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Markenfirmen verantwortlich für schlechte Arbeits- und Sozialstandards

Oxfam-Studie

Große Markenfirmen und Verkaufsketten der Bekleidungs- und Lebensmittelindustrie sind einer neuen Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam International zufolge für die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von Millionen von Arbeiterinnen auf der ganzen Welt verantwortlich. Die Studie "Unsere Rechte im Ausverkauf - Frauenarbeit in globalen Lieferketten von Bekleidungsunternehmen und Supermärkten" belege, dass ein Großteil der enormen Gewinne von Unternehmen im Bekleidungs- und Supermarktsektor auf Kosten der Arbeiterinnen in den Zulieferbetrieben entstehe. Sowohl die Konzerne müssten ihre Einkaufsstrategien ändern, als auch die Verbraucher ihr Konsumverhalten, fordert die Organisation.

Der Bericht ist die deutsche Kurzfassung der englischsprachigen Studie "Trading Away Our Rights - Women Working in Global Supply Chains". Im Mittelpunkt der Studie, die auf Oxfam-Untersuchungen in 13 Ländern und mehr als 1.000 Interviews basiert, steht die Unternehmensstrategie transnationaler Unternehmen in ihren weltweiten Lieferketten.

Oxfam behauptet, dass die riesigen Geschäftsimperien der Einzelhandels- und Supermarktketten durch ihre Unternehmensstrategie, die eine immer schnellere und billigere Versorgung mit immer aktuelleren und frischeren Produkten verlangt, die Durchsetzung genau derjenigen Arbeitsstandards hintertreiben, für die sie angeblich einstehen.

Die Unternehmen benutzten ihre Machtstellung am oberen Ende der globalen Lieferketten, um ihre Zulieferer zu schröpfen. Kosten und Risiken würden an das untere Ende der Lieferketten verlagert. Die Einkaufteams der Unternehmen übten massiven Druck aus und zwingen ihre Zulieferer zu "just in time"-Lieferungen zu niedrigen Preisen. Dieser Kostendruck werde sofort auf die Arbeiterinnen in den Zulieferbetrieben abgewälzt. Dies äußere sich in immer mehr Überstunden, höheren Produktionsvorgaben unter meist schlechten Arbeitsbedingungen und unsicheren Arbeitsverhältnissen. "Millionen von Frauen werden so um ihren gerechten Anteil an den Früchten der Globalisierung betrogen", kritisiert die Organisation.

"Das ist der Punkt, wo die Globalisierung versagt, ihr Potential auszuschöpfen, Menschen aus der Armut zu befreien und Entwicklung zu fördern.", sagt Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland. "Die Diskrepanz zwischen den rhetorischen Bekenntnissen zu globaler sozialer Verantwortung und der tatsächlichen Unternehmensstrategie wird immer größer. Viele Unternehmen haben "Codes of Conduct" und verlangen von ihren Zulieferern die Einhaltung international anerkannter Arbeitsstandards. Aber ihre eigenen rücksichtslosen Einkaufs- und Zulieferpraktiken machen es oft unmöglich, dass diese Arbeitsstandards eingehalten werden können."

Unternehmen wie z.B. Tesco (Großbritannien), Wal-Mart (USA) und El Corte Inglés-Induyco (Spanien) müssen ihre Einkaufs- und Preispolitiken gegenüber ihren Produzenten radikal ändern, fordert Oxfam. In den Interviews erklärten Farm- und Fabrikbesitzer, dass die wirkliche Macht innerhalb der Konzerne bei den Einkaufteams liegt und nicht bei den Verantwortlichen für die "Codes of Conduct". "Die heutige Geschäftsethik besteht oft nur aus drei Forderungen: schnell, billig und flexibel. Alle, die über die furchtbaren Arbeitsbedingungen bestürzt sind, sollten sich fragen: Wer hat den Druck verursacht?", so Kalinski.

Arbeiterinnen sind besonders hart betroffen: Ihre Geschichten entzaubern den Mythos, dass ihr Lohn ja "zusätzliches" Einkommen für die Familien sei. Von vielen Frauen wird erwartet, für ihre Familien zu sorgen und den Lebensunterhalt zu verdienen - dies aber zunehmend in unsicheren und rechtlosen Beschäftigungsverhältnissen. Diese Belastung ruiniert ihre Gesundheit, zerstört ihre Familien und beeinträchtigt die Zukunftschancen ihrer Kinder, so die Studie. Viele Regierungen - ermutigt von Weltbank, IWF und transnationalen Unternehmen - seien ebenfalls schuldig. In ihrem Bestreben, Investoren anzulocken, erließen sie Gesetze und schließen Handelsabkommen, die "flexible" Beschäftigung ermöglichten. Dies führe zwischen den Entwicklungsländern zu einem Wettbewerb um immer "flexiblere" Arbeitskräfte und zu einem Ausverkauf der Rechte der Beschäftigten.

In Chile seien etwa drei Viertel der Obstpflückerinnen auf der Basis befristeter Arbeitsverträge beschäftigt und arbeiteten während der Saison 60 Stunden pro Woche. Jede Dritte von ihnen verdiene nur das Mindestgehalt oder noch weniger. In Großbritannien erhielten Arbeitgeber das Recht, in Heimarbeit Beschäftigten nur 80 Prozent des Mindestgehalts zu zahlen, ohne Abfindung, bezahlten Urlaub, Lohnzahlung im Krankheitsfall oder Rentenansprüche. Mehr als die Hälfte der Frauen in Bangladeschs Bekleidungsfabriken hat nach Oxfam-Angaben keinen Arbeitsvertrag, und die meisten auch weder Mutterschutz noch Krankenversicherung. In Chinas Sonderwirtschaftszonen müssten Frauen 150 Überstunden pro Monat absolvieren, und 90 Prozent hätten keinen Zugang zur Sozialversicherung. Oxfam hat nach eigenen Angaben weltweit Hunderte von ähnlichen Missbräuchen dokumentiert.

Neben den erforderlichen Änderungen der Unternehmensstrategien sei es daher nötig, dass die Regierungen die Rechte der Beschäftigten schützen, insbesondere das Recht, in Gewerkschaften einzutreten und Tarifverhandlungen zu führen. Die Regierungen müssten die international anerkannten Arbeitsstandards durchsetzen, insbesondere solche, die Beschäftigte mit Familien schützen, so die Organisation. Die Konsumenten ihrerseits sollten solche Marken unterstützen, die anspruchsvolle Mode unter guten Arbeitsbedingungen produzieren lassen.