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Darfur

Darfur (eigentlich Dar Fur, von arabisch "Land der Fur") ist eine Region im Westen Sudan. Die Bezeichnung wird heute hauptsächlich zusammenfassend für das Gebiet der sudanesischen Bundesstaaten Gharb Darfur (West-Darfur), Schamal Darfur (Nord-Darfur) und Dschanub Darfur (Süd-Darfur) verwendet, kann aber ebenso die historische Region oder das gleichnamige Gebirge bezeichnen.

Darfur als Vorwand für eine militärische Intervention wegen des Öls?

Der Kölner Wissenschaftler und Sudan-Kenner Stefan Kröpelin hält die aktuellen Menschenrechtsvorwürfe gegenüber dem Sudan bezüglich der Region Darfur für vorgeschoben. Seines Erachtens ist der Konflikt in Darfur für die USA ein willkommener Vorwand, um eine militärische Intervention im Sudan begründen zu können, wobei es ihr um das Erdöl ginge:

"So erfordert es wenig Fantasie nachzuvollziehen, dass sich gerade die jetzige Regierung der USA ihre Claims an den neuen Erdölpfründen sichern und hierfür strategisch in Afrika etablieren will. Dazu braucht sie kooperative oder schwache Regierungen, belanglos ob gewählt oder nicht, Anlässe für zunehmende Einflussnahme und Vorwände für eventuelle militärische Interventionen.

Hierzu eignet sich am Besten das Killerargument des internationalen Terrorismus. Die Geiselnahmen in Algerien führten bereits zu Waffenlieferungen und Militäreinsätzen in der Sahara - obgleich die ursächliche Verwicklung algerischer und ausländischer Geheimdienste bei den Entführungen immer deutlicher wird. Die Terrorismus-Argumentation taugt jedoch nicht für den Sudan, wo seit vielen Jahren keinem westlichen Ausländer ein Haar gekrümmt wurde. Für die von immer mehr US-Politikern geforderten Truppenentsendungen kommt der Konflikt in Darfur daher gerade recht. Nebenbei stellt er für die Bush-Administration auch eine willkommene Ablenkung vom Irak dar."

Knut Mellenthin schrieb am 19. Oktober 2004 ganz ähnlich in der Tageszeitung "Junge Welt":

"Es gibt in Westafrika kaum ein Land, wo die Vorwände für ein 'Eingreifen aus humanitären Gründen' nicht auf der Straße liegen oder wenigstens durch geschicktes Schüren interner Gegensätze und Waffenlieferungen an beide Seiten schnell geschaffen werden können. Die Region ist reich an abstoßenden Schurken, mit denen die USA heute bei der Ausplünderung ihrer Länder bestens kooperieren und deren Schandtaten sie schon morgen als Vorwand für militärische Strafaktionen benutzen können."

Auch für Gerd Schumann handelt es sich bei den Auseinandersetzungen um Menschenrechte in Darfur um ein "relativ einfach zu durchschauendes Vorhaben der USA", um "ölträchtigen Boden" zu gewinnen:

"Trotz des eigentlich relativ einfach zu durchschauenden Vorhabens der USA, über die Darfur-Menschenrechtsintervention weiteren ölträchtigen Boden zwischen Nigeria und dem Horn von Afrika zu erobern und den chinesischen Konkurrenten zurückzudrängen, bleibt die Schlüsselrolle Washingtons ebenso unbeachtet wie der Einfluss ehemaliger Kolonialmächte in der Region, vor allem Frankreichs und Großbritanniens. Dabei läuft derzeit nichts ohne sie: über den Tschad mit starker französischer Präsenz ebenso wie über westlich orientierte Rebellengruppen in Darfur und die von den USA ausgestattete Provinzregierung der südsudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA)."

