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Umwelthilfe warnt vor Länder-Wettbewerb um den niedrigsten Umweltschutz

Föderalismusreform

Die von Union und SPD geplante Föderalismusreform stellt nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die erreichten Standards im deutschen Umwelt- und Naturschutz massiv in Frage. "Die Bundesländer treten in einen Wettbewerb um den schlanksten Schutz der Natur", warnte die Organisation am Donnerstag. Das "eigentlich vernünftige Projekt" eines einheitlichen Umweltgesetzbuches drohe sich in sein Gegenteil zu verkehren, wenn die Länder von seinen Regelungen abweichen dürften. Schließlich drohten die geplanten Übergangsvorschriften im Naturschutzbereich statt Bürokratieabbau eine regelrechte Gesetzesflut zu provozieren.

Die Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes gegenüber den Ländern in den Bereichen Naturschutz, Landschaftspflege, Wasserhaushalt und Jagdwesen werde mit der neu geschaffenen "Abweichungsgesetzgebung" unmittelbar in ihr Gegenteil verkehrt, so DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Danach könnten die Länder ohne jede Begründung von den Bundesvorschriften abweichen und sie geradezu in ihr Gegenteil verkehren, so die DUH nach einer juristischen Analyse des Vorschlags. Das ergebe sich insbesondere aus dem angehängten "Begleittext". Danach dürfe der Bund sich zwar um die Definition allgemeiner Naturschutzgrundsätze kümmern, über die "harten" Fragen - Landschaftsplanung, konkrete Inhalte der Schutzgebietsausweisung, die so genannte gute fachliche Praxis in Land- und Forstwirtschaft oder die Mitwirkungsrechte der Naturschutzverbände - könnten jedoch die Länder in eigener Regie bestimmen.

Im Ergebnis bedeute ein solcher Rechtsrahmen nicht nur einen "Anschlag auf die erreichten Naturschutzstandards in Deutschland", er stelle darüber hinaus die Einheitlichkeit der Gesetzgebung in Frage, so Cornelia Ziehm, Leiterin Verbraucherschutz und Recht der DUH: "Jedes Kind weiß heute, dass Umweltprobleme in aller Regel nicht an Landesgrenzen halt machen." Deshalb seien gerade im Natur- und Gewässerschutz einheitliche Vorschriften unverzichtbar. Außerdem sei vollkommen unklar, wie der gegenüber der EU allein verantwortliche Bund die Bundesländer künftig zu europarechtskonformem Verhalten veranlassen solle. Da helfe auch eine "EU-Haftungsregelung" nicht weiter, die letztlich lediglich geltendes Recht bekräftige, aber keine unmittelbaren Durchgriffsrechte des Bundes gegenüber den Ländern begründe. "Die mangelnde Umsetzung von EU-Vorgaben, wie in der Vergangenheit die vollkommen verspätete und unzureichende Meldung von FFH- und Vogelschutzgebieten durch die meisten Länder, hat Deutschland schon bisher reihenweise Vertragsverletzungsverfahren eingebracht", erinnerte Ziehm. "Der Vorschlag von Union und SPD verschlimmbessert diese Situation."

Zugleich müssten sich Union und SPD fragen lassen, wie ernst sie die Schaffung eines Umweltgesetzbuches meinen, so die Umwelthilfe. Denn die damit bezweckte Harmonisierung der Umweltschutzvorschriften würde durch die Abweichungskompetenzen der Länder von vornherein konterkariert.

Die Föderalismusreform, die zur Vereinfachung und zu größerer Entscheidungstransparenz im föderalen Staat gedacht war, könnte nach Überzeugung der DUH das glatte Gegenteil bewirken. Eine weit hinten in einem neuen Grundgesetz versteckte Übergangsvorschrift sei geeignet, eine wahre Gesetzesflut auszulösen - "zu Lasten des von den Ländern ohnehin wenig geliebten Naturschutzes". Sie eröffne den Ländern die Möglichkeit, geltendes Bundesrecht, das nach der Reform nicht mehr wie bisher erlassen werden könnte, nachträglich durch Landesrecht zu ersetzen. So könnte nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe beispielsweise das gerade erst nach Jahrzehnten des Bund-Länder-Streits novellierte Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) nach Inkrafttreten der Reform 16 Gesetzesinitiativen für abweichende Landesnaturschutzgesetze auslösen. Durch neue und wieder neue Regelungen als Reaktion auf die jeweils andere Seite drohe "ein unsägliches Ping-Pong-Spiel" zwischen Bund und Ländern, das zu allem Möglichen führen werde, "aber nicht zu mehr Effektivität im Umwelt- und Naturschutz und ebenso wenig zum Bürokratieabbau", so Ziehm.

Union und SPD müssten daher den Vorschlag zur Föderalismusreform noch einmal überprüfen. "Nach Hartz IV sollte die Politik nicht schon wieder eine Großreform in den Sand setzen", so DUH-Geschäftsführer Resch.