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ASB: Pflegekassen drücken sich vor Leistungen

Gesundheitswesen

Die Spitzenverbände der Pflegekassen haben auf der Grundlage des so genannten Rollstuhlurteils, nach dem die Krankenkassen nur für individuell angepasste Hilfsmittel zahlen müssen, einen einseitig ausgerichteten Abgrenzungskatalog herausgegeben, stellt der Arbeiter-Samariter-Bund fest. Das Bundessozialgericht hatte in seinem Urteil geregelt, dass Pflegehilfsmittel, welche zum üblichen Betrieb eines Pflegeheimes gehören und der Pflegeerleichterung dienen, vom Heim gestellt werden müssen.

Individuell angepasste Hilfsmittel seien weiterhin von der Krankenkasse zu finanzieren. Die Krankenkassen haben dies mit der Herausgabe des neuen Abgrenzungskatalogs, trotz gegensätzlicher anderer Urteile, für sich kostensenkend interpretiert. Nach deren Abgrenzungskatalog würde nun z.B. die Beschaffung von Gehwagen, Blutzuckermessgeräten und Infusionspumpen zur Leistungspflicht der Pflegeheime gehören. Die Kosten hierfür müssen dann entweder von den Ländern, den Kommunen oder in ca. 60 Prozent der Fälle vom Pflegebedürftigen im erhöhten Heimkostenentgelt aufgebracht werden.

Damit zahle der Pflegebedürftige zweimal: Einmal an die Krankenversicherung, aus der er aber die Leistung nicht in vollem Umfang erhält, und zum zweiten Mal an das Pflegeheim. Würde er aber in der eigenen häuslichen Umgebung gepflegt, käme die Krankenkasse in vollem Umfang für die Hilfsmittel auf. Da zum Beispiel Infusionspumpen eindeutig zur medizinischen Therapie und nicht zur Pflegeerleichterung gehören, stelle sich angesichts des neuen Abgrenzungskatalogs die Frage, ab wann die Kassen die Kosten für die Medikamente auch auf die Pflegeheime abwälzen. Der Arbeiter-Samariter-Bund fordert die Gesetzgeber in Bund und Ländern deshalb auf, gegen diesen Abgrenzungskatalog vorzugehen und zusätzlichen Versuchen, weitere Kosten für die Pflege auf Pflegeheime oder Pflegebedürftige zu verlagern, Einhalt zu gebieten.

Am 15-04-2002

Charité-Studie

Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) bedauert: "Fast schon erwartungsgemäß geht die Interpretation der vom FOCUS und anderen Medien zitierten Studie 'Suizide alter Menschen' der Berliner Charité an ihren Kernaussagen komplett vorbei." Die Berichterstattung passe zur anhaltenden Stimmungsmache gegen Pflegeeinrichtungen in der Öffentlichkeit. "Liest man die Studie nämlich genauer und unter dem Aspekt der Objektivität, sucht man den Bezug zu dem reißerischen Titel des FOCUS: "Lieber tot als im Pflegeheim" umsonst." Meurer: "Angesichts einer solchen Darstellung ist es kein Wunder, dass die Angst, in Pflegeheimen schlecht behandelt zu werden, von der Öffentlichkeit als Hauptursache für den Freitod alter Menschen verstanden wird." Die Aussage der Studie ist jedoch eine völlig andere, betont der bpa nach Rücksprache mit deren Verfassern, den Wissenschaftlern des Institutes für Rechtsmedizin an der Berliner Charité: Nicht die Angst vorm Pflegeheim, sondern Kontaktarmut, Verlust des Partners, schwere körperliche oder psychische Krankheit werden als die vorrangigen Gründe für den Suizid von 3534 Menschen über 65-jährigen angegeben.

So heißt es im Wortlaut der Studie: "Auch wenn die Angst, in einem Pflegeheim untergebracht zu werden, als einzelnes Motiv für den Suizid wenig genannt wurde, verliert dieser Aspekt nicht seine kritische Bedeutung. Denn sicherlich wäre ein Großteil dieser alten Menschen in einem Alten- oder Pflegeheim weitaus besser versorgt und betreut worden, als dies ihnen selbst und ihren Angehörigen möglich gewesen wäre."