Nicht zuletzt berichtet selbst das Länderbüro Kairo der Konrad-Adenauer-Stiftung über ganz ähnliche Einschätzungen in der arabischen Presse:

"Auch in der arabischen Presse wird die Glaubwürdigkeit des Westens im Zusammenhang mit der Darfur-Krise in Frage gestellt. Die Kritik an der sudanesischen Regierung fällt jedoch deutlicher aus als in der ägyptischen Presse. In Al-Hayat (London) weist Erfan Nezameddin auf Parallelen zwischen Plänen für eine Militärintervention im Sudan und dem Krieg im Irak hin. In beiden Fällen sei mit Verbrechen des jeweiligen Staates an seiner Bevölkerung argumentiert worden. Der Kommentator erwartet für die Zukunft den Vorwurf, dass sich Terroristen in Darfur verbergen würden. Tatsächliches Motiv für eine Intervention seien, wie im Fall des Irak, jedoch Ölinteressen."

Der sudanesische Präsident Al-Baschir wirft den USA vor, sein Land "ausplündern" zu wollen:

"Die vom Sicherheitsrat beschlossene Friedensmission sei eine 'typische Kopie der Koalitionstruppen im Irak'. Hinter dem Plan, Zehntausende 'Blauhelme' angeblich zum Schutz der Zivilbevölkerung nach Darfur zu senden, stecke in Wahrheit die Absicht der Vereinigten Staaten, die Kontrolle über die sudanesische Hauptstadt Khartum zu gewinnen, um das Land auszuplündern"

Darfur – Die Menschenrechtsvorwürfe sind weit übertrieben und in ihrer Einseitigkeit nicht haltbar

Die deutsche Politik macht seit Jahren einseitig Stimmung gegen die sudanesische Zentralregierung und wirft ihr schwerste Menschenrechtsverletzungen in Darfur vor. So heißt es in einem von der grünen Bundestagsfraktion initiierten Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen vom 26. April 2007:

"In der westsudanesischen Provinz Darfur findet zurzeit die weltweit größte humanitäre Katastrophe statt. Im Rahmen der Aufstandsbekämpfung gegen Rebellengruppen macht sich die sudanesische Regierung seit 2003 schwerster Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig (...)"

Nach Auffassung des UN-Koordinators für Nothilfe in Krisengebieten, Jan Egeland, sind solche einseitigen Schuldzuweisungen gegenüber der sudanesischen Zentralregierung sachlich schlichtweg falsch:

"So betont auch der UN-Koordinator für Nothilfe in Krisengebieten, Jan Egeland, die Übergriffe in Darfur seien 'nicht nur die Schuld der Regierung. Es gibt dort viele Milizen und andere Kräfte.' (...) Weiter gibt der UN-Mitarbeiter an, alle Bürgerkriegsparteien seien an der Eskalation beteiligt: 'Die so genannten Janjawid-Milizen, organisierte Kriminelle, zu viele Arbeitslose mit zu vielen Gewehren, Regierungstruppen und mit Bestimmtheit auch Streitkräfte der Aufständischen.' Dies wird auch von Amnesty International bestätigt: 'Es gibt Berichte über Missbrauch und Folter, einschließlich Vergewaltigung durch Mitglieder der SLA und der JEM', die beide Rebellenorganisationen sind."

Ebenso verzichtet das Auswärtige Amt auf seiner Website bei der Skizzierung der Innenpolitik des Sudan und der Menschenrechtssituation in Darfur weitgehend auf einseitige Anschuldigungen gegen die Zentralregierung. Nach Darstellung des Auswärtigen Amtes an dieser Stelle gibt es wechselseitige Vorwürfe und allenfalls teilweise als gesichert angenommene Informationen über Menschenrechtsverletzungen:

"Eine Vielzahl schwerer und schwerster Menschenrechtsverletzungen sowohl in regierungs- wie auch rebellenkontrollierten Gebieten steht in engem Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg und dem Darfur-Konflikt. Der sudanesischen Regierung wird vorgeworfen, sie dulde und unterstütze Angriffe von arabisch-stämmigen Milizen (Janjaweed) in Darfur gegen die Zivilbevölkerung der den Darfur-Rebellen angeblich nahestehenden afrikanischen Stämme der Fur, Zaghawa und der Massalit. Den Janjaweed werden schwerste Gräueltaten (Massenexekutionen, Einsatz von Massenvergewaltigungen als Kriegswaffe) gegen die Zivilbevölkerung vorgeworfen. Die sudanesische Armee hat als Reaktion auf Rebellenangriffe immer wieder ohne Rücksicht auf Zivilisten Dörfer bombardiert. Dem Bericht einer VN-mandatierten unabhängigen Untersuchungskommission zu Folge hat der sudanesische Verteidigungsminister argumentiert, bereits die Anwesenheit eines Rebellenmitglieds in einem Dorf rechtfertige einen Angriff der sudanesischen Armee. Auch den Darfur-Rebellenorganisationen werden schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt."

