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Politiker und Medien wollen das Grundgesetz ändern

Analyse

In den vergangenen Jahrzehnten wurde seitens der Politik regelmäßig darauf verwiesen, man müsse die "freiheitlich-demokratische Grundordnung" verteidigen. Auf das Grundgesetz war man stolz und hielt es - natürlich - für "die beste" aller Verfassungen. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts waren sakrosankt - nach einem Spruch aus Karlsruhe verstummte im Regelfall die Diskussion, die Verfassungsrichter hatten auf Basis des Grundgesetzes eine Entscheidung getroffen. Der Umgang mit der deutschen Verfassung hat sich verändert. Im Zuge der Änderung einfacher Gesetze wird regelmäßig und wie selbstverständlich auch das Grundgesetz geändert. Und nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wird häufig postwendend - und mit massiver Unterstützung vieler Medien - eine Grundgesetzänderung gefordert. Am Mittwoch gab das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung bekannt, wonach die Bundeswehr ein von Selbstmordattentätern entführtes Passagierflugzeug auch im äußersten Notfall nicht abschießen darf. Sofort - und auch schon im Vorfeld der Entscheidung - wurden Stimmen laut, das Grundgesetz zu ändern.

Struck und Schäuble in den "Tagesthemen"

Die "Tagesthemen" berichteten am Abend nach dem Verfassungsgerichtsurteil über Reaktionen aus Berlin. In der redaktionellen Einführung wurde sofort eine mögliche Grundgesetzänderung als zentrales Thema gesetzt: "Nun ist also die Bundesregierung am Zug", lautete gleich der erste Satz. Und weiterhin: "Eine Änderung des Grundgesetzes ist nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag möglich. Union und SPD bringen gemeinsam so viele Stimmen zusammen."

In dem eingeblendeten Bericht beklagt der Journalist, die Bundeswehr müsste bei einem Terroranschlag "beinahe tatenlos zuschauen." Seine Diagnose: "Ratlosigkeit in Berlin". Dann folgt der ehemalige Verteidigungsminister und Fraktionsvorsitzende der SPD, Peter Struck, der das Urteil der Verfassungsrichter als eher weltfremd darstellt: "Man kann nur einen solchen Angriff abwehren, wenn überhaupt keine unschuldigen Menschen an Bord sind. Das bedeutet, es ist ein Flugzeug nur mit Terroristen besetzt, was ein unrealistischer Fall ist. Oder es handelt sich um einen unbemannten Angriff, das ist auch eher unrealistisch. Insofern hat das Urteil uns eine Verantwortung übertragen, der wir nur schwer gerecht werden können."

In der weiteren Folge des Berichts wieder der Journalist der Tagesthemen mit den Worten: "Aber hierfür bräuchte es wohl eine Grundgesetzänderung und die ist mit dem Koalitionspartner und der Opposition bislang nicht machbar."

Als Gesprächspartner haben die Tagesthemen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eingeladen, der weiterhin für eine Verfassungsänderung plädierte: "Und dafür versuchen wir nun eine verfassungsrechtlich klare Grundlage zu schaffen."

Bosbach im "Deutschlandfunk"

Der "Deutschlandfunk" hat sich einen Tag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts den CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach als Gesprächspartner ausgewählt. Bosbach sprach sich in dem Sender erneut vehement für eine Grundgesetzänderung aus, um die Bundeswehr bei Großveranstaltungen innerhalb Deutschlands einsetzen zu können. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer, beim Münchener Oktoberfest oder beim bevorstehenden Papstbesuch sollten Soldaten der Bundeswehr die Polizei beim Objektschutz entlasten können, falls diese überlastet sei, forderte Bosbach am Donnerstag im Deutschlandfunk. Das sei "vorbeugender Brandschutz" und habe "nichts mit einer Militarisierung der inneren Sicherheit" zu tun.

