September 2006
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Zustimmung und Kritik am Libanon-Einsatz der Bundeswehr
Nach dem Kabinettsbeschluss über den Libanon-Einsatz der Bundeswehr zeichnet sich bei Union, SPD und Grünen eine breite Zustimmung ab. "Die offenen Fragen sind gelöst", sagte der außenpolitische Obmann der Unions-Fraktion, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Auch Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin signalisierte die Unterstützung seiner Abgeordneten. Die Grünen warten noch auf die Beantwortung "militärischer Detailfragen". Dagegen halten die Freien Demokraten an ihrer Ablehnung der Libanon-Mission fest. Sie kritisieren die deutsche Außenpolitik als "Militärangebotspolitik". Nach Auffassung von Links-Fraktionschef Gregor Gysi haben deutsche Soldaten im Nahen Osten "nichts zu suchen". Die deutsche Friedensbewegung geht offenbar davon aus, dass der Libanon-Einsatz der Bundeswehr im Zusammenhang mit einem geplanten Krieg gegen den Iran steht. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gibt sich überzeugt davon, dass die Regierung eine "verantwortungsvolle" Entscheidung getroffen hat.
Koalitionsstreit um die weitere Suche nach einem Atommüll-Endlager
In der großen Koalition bahnt sich ein Streit um die Suche nach einem atomaren Endlager an. CSU-Chef Edmund Stoiber will den vermeintlichen Plan von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) stoppen, nach Alternativen zum Atommüll-Endlager im niedersächsischen Gorleben zu suchen. "Ich plädiere dafür, die Verfahren und Untersuchungen zur Endlagerung in Schacht Konrad und Gorleben zum Abschluss zu bringen und dann in der Koalition eine Entscheidung zu treffen", sagte Stoiber dem "Spiegel". Ein Endlagersuchgesetz, wie es Gabriel plane, sei "in der Koalition nicht durchsetzbar", so Stoiber.
Bundeswehr beteiligt sich an Nahost-Krieg
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den geplanten Libanon-Einsatz der Bundeswehr beschlossen. Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundestages wird sich Deutschland mit bis zu 2400 Soldaten an der UN-Truppe UNIFIL beteiligen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach nach der Kabinettsitzung in Berlin von einer "historischen Dimension" der Entscheidung. Deutschland stellt zunächst einen größeren Schiffsverband zur Überwachung der libanesischen Seegrenze, offiziell, um den Waffenschmuggel für die Hisbollah zu unterbinden. Mit dem Mandat ist auch der Einsatz von Luftwaffeneinheiten möglich. Laut "German-Foreign-Policy" hatte sich der Libanon lange Zeit geweigert, elementare Hoheitsrechte an das deutsche Militär zu übergeben.
Protest gegen mögliche Import-Genehmigung der EU für Gen-Reis von BAYER
Die Coordination gegen Bayer-Gefahren hat am Mittwoch in einem Brief an die europäische Lebensmittelbehörde EFSA gefordert, keine Import-Genehmigung für gentechnisch veränderten Reis zu erteilen. Die Kritiker wenden sich gegen einen Antrag des BAYER-Konzerns bei der EU aus dem Jahr 2003 auf Zulassung von Importen für Reis der Sorte LL 62. Die Sorte sei resistent gegen das von BAYER produzierte Herbizid Liberty Link mit dem Wirkstoff Glufosinat. Insgesamt neun EU-Mitgliedsstaaten haben den Angaben zufolge Bedenken gegen Liberty Link-Reis geäußert, weswegen die EFSA bis heute keine Zulassung erteilt habe. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert jetzt auch die deutsche Bundesregierung auf, sich bei der EFSA gegen eine Importgenehmigung von LL 62-Reis stark zu machen.
Verbal-Kritik der Bundesregierung an US-Geheimgefängnissen
Die Bundesregierung lehnt die von der US-Administration in Europa eingerichteten Geheimgefängnisse für mutmaßliche Terroristen verbal ab und fordert vom Bündnispartner eine Kurskorrektur. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Wochenende in Berlin: "Der Einsatz solcher Gefängnisse ist nicht vereinbar mit meinem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit." US-Präsident George W. Bush hatte unlängst erstmals offiziell die Existenz solcher Gefängnisse in Europa eingeräumt, über die lange nur spekuliert worden war. Er nannte aber keine Details, in welchen Ländern sich die Haftanstalten befinden oder befanden. Der Grünen-Politiker Volker Beck vermisst seintens der deutschen Bundesregierung allerdings konkrete Initiativen gegen die Geheimgefängnisse in Europa. Die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an US-Geheimdiensten sei "gut und schön, aber wo bleibt die Konsequenz", fragte Beck am Samstag in Berlin. Bislang habe die Bundesregierung "jeden Einsatz vermissen lassen, im deutschen Luftraum Verschleppungen von Gefangenen luftverkehrsrechtlich zu unterbinden", kritisierte der Oppositionspolitiker. Zu Zeiten der Regierungsbeteiligung wurde nach Auffassung von Menschenrechtsorganisationen auch seitens der Grünen ein konsequentes Vorgehen etwa im Fall Murat Kurnaz vermisst.