Insgesamt leben in deutschen Pflegeheimen mehr als 600.000 Menschen, die in der Regel deutlich über 80 Jahre alt sind, erklärt bpa-Geschäftsführer Herbert Mauel mit Bezug auf die Charité-Studie: "So tragisch ein jeder Freitod auch ist, muss man doch zugestehen, dass es sich bei den hauptsächlichen Ursachen um normale Lebensrisiken handelt. Indem die Medien immer wieder hingehen und hieraus Schlagzeilen wie 'Lieber tot als im Pflegeheim' herbei konstruieren, ist die Seriösität jeder journalistischen Berichterstattung in Frage gestellt."

Am 16-09-2004

"Eigenschutz vor Fremdnutz"

Wenn Eltern ins Pflegeheim kommen, werden die Heimkosten zunächst einmal von ihren eigenen Einkünften gedeckt. Reichen diese aber nicht aus, dann müssen die Kinder einspringen. Doch ihr "letztes Hemd" müssen die Kinder nicht geben. Sie müssen laut Gesetz nicht mehr einsetzen als ihnen selbst verbleibt - und das muss "angemessen" sein. Doch inwieweit darf der Staat zur Deckung der Heimkosten pflegebedürftiger Eltern das Grundeigentum ihrer erwachsenen Kinder verwerten? Damit befasste sich das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in mündlicher Verhandlung. Insbesondere ging es dabei darum, ob Sozialhilfeträger in solchen Fällen des Elternunterhalts die Kinder dazu verpflichten können, ein zinsloses Darlehen in Höhe der Heimkosten aufzunehmen und zu dessen Sicherung das Grundstück mit einer Zwangshypothek zu belasten. Juristisch gesprochen geht es um die "Zumutbarkeit der Verwertung des Vermögensstamms".

Der Erste Senat erörterte die Verfassungsbeschwerde einer 1939 geborenen Frau, die vom Landgericht Duisburg in letzter Instanz zur Zahlung von Elternunterhalt in Höhe von rund 63.000 Euro verurteilt wurde.

Die 1995 gestorbene Mutter der Beschwerdeführerin war in den vier Jahren vor ihrem Tod in einem Pflegeheim untergebracht. Da die Einkünfte der Mutter zur Deckung der Heimkosten nicht ausreichten, hatte zunächst das Bochumer Sozialamt die Kosten von rund 63.000 Euro übernommen. Weil die - nur mit einem niedrigen Einkommen ausgestattete - Tochter aber zur Hälfte Eigentümerin eines Vier-Familien-Hauses ist, hatte die Stadt Bochum sie auf Zahlung von Elternunterhalt in Höhe der Heimkosten verklagt. Das Geld soll laut Duisburger Urteil vom Mai 1996 über ein Zwangsdarlehen in Verbindung mit einer Zwangshypothek auf das Hausgrundstück gesichert werden.

Die Tochter sieht darin einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie. Die auferlegte Unterhaltsverpflichtung überschreite ihre Leistungsfähigkeit und gefährde ihre eigene Altersversorgung. Der Verkehrswert ihres Grundstücksanteils beträgt lediglich rund 125.000 Euro.

Der Unterhalts-Betrag von 63.000 Euro soll als zinsloses Darlehen gewährt werden, das erst nach dem Tod der Tochter zur Rückzahlung fällig wird. Zur Sicherung des Darlehens soll die Frau deshalb ihren hälftigen Anteil an dem Hausgrundstück mit einer Grundschuld von rund 63.000 Euro belasten - diese Geldsumme würde also schließlich an das Sozialamt gezahlt.

Der Anwalt der Beschwerdeführerin sagte in Karlsruhe, das Gesetz erlaube es weder, "ein Zwangsdarlehen einzugehen noch eine Zwangssicherungshypothek eintragen zu lassen". Damit werde die Handlungsfreiheit der Beschwerdeführerin unzulässig beschnitten, weil sie dann "derzeit dieses Grundstück nicht verkaufen könnte". Hier gehe es in Wahrheit um eine "Re-Finanzierung der öffentlichen Hand", sagte Kläger-Anwalt Jörn Hauß weiter.

Beim Elternunterhalt gehe der Gesetzgeber zudem davon aus, dass "Eigenschutz vor Fremdnutz" gehe. Hauß berief sich dabei auch auf die Zoologie: "In der Natur gibt es keine Spezies, bei der die Kinder ihre Eltern durchfüttern", sagte er. Der Prozessvertreter der Stadt Bochum hielt dem entgegen, die Tochter sei "dazu verpflichtet, ihr Vermögen insoweit einzusetzen, dass ihre eigene Leistungsfähigkeit noch gegeben war".