"Ich glaube wenn man sich einmal den wirklichen Punkten nähert und wenn man mal die Vorurteile gegen eine Änderung des Grundgesetzes abräumt, dann gibt es auch viel Übereinstimmung, zumal der Kollege Wiefelspütz gestern in einer Sendung bei NTV, an der ich auch teilgenommen habe, gesagt hat, er sei zu einer Änderung des Grundgesetzes bereit, wenn auch nicht in dem Umfang, wie von der Union gefordert", sagte Bosbach im Deutschlandfunk.

Titel bei FAZ-Online: "Terrorabwehr - Schäuble beharrt auf Bundeswehr-Einsatz während der WM"

"Terrorabwehr - Schäuble beharrt auf Bundeswehr-Einsatz während der WM" lautet der Titel der Internet-Ausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am Tag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Schäuble und Kauder bei "Spiegel Online"

"Union beharrt auf Grundgesetzänderung" lautet die Überschrift eines unter anderem auf Agenturmaterial beruhenden Beitrages bei "Spiegel Online" am Donnerstag. Die Union lasse sich durch das Karlsruher Urteil zum Luftsicherheitsgesetz nicht beirren: Fraktionschef Kauder und Innenminister Schäuble setzten weiter auf eine Änderung des Grundgesetzes zum Einsatz der Bundeswehr im Innern.

Überschrift bei Sueddeutsche.de: "Union will das Grundgesetz ändern"

Auch bei der Online-Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung" heißt die Überschrift am Tag nach dem Urteil "Union will das Grundgesetz ändern". Trotz des Neins aus Karlsruhe zum Luftsicherheitsgesetz hielten Innenminister Schäuble und Fraktionschef Kauder an ihren Plänen zum Einsatz der Bundeswehr im Innern fest, schreibt die Süddeutsche.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes habe Unions-Fraktionschef Volker Kauder gesagt: "Die Sache bleibt für uns auf dem Tisch." Es sei nun zu überlegen, wie der Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Angriffen "hinzubekommen ist". Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble fordere eine Grundgesetzänderung, um die Grundlage für die Inkraftsetzung des vom Verfassungsgericht abgelehnten Luftsicherheitsgesetzes zu schaffen.

Heute Journal: "Und das geht nur per Grundgesetzänderung"

Das "Heute Journal" räumte in seinem Beitrag "Karlsruhe - Luftsicherheitsgesetz nichtig" am Mittwoch einem Bundesverfassungsrichter nicht mehr als einen Satz Sprechzeit ein. Eingerahmt wurde der Beitrag von Bildern mit Bundeswehrsoldaten und Aussagen wie "Soldaten sollen helfen" oder "Bereits jetzt darf die Bundeswehr helfen".

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung wird redaktionell mit den Worten eingeführt: "Bisher war er gegen einen erweiterten Einsatz im Innern. Jetzt hält er sich zurück." Dann folgte ein Ausschnitt aus einem Interview, in dem Jung sagte: "Wichtig ist, finde ich, dass wir eine Aufgabe haben, auch eine Aufgabe des Staates haben, unsere Bürgerinnen und Bürger vor terroristischen Angriffen zu schützen, und dafür müssen wir die notwendigen rechtlichen Grundlagen schaffen."

Es folgt eine redaktionelle Überleitung: "Denn Innenminister Schäuble gibt nicht auf. Trotz des Urteils heute hält er fest an der Idee, Soldaten im Inland zum Schutz vor Terror einzusetzen." Das Resümee der Redakteurin des Heute Journals: "Und das geht nur per Grundgesetzänderung."

Dann folgt Innenminister Schäuble mit den Worten: "Das was das Luftsicherheitsgesetz an Schutz gewährleisten will, darauf können wir nicht verzichten und deswegen haben wir die schwierige Aufgabe, einen verfassungsrechtlich einwandfreien Weg dafür zu finden."

Der Beitrag im Heute Journal schließt mit der Darstellung, wer einer Grundgesetzänderung noch im Wege steht: "Soldateneinsatz für mehr innere Sicherheit. Dafür braucht es im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit. Doch die SPD will keine neuen Aufgaben für die Truppe."