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Ex-RAF-Terrorist Christian Klar kommt frei

Buback fordert "Wahrheit" über Attentat

Nach 26 Jahren hinter Gittern kann der ehemalige RAF-Terrorist Christian Klar ein Leben in Freiheit führen. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschied am Montag (24. November), den Rest seiner lebenslangen Freiheitsstrafe mit Wirkung zum 3. Januar 2009 zur Bewährung auszusetzen. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine "fortdauernde Gefährlichkeit" Klars, hieß es zur Begründung. Bei Politikern und Opfervertretern rief der Beschluss ein geteiltes Echo hervor.

Der 2. Strafsenat des OLG entsprach mit der Entscheidung einem Antrag der Bundesanwaltschaft. Auch die Leitung der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, in der der 56-Jährige einsitzt, hatte Klars Entlassung befürwortet. Das Gericht musste nach eigenen Angaben allein darüber befinden, ob von Klar weiter erhebliche Straftaten zu befürchten sind. Dies wurde verneint. Dabei beriefen sich die Richter unter anderem auf positive Prognosegutachten. Zudem fand eine persönliche Anhörung des Inhaftierten statt.

Als entscheidend erachtete das Gericht, dass das kriminelle Handeln von Klar eng mit dessen früherer Zugehörigkeit zur RAF verbunden gewesen sei, diese aber seit 1998 unter Mitwirkung Klars aufgelöst sei und Klar bereits zuvor unmissverständlich geäußert habe, vom bewaffneten Kampf Abstand zu nehmen. Auch sei bisher keines der entlassenen Ex-RAF-Mitglieder wieder einschlägig straffällig geworden, hieß es weiter. Die Erklärung Klars, er schließe dies auch für sich aus, sei glaubhaft.

Der 56-jährige Klar war 1985 wegen neunfachen Mordes und elffachen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er wurde unter anderem der Beteiligung an der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer für schuldig befunden. 1998 hatte das OLG entschieden, dass Klar mindestens 26 Jahre seiner Strafe in Haft verbringen muss. Diese Frist läuft am 3. Januar ab. Ob Klar genau dann entlassen wird, blieb zunächst offen. Die ARD berichtete unter Berufung auf seinen Anwalt, dass die Freilassung auch kurz davor oder danach erfolgen könnte, um Medienrummel zu vermeiden.

Buback-Sohn: Ich kenne noch immer nicht den "Tatbeitrag" Klars

Der Sohn des Ermordeten Siegfried Buback, Michael Buback, hatte bereits vor der Entscheidung erklärt, er akzeptiere die Regeln. Er forderte Klar auf, sein Schweigen zum damaligen Attentat zu brechen. Er kenne noch immer nicht den "Tatbeitrag" Klars, sagte Buback am Montag im ARD-"Mittagsmagazin". "Ich weiß nicht, was er in Verbindung mit dem Karlsruher Attentat sich hat zuschulden kommen lassen", betonte der Göttinger Chemieprofessor.

Buback zeigte sich zugleich bereit zu einem Gespräch mit Klar. "In dem Moment, in dem jemand - auch Christian Klar - mir etwas mitteilen will oder mir etwas schreiben will oder auch mich anrufen würde, würde ich den Hörer nicht auflegen", sagte Buback. Das Wichtigste, um mit dem Geschehen abschließen zu können, sei, "die Wahrheit zu erfahren".

Noch immer ist unklar, wer der Todesschütze der RAF bei dem Buback-Attentat war. Nach den bisherigen Urteilen gelten Klar, Günter Sonnenberg und Knut Folkerts als "Tatbeteiligte".

Weitere Reaktionen

Auf Kritik stieß die Entscheidung bei Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU). Klar habe nie Verständnis dafür gezeigt, "welches Leid und welchen Kummer seine Taten ausgelöst haben", monierte sie.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte zwar Verständnis für das Gericht, das "aus rechtsstaatlichen Gründen" kaum anders hätte entscheiden können. Als Polizist, der die Zeit des RAF-Terrorismus miterlebt habe, verspüre er aber "tiefe Bitternis", sagte GdP-Chef Konrad Freiberg.

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sprach indes von einer "absolut korrekten Entscheidung".

Nach Auffassung des Vereins "Rote Hilfe" setzten die Verfahren gegen mutmaßliche oder tatsächliche Mitglieder der RAF grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft. "Gekaufte Kronzeugen, verschwundene, unter Verschluss gehaltene oder vernichtete Beweise und Dokumente, ausgehebelte Verteidigerrechte und Sondergesetze machten und machen diese Verfahren zur offensichtlichen Farce", meint Mathias Krause, Vorstandsmitglied der Roten Hilfe. "Der Terrorparagraph 129a erübrigte in den meisten Fällen jeden individuellen Tatnachweis." Allen Mitgliedern der RAF seien regelmäßig sämtliche während ihrer Mitgliedschaft stattgefundenen Taten zur Last gelegt worden.

Den besonderen Zorn der Verfolgungsbehörden hätten sich die Angeklagten insbesondere dann zugezogen, "wenn sie nicht bereit waren, sich selbst und andere zu belasten oder sich von ihrer eigenen Geschichte und ihren linken Zielen zu distanzieren", so Krause. "Mehr als deutlich wurde dies im vergangenen Jahr, als eine antikapitalistische Äußerung Christian Klars zum Anlass genommen wurde, ihm bereits in Aussicht gestellte Hafterleichterungen zu verwehren." Der "Kampf gegen die politische Justiz und für die Freiheit der politischen Gefangenen" sei mit der aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts keineswegs überflüssig geworden. So sitze mit Birgit Hogefeld ein weiteres Mitglied der RAF im Gefängnis, in Stammheim finde zur Zeit "ein absurdes 129b-Verfahren gegen türkische Exil-Linke" statt.

Im vergangenen Jahr hatte Klar bereits versucht, über ein Gnadengesuch in Freiheit zu gelangen. Bundespräsident Horst Köhler hatte dies jedoch im Frühjahr 2007 abgelehnt. Klar und Birgit Hogefeld sind die letzten Ex-RAF-Terroristen, die noch im Gefängnis einsitzen. Hogefeld kann frühestens 2011 mit einer Entlassung rechnen.