Selbst Mitarbeiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartum schrieben im August 2004, dass es sich bei der These der Bewaffung Janjaweed-Reitermilizen durch die sudanesische Regierung lediglich um eine "allgemeine Annahme" handelt – es gibt hierfür offenbar keine Beweise:

"Die humanitäre Katastrophe ist insbesondere durch die nach allgemeiner Annahme von der Regierung bewaffneten Jenjaweed verursacht, die die Zivilbevölkerung terrorisieren. Die Jenjaweed sind arabische Reitermilizen, die allerdings nicht nur aus Sudan, sondern auch aus Tschad und westafrikanischen Ländern stammen."

Auch geht es den Rebellengruppen in Darfur, die gegen die sudanesische Regierung kämpfen, offenbar auch in hohem Maße um (sicherlich grundsätzlich berechtigte) ökonomische Interessen:

"Neben der Entwaffnung der Djandjawid und der Schaffung eines Rechtsstaates verlangen sie dreizehn Prozent der künftigen Öleinnahmen."

Es handelt sich offensichtlich um einen Bürgerkrieg um wirtschaftliche und ökonomische Interessen, in dem einseitige Schuldzuweisungen schwierig sind. So wollen die Rebellengruppen SLM und NRF (National Redemption Front) Ende November 2006 in Süd-Kordofan ein Ölfeld angegriffen und "signifikant zerstört" haben. Das Ölfeld in Kordofan, der Nachbarregion zu Darfur, soll von der sudanesiscchen Armee bewacht gewesen sein.

Die einseitigen Vorwürfe gegen die sudanesische Regierung erscheinen auch vor dem Hintergrund kaum haltbar, als es – laut Neuer Zürcher Zeitung – Anhaltspunkte dafür zu geben scheint, dass Frankreich die Rebellen in Darfur über den Tschad mit Waffen versorgt. So sei für die Rebellen aus Darfur bestimmtes Kriegsmaterial unter den Augen der am Flugplatz von Abéché stationierten französischen Soldaten ausgeladen worden.

Offenbar können auch Angriffe auf Hilfsorganisationen, von denen gelegentlich die Rede ist, schwerlich einseitig der sudanesischen Regierung angelastet werden. So schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung im September 2006:

"Angriffe auf Hilfsorganisationen sind mittlerweile Alltag in Darfur, wobei die meisten von Rebellengruppen ausgeführt werden"

Auch der von US-Präsident Bush im September 2004 erhobene Vorwurf des "Völkermords" in Darfur wird ansonsten von kaum jemand geteilt. Der Völkerrechtler Professor Norman Paech, der sich Anfang Oktober 2006 im Sudan aufhielt, kommt in einem mit Paul Schäfer (beide Linksfraktion des Deutschen Bundestages) zusammen verfassten Bericht zu dem Ergebnis:

"Die Begriffe Völkermord und ethnische Vertreibung passen auf die Gewaltverbrechen, die in Darfur gegangen werden, nicht. (...) In dem Konflikt spielen ethnische, rassische oder religiöse Motive keine Rolle."

Paech und Schäfer haben auf der Grundlage ihrer einmaligen Reise in den Sudan und den geführten Gesprächen dennoch "keinen Zweifel an der hohen Zahl der Toten (ca. 300 000), Vertriebenen (ca. 2 Mio.) und zerstörten Dörfer, den zahllosen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit".

Sudan-Experte Kröpelin widerspricht

Der Kölner Wissenschaftler und Sudan-Spezialist Stefan Kröpelin vertritt dagegen die Auffassung, dass die Menschenrechtssituation in Sudan nicht besser und nicht schlimmer sei als in jedem anderen afrikanischen Land. Westeuropäische Verhältnisse gebe es dort "natürlich nicht". Es sei gegenüber einem 3.-Welt-Land auch "nicht fair", dies als Vergleichsmaßstab zu nehmen, so der Afrika-Experte.

