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21-jähriger deutscher Soldat im Afghanistan-Krieg gefallen

Vermutlich auch Afghanen bei Feuergefecht getötet

Im Afghanistan-Krieg ist am Mittwoch (29. April) ein 21-jähriger deutscher Soldat im Feuergefecht gefallen. Nach Darstellung des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, soll eine Patrouille von knapp 40 deutschen Soldaten in der Nähe des Bundeswehr-Feldlagers Kundus in einen Hinterhalt gelockt und mit Handfeuerwaffen und Granaten beschossen worden sein. Zwischen den deutschen Soldaten und den Soldaten, die nach ihrer Wahrnehmung ihr Land gegen die westlichen "Besatzungsmächte" verteidigen, soll es ein "minutenlanges Feuergefecht" gegeben haben. Dabei wurden, wie Schneiderhahn "vermutet", auf afghanischer Seite mehrere Soldaten getötet. Und auf deutscher Seite wurde ein Hauptgefreiter, ein 21 Jahre junger Mann, getötet. Vier weitere deutsche Soldaten wurden den Angaben zufolge verletzt. Insgesamt sollen am Donnerstag neun deutsche Soldaten verwundet worden sein. Über die Zahl der Verwundeten auf Seiten der Widerstandskämpfer machen die deutschen Stellen keine Angaben.

In Deutschland wird jetzt versucht, den "Taliban" hierbei eine bestimmte Taktik zuzuschreiben. "Zum ersten Mal steckt eine Art militärischer Plan dahinter", sagte Schneiderhan. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte, "die radikal-islamischen Taliban" wollten mit ihrem Vorgehen auch auf die deutsche Bevölkerung einwirken.

Die zwei Anschläge vom Mittwoch, die sich im Abstand von nur wenigen Stunden nahe der nordafghanischen Stadt Kundus ereigneten, stehen nach Bekunden der Taliban im Zusammenhang mit dem Besuch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der am gleichen Tag zu politischen Gesprächen nach Kabul gekommen war. Der Anschlag sei "ein Zeichen für den deutschen Außenminister gewesen", sagte laut Agenturberichten ein Vertreter der Taliban.

Zwei Angriffe

Der erste Angriff war, den Angaben zufolge, am Mittwoch Vormittag gegen 11.00 Uhr Ortszeit südlich der nordafghanischen Provinzstadt Kundus erfolgt, als eine Patrouille mit sechs Fahrzeugen und 26 Soldaten von einem Selbstmordattentäter angegriffen wurde. Der Mann habe sich mit seinem Fahrzeug in die Spitze der Kolonne gedrängt und sich selbst in die Luft gesprengt. Dabei seien fünf Soldaten des Panzergrenadierbataillons 391 aus Bad Salzungen (Thüringen) verletzt worden, zwei von ihnen werden zur weiteren Behandlung nach Deutschland zurückgebracht.

Der zweite Angriff ebenfalls nahe Kundus folgte den Angaben zufolge nur wenige Stunden später. Dabei sei eine Patrouille mit neun Fahrzeugen und 39 Soldaten am Abend um 18.53 Uhr Ortszeit in einen Hinterhalt geraten, aus dem sie mit Handfeuerwaffen und Granaten beschossen worden seien. Nachdem die Patrouille diese Sperre durchbrochen habe, sei sie nur fünf Kilometer weiter in einen zweiten, massiven Hinterhalt gefahren und habe sich mit den Angreifern ein minutenlanges Feuergefecht geliefert. Ein 21-jähriger Hauptgefreiter starb den Angaben zufolge, als sein Transportpanzer von einer Panzerfaust getroffen wurde.

Der Soldat stammt vom Jägerbataillon 292 aus Donaueschingen (Baden-Württemberg). Der Leichnam des jungen Mannes soll voraussichtlich am Wochenende nach Deutschland gebracht werden.

Jung: Wir haben es mit einem vernetzten und intelligenten Gegner zu tun Jung verurteilte die als Anschläge bezeichneten militärischen Angriffe und versicherte, das deutsche Engagement werde fortgesetzt. "Das sind wir auch unseren verwundeten und gefallenen Soldaten schuldig", sagte der deutsche Verteidigungsminister.

"Wir haben es mit einem vernetzten und intelligenten Gegner zu tun", so Jung. Der Anschlag mit dem doppelten Hinterhalt sei offensichtlich "von langer Hand geplant" gewesen.

Laut Schneiderhan haben die Taliban ihr Vorgehen geändert. Das zeige der zweite Anschlag vom Mittwochabend, der mit der bisherigen Taktik "schießen und wegrennen" nicht mehr zu vergleichen sei.