Doch eine Vertreterin der Bundesregierung wies noch auf einen anderen Punkt hin, der die Aufhebung des Duisburger Urteilsspruchs - fernab verfassungsrechtlicher Erwägungen - wahrscheinlich macht: Ein Unterhaltanspruch ist laut Gesetz immer "zeitbezogen". Das heißt: Gegenwärtiger Bedarf muss auch gegenwärtig erfüllt werden. Das Angebot der Stadt Bochum, ein zinsloses Darlehen zu gewähren, sei schlicht "zu spät" gekommen, weil die Mutter schon tot war, sagte Birgit Grundmann, Ministerialrätin im Bundesjustizministerium. Das habe das Landgericht "nicht hinreichend beachtet".

In der Verhandlung wurde zudem bekannt, dass das Bochumer Modell des "aufgedrängten Darlehens" (Verfassungsrichter Udo Steiner) bislang keine Nachahmer in anderen Städten gefunden hat.

Am 15-03-2005

Keine Pflicht zum Schuldenmachen

Das Bundesverfassungsgericht hat die Unterhaltspflicht erwachsener Kinder gegenüber ihren Eltern stark begrenzt. Die Kinder müssten keine eigene, selbst genutzte Immobilie zur Deckung von Heimkosten pflegebedürftiger Eltern einsetzen, entschieden die Karlsruher Richter am Dienstag. Der Erste Senat hob ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Duisburg auf. Das Landgericht hatte eine 66-jährige Rentnerin und Haus-Miteigentümerin dazu verpflichtet, zur Begleichung von Pflegekosten ihrer bereits 1995 gestorbenen Mutter ein zinsloses Darlehen über rund 63.000 Euro aufzunehmen. Dieses sollte sie mit einer ebenso hohen Grundschuld auf ihren Hausanteil - einer Art Zwangshypothek - sichern. Die Rückzahlung des Geldes sollte drei Monate nach ihrem eigenen Tod fällig werden.

Nach den Worten von Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier dürfen erwachsene Kinder "zwar nicht gänzlich aus der Unterhaltspflicht gegenüber ihren Eltern entlassen" werden. Die "besondere Belastungssituation" der mittleren Generation müsse aber beachtet werden. Diese habe meist längst eigene Familien gegründet, sehe sich Unterhaltsansprüchen der eigenen Kinder und Ehepartner ausgesetzt und müsse für die eigene Altersabsicherung sorgen. Dem erwachsenen Kind müsse deshalb ein "angemessener eigener Unterhalt" verbleiben.

Kläger-Anwalt Jörn Hauß sprach von einem "Sieg für die Sandwichgeneration". Der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Werner Hesse, betonte, die mittlere Generation dürfe nicht überfordert werden. Sie zahle bereits für die alte Generation - etwa durch die Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung und durch Steuern, sagte Hesse. In der mittleren Generation gebe es "nur sehr wenige, die genug Einkommen übrig behalten, um noch direkt ihre Eltern finanzieren zu können". Von den 600.000 Pflegebedürftigen in Heimen seien zwei Drittel auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen.

Der Rechtsdezernent der Stadt Bochum, Hanspeter Knirsch, befürchtet nun "größte Probleme" für die Sozialämter. Durch das Urteil würden "die Möglichkeiten der Sozialhilfeträger, an Vermögen von Unterhaltspflichtigen heranzukommen, eingeschränkt". Es dürfe aber nicht sein, dass "die Sozialhilfeträger die Vergreisung der Gesellschaft bezahlen". Der Gesetzgeber müsse "regulierend eingreifen".

Nach Ansicht des Verfassungsgerichts verletzt das bundesweit einzigartige Bochumer Modell eines "aufgedrängten Darlehens" die finanzielle Dispositionsfreiheit der Klägerin. Dies entbehre "jeder Rechtsgrundlage". Die Verfassungsbeschwerde der 66-Jährigen - die nur eine geringe Rente bezieht - war damit erfolgreich.

Ihre Mutter war in den vier Jahren vor ihrem Tod in einem Pflegeheim untergebracht. Da die Einkünfte der Mutter zur Deckung der Heimkosten nicht ausreichten, hatte zunächst das Bochumer Sozialamt die Kosten von rund 63.000 Euro übernommen. Dann aber nahm das Amt die Tochter in Regress, weil sie zur Hälfte Eigentümerin eines Vier-Familien-Hauses ist, in dem sie auch selbst wohnt. (AZ: 1 BvR 1508/96 - Urteil vom 7. Juni 2005)

Am 07-06-2005