Viele der im Sudan tätigen Europäer würden diese Sichtweise auf den Sudan und die Region Darfur bestätigen – allerdings nur "unter der Hand", so Kröpelin. Er verweist hierbei auf Mitarbeiter der Vereinten Nationen, der Kirchen, Gutachter der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) bzw. des deutschen Entwicklungshilfeministeriums sowie auf Mitarbeiter der deutschen Botschaft im Tschad (Grenzgebiet zu Darfur).

Der deutschen Öffentlichkeit würden Karten mit flächendeckend niedergebrannten Dörfern in Darfur vorgeführt. Kröpelin hat dies gemeinsam mit Professor Dr. Bernd Meißner von der Technischen Fachhochschule Berlin (TFH, Fernerkundung, Geographie, Geograph. Informationssysteme) stichprobenartig überprüft. Satellitenbilder mit einer Auflösung von 0,6 m hätten in einem der angeblich am schwersten betroffenen Gebiete ergeben, dass nicht eine einzige Hütte niedergebrannt worden sei. In anderen Fällen handelte es sich in Wirklichkeit um Keramik-Brennplätze.

Meißner und Kröpelin haben Bundesministerien und UN-Behörden auf der Basis der durchgeführten Stichproben wiederholt angeboten, die behaupteten Vorfälle umfassend anhand einer systematischen Satellitenbildauswertung zu überprüfen. Doch die Politik hat offenbar kein Interesse an einer seriösen Überprüfung der Vorwürfe.

Auch der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in Sudan bis 2003, Gerhart Baum (FDP), wurde von Kröpelin aufgefordert, Beweise wie Satellitenaufnahmen für eine wissenschaftliche Überprüfung vorzulegen, die Menschenrechtsverletzungen in großem Stil belegen sollen:

"Nennen Sie mir bitte die von Ihnen zitierten Satellitenaufnahmen, die die 1,2 Millionen Vertriebenen, die Zehntausenden von Ermordeten und die flächenhaften Verwüstungen belegen. In unserem Berliner Forschungsprojekt wurden vor 20 Jahren die ersten Satellitenbildgestützten Karten für Darfur erstellt und ich sehe mich in der Lage, diese zu interpretieren. Oder nennen Sie - gerade als Anwalt - stichhaltige Beweise, für von der sudanesischen Regierung angeordnete systematische Vergewaltigungen."

Der ehemalige deutsche Bundesminister kam der Aufforderung, die immer wieder angeführten Satellitenaufnahmen für eine Überprüfung zur Verfügung zu stellen bzw. zu benennen, nicht nach.

Kröpelin hält die immer wieder genannten Flüchtlingszahlen für weit übertrieben. Viele Menschen aus Darfur und dem östlichen Tschad hätten sich auch ohne direkte Bedrohung als Flüchtlinge ausgegeben, um an den Hilfsleistungen in den Notunterkunftslagern zu partizipieren.

Ein Bericht der deutschen Bundesagentur für Außenwirtschaft steht dieser Interpretation nicht entgegen, wonach das Verlassen der Heimatdörfer eine Folge der neu entstandenen Notunterkunftslager in Darfur sein kann, die immerhin eine "Minimalversorgung" bieten:

"Dort haben große Bevölkerungsteile wegen des seit 2003 andauernden Konfliktes ihre Heimatdörfer verlassen. Mit Hilfe internationaler Hilfsorganisationen kann lediglich eine Minimalversorgung, vorrangig in den neu entstandenen Notunterkunftslagern im Umkreis der drei Provinzhauptstädte, gewährleistet werden."

Medien wirft Kröpelin vor, sie würden Film-Aufnahmen von Menschen in Flüchtlingslagern abbrechen, sobald diese freudige Gesichter zeigten, so dass für die Fernsehzuschauer in Europa ein Bild des Elends entstehend würde:

"Und oft erfolgt der Schnitt oder schwenkt die Kamera, sobald die in den Hilfslagern gefilmten Frauen zu lachen beginnen. Geflüsterte Kommentare in BBC-Reportagen mögen dramatisch wirken, erhöhen aber nicht deren Wahrheitsgehalt."