Sudanesische Regierung will UN-"Invasion" im eigenen Land verhindern
Die Bundeswehr ist im Sudan ausdrücklich nicht willkommen. Die sudanesische Regierung hat die UN-Resolution zur Entsendung von Soldaten in die Krisenregion Darfur abgelehnt. Das Land sei bereit, "einer internationalen Invasion die Stirn zu bieten", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Suna den stellvertretenden Präsidenten Ali Osman Taha. "Wir haben Möglichkeiten und Pläne, das zu verhindern", sagte Taha in Anspielung auf den Konflikt zwischen Israel und der Hizbullah, die aufgrund ihrer "Entschiedenheit, ihrer Geduld und ihres Willens der feindlichen zionistischen Armee schwere Verluste" beigebracht habe. Die Resolution 1706 sieht die Entsendung von insgesamt mehr als 17.000 Blauhelmsoldaten sowie 3300 Polizisten nach Darfur vor.
Atomkraftgegner blockierten die Zufahrt zum Atomkraftwerk Brunsbüttel
Atomkraftgegner haben am Sonntag die Zufahrt zu dem von Vattenfall und E.On betriebenen Atomkraftwerk Brunsbüttel blockiert. Nach Angaben der an dem Protest beteiligten Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg fordern die Demonstranten eine schnelle Abschaltung des "Skandal-Kraftwerks". Brunsbüttel dürfe "keine Minute länger laufen". Die Atomkraftwerksbetreiber würden gravierende Sicherheitsmängel vertuschen. Kaum ein anderer Reaktor in Deutschland habe so häufig wegen Pannen vom Netz genommen werden müssen wie das Atomkraftwerk Brunsbüttel. Die Atomkraftgegner erinnerten daran, dass es bereits am 14. Dezember 2001 in Brunsbüttel eine "höchstgefährliche Wasserstoffexplosion" gegeben habe. Dabei sei eine Rohrleitung auf einer Länge von etwa drei Metern in unmittelbarer Nähe zum Reaktorkern "zerfetzt" worden.
Seehofer wehrt sich gegen Vorwurf der Vertuschung im Gammelfleisch-Skandal
Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) setzt sich gegen den Vorwurf der Vertuschung im Gammelfleischskandal zur Wehr. Der CSU-Politiker nannte am Sonntag Vorhaltungen, er habe die Bürger zu spät über den Skandal informiert, "absurd". Seehofer sprach von einem "durchsichtigen parteipolitischen Manöver". Seehofer erklärte, am 25. August sei erstmals in Meldungen von einem Verdacht auf Umetikettierung abgelaufener Lebensmittel in einem Betrieb in Gröbenzell die Rede gewesen. Hinweise auf den Umfang von beanstandeten Waren habe es nicht gegeben. Nach weiteren Meldungen über Beanstandungen in Bayern habe der Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, Gert Lindemann, am letzten Augustwochenende Mitarbeiter beauftragt, "in Bayern nachzuhören, ob man es mit einem größeren Geschehen zu tun habe". Aus dem Ministerium in Bayern sei jedoch lediglich zu hören gewesen, dass die Ermittlungen andauerten und nähere Informationen nicht vorlägen.
Diskussion über die Vorschläge des Sachverständigenrates zum Arbeitslosengeld
Die große Koalition diskutiert weiter über die Vorschläge des Sachverständigenrates der Bundesregierung zu Arbeitslosengeld II und Kombilöhnen. Der Sachverständigenrat hatte am Freitag vorgeschlagen, die Unterstützung für Langzeitarbeitslose von derzeit 345 Euro pro Monat um 30 Prozent zu kürzen und im Gegenzug die Hinzuverdienstmöglichkeiten zu erweitern. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) forderte am Montag stärkere Anreize zur Aufnahme von Arbeit. Der Arbeitsmarkt- und Sozialexperte der Union, Ralf Brauksiepe (CDU), wandte sich gegen eine generelle Kürzung der Regelsätze. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, mahnte, die Wirkung der jetzigen Hinzuverdienst-Regeln erst einmal abzuwarten. Links-Fraktionsvize Klaus Ernst warf den Experten vor, sie hätten den Bezug zur Realität verloren. Sein Kollege Herbert Schui kritisierte, der Sachverständigenrat wolle "die Menschen in Billigjobs zwingen".