Jung: Wir haben es mit einem vernetzten und intelligenten Gegner zu tun Auch für den Bundeswehrverband hat der zweite "Anschlag" von Kundus eine neue Qualität. "Das ist Kampf. Erstmals ist ein Soldat in einem direkten Feuergefecht gefallen", sagte Verbandschef Ulrich Kirsch. In dieser Situation sei es für die Soldaten und ihre Familien von besonderer Bedeutung, dass die Politik und die Öffentlichkeit hinter ihnen stehen.

Grüne: Das ist gefährlich

Neben Vertretern der Regierung verurteilte auch die Opposition die Angriffe. Die Soldaten nähmen ein hohes Risiko auf sich, um Afghanistan eine Perspektive zu geben, sagte FDP-Wehrexpertin Birgit Homburger. Aus Sicht der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Fritz Kuhn zeigen die Anschläge einmal mehr, wie gefährlich und angespannt die Lage in Afghanistan ist.

FDP und Grüne stimmen den Bundeswehr-Einsätzen in Afghanistan regelmäßig zu.

Lafontaine fordert Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan

Linksparteichef Oskar Lafontaine sagte: "Unser Mitgefühl gilt der Familie des gefallenen deutschen Soldaten. Den Verletzten wünschen wir baldige Genesung. 32 tote deutsche Soldaten in Afghanistan mahnen uns." Linksfraktionschef Gregor Gysi sagte: "Nachdem mittlerweile auch der amerikanische Präsident Obama erklärt hat, dass der Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen ist, fordert Die Linke erneut den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Mittels Krieg verschärft sich der Terror, ziviler Aufbau kann so nicht erfolgreich sein."

Strutynski: Immer größere Teile der afghanischen Bevölkerung wenden sich gegen das Marionettenregime in Kabul

Peter Strutynski vom Bundesausschusses Friedensratschlag sagte, allen am Afghanistankrieg Beteiligten sei längst klar, dass die militärische Mission der NATO auf der ganzen Linie gescheitert sei. "Siebeneinhalb Jahre nach Beginn des Krieges stecken die Besatzungsarmeen tiefer im afghanischen Schlamassel als je zuvor. Nicht nur die Taliban sind zurück, sondern immer größere Teile der Bevölkerung wenden sich gegen das Marionettenregime in Kabul und seine internationalen Unterstützer."

Die beiden Anschläge vom Mittwoch in der Nähe von Kundus seien Ausdruck sowohl der sich zuspitzenden Lage im ganzen Land als auch des zerplatzten Traums eines relativ stabilen Umfelds im Norden Afghanistans, dem bevorzugten Operationsgebiet der Bundeswehr. Zugleich gerate das Konzept der "zivil-militärischen" Zusammenarbeit (CIMIC) und der vor allem von der Bundesregierung gepriesene "umfassende Ansatz" ("comprehensive approach") der NATO in die Bredouille.

Der zivile Aufbau des Landes lasse sich unter der Regie des Militärs nicht realisieren. Soldaten seien nun einmal keine Aufbauhelfer und die Aufbauhelfer in den Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) seien in den Augen afghanischer Widerstandskämpfer Kombattanten und damit legitime Kriegsgegner.

"Die Sprache, derer sich Bundesaußenminister Steinmeier bei seinem Besuch in Kabul gestern bediente, ist der Situation völlig unangemessen", meint Strutynski. Ein Bombenattentat sowie eine bewaffneter Angriff auf Einrichtungen einer als Besatzung empfundenen Armee seien keine "feigen und heimtückischen Anschläge", wie Steinmeier sagte, sondern "normale" Handlungen in einem Krieg.

Der "Hinterhalt", in den eine Bundeswehr-Patrouille geraten, sei nicht mehr und nicht weniger "feig und heimtückisch" als ein nicht angekündigter Luft- oder Raketenangriff der NATO auf vermutete Stellungen der Taliban ("bei denen im Übrigen häufig zivile Opfer zu beklagen sind"), so Strutynski. "Die Sprache suggeriert eine moralische Asymmetrie: hier die aufrechten Besatzungssoldaten der NATO, die nur das Gute wollen, dort die feigen und menschenverachtenden radikalislamischen Taliban, die nur Böses stiften."

Die Friedensbewegung setze sich seit Jahren dafür ein, "das Besatzungsregime in Afghanistan zu beenden. Sie weiß sich darin in Übereinstimmung mit der großen Mehrheit der Bevölkerung hier zu Lande und mit allen Ernst zu nehmenden Experten."

Die deutsche Regierungskoalition tut alles, um das Thema Afghanistankrieg in der Öffentlichkeit zu tabuisieren. "So sollte etwa mit der Verlängerung des Einsatzmandats der Bundeswehr erreicht werde, dass das Thema aus dem Bundestagswahlkampf ausgeklammert bleibt", kritisiert Strutynski. "Diese Absicht will die Friedensbewegung mit verstärkten dezentralen und zentralen Aktionen während des Wahlkampfs durchkreuzen."