Der Sudan-Kenner leugnet in keiner Weise die Nöte im Sudan wie auch in der Region Darfur, sieht in der westlichen Medien-Berichterstattung aber eine einseitige "Stimmungsmache":

"Das Gesagte mag angesichts der gegenwärtigen Stimmungsmache bagatellisierend, polemisch und provozierend wirken. Doch jeder, der den Sudan und die Sudanesen aus näherer Anschauung kennt und mit jedem Aufenthalt mehr zu schätzen gelernt hat, ist durch die einseitige, übertriebene und oft verleumderische Berichterstattung und Politik der letzten Wochen zur Gegendarstellung herausgefordert."

Die genannten Opfer-Zahlen sind nach Auffassung von Kröpelin schon deshalb wenig überzeugend, weil sie überhaupt nicht übereinstimmen:

"Worauf stützen sich die quantitativen Aussagen zum Ausmaß des Elends? Die Zahlen schwanken je nach Politiker, Sender und Zeitschrift am selben Tag bis um eine Zehnerpotenz, mal werden Tausende Opfer für den gesamten bisherigen Konflikt, mal tausend Ermordete pro Tag genannt."

Man müsse sich immer fragen, wo Informationen herkämen, so Kröpelin. Es handele sich vielfach nicht um gesicherte eigene Kenntnisse. Bis zum heutigen Tag haben nur wenige Europäer den West-Darfur besucht oder sich dort länger aufgehalten. Die Region Darfur sei nur schwer zugänglich und Menschenrechtsorganisationen würden sich vielfach nur auf Aussagen von Exilsudanesen berufen.

Hilfsorganisationen haben nach Auffassung von Kröpelin wenig Interesse an niedrigen Opferzahlen, weil hohe Opferzahlen die Spendenbereitschaft in Deutschland erhöhen würden. Realistische Verlautbarungen könnten auch dem Fluss staatliche Gelder an Hilfsorganisationen schaden.

Auch Journalisten wären an einem differenzierten Bild überhaupt nicht interessiert. Delegationen großer deutscher Nachrichtenmagazine beispielsweise seien mit einem "vorgefertigten Feindbild" in den Sudan gereist, kritisiert Kröpelin.

Die Zahl der Opfer im Darfur-Konflikt ist offensichtlich völlig unklar. Der Friedensforscher Lühr Henken verweist darauf, dass es offizielle Schätzungen der Vereinten Nationen oder einer ihrer Unterorganisationen überhaupt nicht gebe, auch wenn die Bundesregierung anderes behaupte.

Der Westen verlangt von der sudanesischen Regierung eine vermutlich nicht erfüllbare schnelle Befriedung Darfurs

Der Westen verlangt von der sudanesischen Regierung, sie solle die Konflikte in Darfur "endlich" beenden. Konkret wird in der Resolution 1556 des UN-Sicherheitsrates von der sudanesischen Regierung insbesondere verlangt, die Reitermilizen zu entwaffnen:

"6. verlangt, dass die Regierung Sudans ihre Zusagen erfüllt, die Janjaweed-Milizen zu entwaffnen und die Führer der Janjaweed und ihre Verbündeten, die zu Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und zu anderen Greueltaten angestiftet und diese verübt haben, festzunehmen und vor Gericht zu stellen, ersucht ferner den Generalsekretär, dem Rat in 30 Tagen und danach in monatlichen Abständen darüber Bericht zu erstatten, inwieweit die Regierung Sudans in dieser Angelegenheit Fortschritte erzielt hat, und verleiht seiner Absicht Ausdruck, im Fall der Nichtbefolgung weitere Maßnahmen zu erwägen, einschließlich Maßnahmen nach Artikel 41 der Charta der Vereinten Nationen gegen die Regierung Sudans;"

Auf dieser Grundlage verlangte auch die damalige deutsche Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, am 13. August 2004 von der sudanesischen Regierung, die Reitermilizen "endlich" zu entwaffnen:

"Ich appelliere an die sudanesische Regierung, die Resolution des Sicherheitsrats 1556 umzusetzen, (...) und die Reitermilizen endlich zu entwaffnen."

