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Degussa bleibt an Holocaust-Mahnmal beteiligt

Lob und Kritik für Entscheidung

Das Berliner Holocaust-Mahnmal wird nun doch mit dem historisch belasteten Unternehmen Degussa weiter gebaut. Einen entsprechenden Beschluss fasste am Donnerstag das Kuratorium der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas bei einer außerordentlichen Sitzung in Berlin. Der Stiftungsvorsitzende, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), sprach er von einer "schwierigen Entscheidung". Mahnmal-Architekt Peter Eisenman und Degussa-Vorstandschef Felcht lobten die Entscheidung, während der Münchener Historiker Michael Wolffsohn sie scharf kritisierte. Die Symbolik des Mahnmals werde ad absurdum geführt. Wenn man die Opfer kränke, könne man keine Brücken bauen zwischen den Nachfahren. Wolffsohn beschuldigte die Degussa, deren Tochterfirma Degesch in der Nazizeit das Giftgas Zyklon B für die Ermordung von Millionen Juden produziert hatte, die Aufarbeitung ihrer Geschichte nicht ernsthaft betrieben zu haben.

Wer etwas Anderes behaupte, sei nicht informiert, so Wolffsohn. Mit der Aufarbeitung der Firmengeschichte während des Nationalsozialismus sei ein von Degussa bezahlter Historiker beauftragt worden. "Bei den chinesischen Kaisern nannte man so jemanden einen Hof-Historiker", sagte Wolffsohn. Wer Geschichte wissenschaftlich korrekt aufarbeiten wolle, müsse das durch eine Vielfalt von Zugangsmöglichkeiten und eine Vielzahl von Forschern tun.

Aus eigener Erfahrung berichtet der Historiker: "Ich selbst wollte Unterlagen der Degussa aus der Zeit des Nationalsozialismus auswerten. Klappe zu, war die Reaktion. Zuerst gab es die Akten, die ich einsehen wollte, angeblich nicht, dann wurden sie nicht freigegeben."

Die Mehrheit der Kuratoriumsmitglieder der Stiftung sei dagegen gewesen, Teile der Gesellschaft wie eine Firmen mit einer belasteten Vergangenheit von dem Bau auszuschließen, sagte Bundestagspräsident Thierse. Zugleich habe es in dem Gremium die "emotional starke Position" gegeben, dass Degussa "unauslöschlich mit der Verbrechensgeschichte verbunden" sei, räumte Thierse ein. Dies treffe jedoch auch auf andere an dem Mahnmalsbau beteiligte Firmen zu. "Die heutige Firma Degussa ist eine andere Firma", unterstrich Thierse.

Das Kuratorium hat sich Thierse zufolge auch aus praktischen Gründen zu diesem Schritt entschlossen. Die Entscheidung für ein alternatives Produkt hätte den Zeit- und Finanzrahmen für das Mahnmal gesprengt sowie zu erheblichen rechtlichen Unsicherheiten geführt. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, habe ihm bereits vor der Entscheidung zugesichert, jeden Beschluss des Kuratoriums zu respektieren.

Die Produktion der Mahnmal-Stelen war Ende Oktober unterbrochen worden, nachdem bekannt wurde, dass sie mit einem Degussa-Produkt gegen Graffiti beschichtet werden. Das Kuratorium traf diese Entscheidung trotz Bedenken gegen eine Degussa-Beteiligung, die zuvor mit Blick auf die Gefühle der Angehörigen von Holocaust-Opfern geäußert wurden.

Der Architekt des Mahnmals, Peter Eisenman, begrüßte die Entscheidung zum Weiterbau der Erinnerungsstätte. Dass über die Beteiligung von Unternehmen wie Degussa am Holocaust diskutiert werde, sei auch die Intension des Mahnmals, sagte er. Man dürfe sich ja nicht zu "Geiseln der politischen Korrektheit" machen. Der Architekt lobte zugleich die einhellige Reaktion der deutschen Politik und zeigt sich erfreut über die Diskussion sowie die Bereitschaft, nach vorne zu schauen.

Bereits vor diesem Beschluss hatten sich die Stimmen für eine weitere Degussa-Beteiligung gemehrt. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Kuratoriumsmitglied Alexander Brenner, war laut Thierse zwar während der Kuratoriumssitzung gegen eine weitere Beteiligung der Firma Degussa am Bau des Denkmals. Er plädierte jedoch für die Weiterführung des Projektes.

Das Mahnmal soll bis zum 8. Mai 2005 fertig gestellt sein. Ohne Degussa wäre der Zeitplan in Gefahr geraten und hätte die Kosten um mehr als zwei Millionen Euro erhöht.