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Bundesausschuss Friedensratschlag kritisiert rot-grünen Rüstungsboom

"Mit Handamputation bestraft"

Der an der Universität Kassel angesiedelte "Bundesausschuss Friedensratschlag" kritisierte in einer Pressemitteilung, dass der Deutsche Bundestag gut drei Monate nach der Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts 2003 lediglich eine halbe Stunde über den Bericht diskutieren dürfe. Entschieden werde aber ohnehin im geheim tagenden "Bundessicherheitsrat". Nach Darstellung der Sprecher des Friedensratschlags, Peter Strutynski und Lühr Henken ist "die Kriegswaffenexportbilanz der rot-grünen Bundesregierung noch miserabler als jene unter Kohl/Genscher". Selbstgesteckte Exportrestriktionen der Bundesregierung seien "Augenwischerei" und Rüstungslieferungen in die Emirate ein "verheerendes Signal". Der "vordemokratische Bundessicherheitsrat" müsse abgeschafft werden, fordern sie.

Der aktuelle Rüstungsexportbericht der Bundesregierung weise einen explosionsartigen Anstieg der Kriegswaffenexporte des Jahres 2003 auf den vierfachen Wert des Vorjahres aus (von 0,3 auf 1,3 Milliarden Euro). "Dies steigert den Durchschnittswert der Kriegswaffenexporte unter Schröder/Fischer der Jahre 1999 bis 2003, so dass er 30 Prozent über dem Durchschnittswert der letzten drei Jahre der Kohl/Genscher-Regierung liegt."

Entschuldigende Einwände, der Wertzuwachs sei vor allem darauf zurückzuführen, dass unter der rot-grünen Regierung lediglich Ausfuhrverträge in die Tat umgesetzt werden mussten, die bereits während der schwarz-gelben Regierungszeit erteilt wurden, hält der "Bundesausschuss Friedensratschlag" für ein Ablenkungsmanöver. Das Gegenteil sei richtig, da auch die Genehmigungspraxis unter Rot-Grün liberaler als unter Schwarz-Gelb sei: "Die Durchschnittswerte der von Rot-Grün erteilten Einzelausfuhrgenehmigungen der Jahre 1999 bis 2003 liegen um 49 Prozent über denen der letzten drei Jahre Kohl/Genscher (1996 bis 1998). Dabei liegt der Wert der Einzelausfuhrgenehmigungen des Jahres 2003 allein schon um knapp 50 Prozent über dem von 2002."

Ein Ende des deutschen Rüstungsexportbooms sei nicht in Sicht und werde "unter Schröder/Fischer auch nicht angestrebt. Die Vertreter deutscher Rüstungskonzerne fühlten sich sichtlich wohl im Tross des Bundeskanzlers bei seinem 7-Tage-Trip durch die Golfstaaten", meinen die Friedensforscher.

Sinnbildlich für die liberale Rüstungsexportpraxis der Bundesregierung stünden die jüngsten Vertragsabschlüsse mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) im Gesamtwert von 260 Mio. Euro. Die Lieferung von 32 Fuchs ABC-Spürpanzern in den Jahren 2007 bis 2010 durch Rheinmetall und die Modernisierung der Armee-Kommunikation in den beiden nächsten Jahren durch Rohde & Schwarz sollten die von Schröder gewollte "strategische Partnerschaft" mit den Emiraten fundamentieren.

"Die Emirate sind eine anachronistische Herrschaftsform, die durch keine Wahl legitimiert ist, jedoch durch Waffenlieferungen stabilisiert werden soll", schreiben Strutynski und Henken. "Damit verstößt die Bundesregierung gleich doppelt gegen ihre eigenen Grundsätze. Dass die VAE am Persischen Golf in einem Spannungsgebiet liegen, ist unverkennbar, zumal sie zudem noch ungelöste Territorialkonflikte mit dem Iran, Saudi-Arabien und dem Oman haben."

Zwar habe die Bundesregierung in ihren Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen vom 19.1.2000 lobenswerterweise festgelegt, dass sie bei ihrer Entscheidung über Waffenexporte "der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungsland ... besonderes Gewicht" beimessen, und auch Berichte von Menschenrechtsorganisationen berücksichtigen wolle, nur geschehe dies nicht. "Denn die Gerichtsbarkeit der VAE unterliegt der Scharia, die entsprechend der Berichte von amnesty international zuletzt im Dezember zwei unverheiratete Frauen zu 100 bzw. 150 Peitschenhieben verurteilten, weil sie angeblich Ehebruch begangen hätten. Prügelstrafe kommt der Folter gleich und ist nach internationalem Recht verboten. Vor zwei Jahren wurde laut ai ein Pakistani wegen des Diebstahls von 70 Dollar mit Handamputation bestraft."

Im Vorfeld der Kanzlerreise in die Golfregion machten Meldungen über die Absicht der Emirate Schlagzeilen, sie wollten "Hunderte Exemplare des Kampfpanzers Leopard II A4, des Schützenpanzers Marder und der Panzerhaubitzen 2000 von der Bundeswehr übernehmen". Die Kieler ThyssenKrupp-Werft HDW bestätigte Verhandlungen mit den Emiraten über U-Boote. Pressemeldungen zufolge scheint der Bundessicherheitsrat diesen Exportgeschäften zustimmen zu wollen.