Mit der Resolution wurde die sudanesische Regierung aufgefordert, die Janjaweed-Reitermilizen in nur 30 Tagen zu entwaffnen:

"Der VN-Sicherheitsrat erklärte in der auf Initiative der USA zustande gekommenen Resolution 1556 vom 30. Juli, dass Maßnahmen, darunter auch Sanktionen, für den Fall in Erwägung gezogen würden, dass die sudanesische Regierung die Janjaweed nicht binnen 30 Tagen entwaffne und die Sicherheit in Darfur wieder herstelle."

Der Sudan-Kenner Stefan Kröpelin hält derartige Forderungen an die sudanesische Regierung für schlichtweg nicht erfüllbar:

"Und wie, mit wem und welchen Mitteln sollte die Regierung innerhalb von Wochen ein kaum zugängliches, bergiges und versumpftes Gebiet von der Größe Frankreichs befrieden und Dschandschawid und Rebellen entwaffnen, die das Gelände kennen, alle Grenzen überschreiten und nichts zu verlieren haben? Ein derartiges Ultimatum würde die größten und bestausgerüsteten Armeen überfordern."

Nach Auffassung von Kröpelin hat die "weit entfernte" Regierung in Khartum überhaupt nicht die Möglichkeit, die komplexen Konflikte um Ressourcen in der Region Darfur – er beschreibt teils traditionelle Ressourcenkonflikte zwischen Nomaden und Sesshaften, teils durch die Erdöl-Funde verschärften Ressourcenkonflikte – einfach zu beenden:

"Die ökologischen Gegebenheiten in Darfur bedingen Lebensumstände, welche die Vorstellungskraft der meisten Europäer überfordern dürften. (...) Es ist der seit prähistorischer Zeit bestehende traditionelle Konflikt zwischen Nomaden und Sesshaften, der seit den 1980er Jahren kontinuierlich eskalierte. (...) Aufgrund der geschilderten Verknappung der Ressourcen und eine Ausweitung der Anbauflächen wurden seitdem von sesshaften Stämmen wie den Fur oder den Zaghawa die Durchzugs- und Wasserrechte der Kamel- und Rindernomaden auf ihren jahreszeitlichen Wanderungen von und zu den Weidegebieten zunehmend eingeschränkt. Von der weit entfernten, de facto unerreichbaren Regierung in Khartum waren solche Konflikte nicht mehr zu lösen. Diesem so im Wesentlichen durch Bevölkerungsdruck und Umweltfaktoren ausgelösten Konflikt überlagern sich nun seit einem guten Jahr die Aktivitäten der Rebellenorganisationen SLM (...) Es ist kein Zufall, dass sich diese Unabhängigkeitsbewegungen gerade zu einem Zeitpunkt bildeten, als der Friedenschluss im Südsudan näher rückte und die Ölforderung im Zentralsudan anstieg. So wechselten ehemalige Kämpfer aus dem Süden in den Westen (...) Die erforderlichen Waffen, vornehmlich Kalaschnikows, wurden mitgebracht oder im benachbarten Tschad besorgt, wo seit den jahrzehntelangen Unruhen und den früheren Interventionen Libyens noch unzählige Schusswaffen im Umlauf sind. Zum anderen lockten Hoffnungen auf eigene Erdölvorräte oder eine Beteiligung an den wohl zu optimistisch eingeschätzten Öleinkommen. (...) Schon dieser, von den demokratisch gewählten Vorgängerregierungen hinterlassene Konflikt, passte nicht in das Schwarz-Weiß-Schema von den armen Christen im Süden und den bösen Islamisten im Norden. Auch hier ging es vielmehr ums Öl. Abgesehen von Konflikten aufgrund regionaler Disparitäten wie in Darfur steht jede sudanesische Regierung wegen der rasanten Bevölkerungszunahme im ganzen Land und dem immer stärker beanspruchten Nilwasser vor Problemen, gegen die selbst die schlimmsten innen- und sozialpolitischen Albträume in Deutschland für Generationen unerfüllbare Wunschträume bleiben müssen."

