Trotz ihres hohen Alters will sie aber zu der Protestaktion in ihrer Stadt kommen.

Ähnlich hart hat es auch Angelika Hoffmann getroffen. Die 64-Jährige wurde 1986 geschieden. Heute ist sie Frührentnerin und lebt in Hanau, wo sie nach der Wende wegen einer Arbeitsstelle hingezogen ist. Auch sie habe ihrer Familie zuliebe zurückgesteckt, ihren Mann unter anderem zu einem dreijährigen Auslandseinsatz nach Kuba begleitet. Dort gab die ausgebildete Sopranistin Konzerte, lernte Spanisch und machte sogar einen Abschluss als Sprachmittler. Doch all ihre beruflichen Qualifikationen hätten ihr letztlich nichts genutzt, sagt sie. Heute lebt sie - ohne Versorgungsausgleich - von 800 Euro Rente. "Es tut weh, weil man unsere Lebensleistung nicht anerkennt", sagt sie.

Hoffmann, Töpfer und Lauterbach werden sich am 2. Oktober mit mehreren hundert anderen Frauen in Leipzig treffen, um gemeinsam für ihr Recht auf die Straße zu gehen. Nach der Kundgebung in der Innenstadt soll es noch einen Gottesdienst in der Nikolaikirche geben.