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Kommunen klagen trotz sprudelnder Steuereinnahmen über Tarifabschluss

Milliardenüberschüsse

Die Lebenshaltungskosten steigen rapide. Nicht zuletzt daraus resultieren Forderungen nach höheren Löhnen und Gehältern. Für höhere Tarifabschlüsse wiederum muss mehr Geld zu sparen verfügbar sein. Die Kommunen klagen nun, der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst stelle sie vor erhebliche finanzielle Probleme. Tatsächlich aber sprudeln die Einnahmen der Gemeinden und Gemeindeverbände. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom 18. März nahmen sie 2007 168,8 Milliarden Euro ein und damit 6,4 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Ihre kassenmäßigen Ausgaben lagen bei 160,7 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von 3,2 Prozent im Vergleich zu 2006 entspricht. Damit ergebe sich ein kassenmäßiger Finanzierungsüberschuss in Höhe von 8,2 Milliarden Euro. Das Plus lag um 5,2 Milliarden Euro über dem Vorjahresbetrag. Die Kommunen schwimmen also im Geld. Für ihre Angestellten und Beamten wollen sie es aber offenbar nicht ausgeben. Es stellt sich die Frage, wofür sonst die Kommunen die Milliarden verwenden wollen.

"Der Tarifabschluss geht an die Schmerzgrenze", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, am 2. April. "Es ist damit zu rechnen, dass sich die Bürger auf Gebührenerhöhungen einstellen müssen und dass es zum Personalabbau kommt", so Landsberg.

Die Arbeitgeber von Bund und Kommunen hatten sich am Montag in Potsdam darauf geeinigt, dass die rund 1,3 Millionen Beschäftigten in zwei Schritten eine Entgelterhöhung von insgesamt 5,9 Prozent erhalten. Zudem werden die Monatsgehälter pauschal um 50 Euro erhöht. Außerdem gibt es im kommenden Jahr eine Einmalzahlung von 225 Euro. Im Gegenzug wird die Arbeitszeit im Westen von derzeit durchschnittlich 38,5 auf 39 Wochenstunden erhöht.

Der Deutsche Städtetag begrüßte zwar den Abschluss. "Die Tarifeinigung wird aber für die Kommunen teuer", sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus. Vor allem für Kommunen mit einem hohen Defizit oder mit hoher Arbeitslosigkeit sei der Kompromiss "schmerzhaft". Articus rechnet mit Gebührenerhöhungen zum Beispiel bei der Müllabfuhr und im öffentlichen Nahverkehr.

Die ersten Städte planen jetzt - angeblich wegen des Tarifabschlusses - Einsparmaßnahmen. Stuttgart wolle die zusätzlichen Kosten im Klinikum durch Entlassung von bis zu 400 Mitarbeitern ausgleichen, falls das Bundesgesundheitsministerium die Krankenhaus-Tagessätze nicht anpasst, sagte ein Sprecher der Stadt. Zudem würden voraussichtlich 250 freiwerdende Stellen in der Kernverwaltung nicht neu besetzt. Lüneburg will die Gebühren für Kindertagesstätten erhöhen. Halle an der Saale hatte ab 2. April eine vorläufige Haushaltssperre verhängt. Die Stadt reagiert nach den Worten von Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) auf den Tarifabschluss, der die Kommune vor "große Finanzierungsschwierigkeiten" stelle.

Uwe Lübking, Arbeits- und Tarifexperte des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, kritisierte den Tarifabschluss. "Damit wird das eigentliche Ziel der Gewerkschaften konterkariert", sagte er. Mögliche Stellenstreichungen in den Kommunen dürften vorrangig die niedrigen Einkommensschichten treffen, wenn zum Beispiel Reinigungskräfte ausgegliedert werden. In der Privatwirtschaft würden dann niedrigere Tarife gezahlt, was nicht im Sinne der Gewerkschaften liege.

"Die Tarifeinigung trifft die kommunalen Haushalte in den neuen Bundesländern doppelt hart", so Hans Jörg Duppré, Präsident des Deutschen Landkreistages. Neben der Lohnerhöhung müssen die Ost-Kommunen die Angleichung der Gehälter an das Westniveau im kommenden Jahr verkraften.

Nach Auffassung von Werner Dreibus (Linksfraktion) sind die Einkommenserhöhungen für die Beschäftigten in Bund und Kommunen "ein positives Signal". Die reale Einkommenssituation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müsse weiter verbessert werden. Diese Einigung ist also ein Schritt in die richtige Richtung." Verdi habe mit dem erkämpften Abschluss endlich die Reallohnverluste der letzten Jahre stoppen können.

"Diese Trendumkehr und die zu erwartenden Auswirkungen in anderen Bereichen werden der Binnenkaufkraft zu Gute kommen", so Dreibus. "Von entscheidender Bedeutung ist dabei das klare Zeichen gegen Armutslöhne, denn von der Einigung profitieren vor allem die niedrigeren Einkommen: durch den Sockelbetrag von 50 Euro bekommen die kleinen Einkommen eine Erhöhung von etwa 7 Prozent in diesem Jahr. Außerdem werden in 2008 endlich die Löhne und Gehälter im Osten auf 100 Prozent Westniveau angehoben."

Die vereinbarten Arbeitszeiterhöhungen auf 39 Stunden sind nach Auffassung von Dreibus aber "grundsätzlich falsch, auch wenn es Verdi gelungen ist, für besonders belastete Berufsgruppen wie Krankenschwestern oder Müllwerker Ausnahmen bzw. Kompensationen auszuhandeln. Arbeitszeitverlängerungen führen zu Arbeitsplatzabbau und sind deshalb beschäftigungspolitisch kontraproduktiv."