In einer Kontroverse mit dem FDP-Politiker Gerhart Baum – der Kröpelin zuvor scharf und nicht besonders sachlich kritisiert hatte – hält Kröpelin dem ehemaligen deutschen Bundesminister entgegen, auch dieser wäre als sudanesischer Innenminister wohl kaum dazu in der Lage, in der Region Darfur schnelle Fortschritte zu erzielen:

"Ich würde Sie gerne unter den gegebenen Bedingungen als Innenminister des Sudan sehen und dann nach ein paar Jahren nach den Fortschritten in Darfur befragen.

Es ist auch nicht fair, die jetzige Lage mit irgendwelchen europäischen oder amerikanischen Lebensstandards zu vergleichen statt mit den "normalen" Lebensbedingungen in "Friedenszeiten", die bis jüngst so gut wie niemanden in der Welt interessiert haben."

Es wird deutlich, dass eine für die deutsche Öffentlichkeit zunächst einfach und plausibel klingende Forderung nach einer "Entwaffnung" und Befriedung einer Region in der Praxis eine möglicherweise überhaupt nicht erfüllbare Forderung sein kann. Dennoch droht der Westen im Falle einer Nicht-Erfüllung seiner Forderungen eine militärische Intervention an.

Man stelle sich umgekehrt vor, die sudanesische Regierung würde die deutsche Bundesregierung auffordern, die inhumane Massenarbeitslosigkeit Deutschlands in 6 Monaten zu beseitigen und die Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse mit "Armutslöhnen" zu stoppen, andernfalls würde "die internationale Gemeinschaft" Truppen nach Deutschland entsenden, um die nicht länger hinnehmbaren sozialen Probleme "endlich" zu lösen ...

Deutschland kooperiert mit den Rebellen des Südens, denen schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden

Nach Darstellung des Kölner Wissenschaftlers und Sudan-Kenners Stefan Kröpelin ist die deutsche Menschenrechtspolitik gegenüber dem Sudan allein schon deswegen unglaubwürdig, weil Deutschland eng mit den Rebellen des Südens kooperiere und diese unterstütze. Der einstige Rebellenführer John Garang sei aber alles andere als ein "Chorknabe" gewesen. Zum Beispiel wurde diesem in der BBC-Sendung "HardTalk" unwidersprochen vorgehalten, dass die Rebellen des Südsudan (die SPLA) zahlreiche Verbrechen begangen, Kinder als Soldaten missbraucht und Dörfer abgebrannt hätten.

Auch das Auswärtige Amt stellt auf seiner Website fest, dass die Rebellen des Südsudan die Menschenrechte vielfach missachten: "In von Rebellen beherrschten Teilen Südsudans übt überwiegend die SPLM/A die Herrschaft aus. Sie stützt sich auf eine Militärverwaltung und lässt erst seit jüngster Zeit erste Schritte zum Aufbau einer Zivilverwaltung zu. Auch hier ist die Menschenrechtssituation zutiefst unbefriedigend."

Jürgen Wagner und Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) halten die deutsche Menschenrechtspolitik für verlogen. Vor dem Hintergrund des IWF-Einflusses auf den Sudan und wegen Waffenlieferungen an Rebellen kritisieren sie die humanitären Begründungen für militärische Interventionen:

"Dass sich all die humanitären Interventionisten, die augenblicklich für einen bewaffneten Eingriff im Sudan plädieren, keinen Deut um die Beendigung dieser unseligen Ausbeutungspolitik (des IWF, H.P.) scheren, spricht Bände über die eigentliche Motivation dieser selbsternannten Gutmenschen: 'Es ist schon ein starkes Stück, mit welcher Perfidie hier ökonomische Interessensdurchsetzung mit humanitären Motiven bemäntelt wird: Diejenigen, die aktuell Waffenlieferungen an die SPLA und die 'Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit' nicht unterbinden wollen, die mit der sudanesischen Regierung über Jahre hinaus beste Geschäfte gemacht haben, vergießen jetzt Krokodilstränen und schreien nach der Militärintervention."