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Keine Revolution in Bangkok?

Thailand

Die Rothemden haben sich neu formiert und hielten am letzten Sonntag eine friedliche Grossdemo in Bangkok ab. Zum Schrecken der Regierung erreichte die Beteiligung um die 40.000 Protestierende. Sie fordern nach wie vor Neuwahlen, die Freilassung ihrer eingekerkerten Anführer und die ganze Aufklärung über die Vorfälle des April und Mai letzten Jahres. Trotz der Zerschlagung der politischen Opposition erreicht die Demokratisierungsbewegung ein Ausmaß, welches die Regierung ernsthaft bedrängt. Doch was war geschehen, blenden wir zurück.

Im Jahre 2006 wurde der demokratisch gewählte Premier-Minister (PM), Thaksin Shinawatra, mittels Militärputsch wegen angeblicher Korruption gestürzt. Er ist der erste PM der es in der thailändischen Geschichte geschafft hat, eine Wiederwahl zu gewinnen, das zeigt schon mal die Popularität im Volke auf. Seine Verdienste zugunsten der armen Bevölkerung und die Einführung einer an der Demokratie orientierten Verfassung passten so gar nicht in die Machtgelüste der Bangkok-Aristokratie. Also entschlossen sie sich, unter dem Einverständnis der Monarchie zum Putsch.

Nach einem Jahr Militärdiktatur und der Einführung einer demokratieunwürdigen Verfassung sowie des Berufsverbotes von Oppositionspolitikern wurden Wahlen abgehalten. Die Rechnung der Aristokraten war nicht aufgegangen, denn die Thaksin nahen Kräfte errangen den Sieg und stellten erneut den PM. Von nun an folgten unwürdigste Possenspiele einer Bananenrepublik. Der neue PM wurde der Korruption beschuldigt und von königsnahen Richtern abgesetzt (Er nahm an einer Kochshow teil und kassierte ca. 300 Euro Gage). Gegen die bestehende Regierung wurde von den Gelbhemden (Gelb ist die Farbe des Montags, der Geburt des Königs) demonstriert mit der tagelangen gewaltmäßigen Besetzung von Regierungssitz und Flughafen mit unermesslichem wirtschaftlichen Schaden, ganz zu schweigen vom Imageverlust. Die Ausrufung des Ausnahmezustandes war insofern erfolglos da sich das Militär weigerte für Recht und Ordnung zu sorgen, von den Putschführern wurde ein regelrechter Appell an die Polizei gerichtet nichts gegen die Gelbhemden zu unternehmen.

Auf Grund dieses immensen Drucks und nach angeblichen Geldzahlungen an abtrünnige Parlamentarier verlor die Regierung ihre Mehrheit. Gewählt wurde der jetzige PM Abhisit. Das wiederum verärgerte die demokratieorientierten Bürger, die Bewegung der Rothemden war gegründet. Die Forderung nach Rückkehr zur Demokratie gipfelte in einer gewaltigen Demonstration im April 2010 mit bis zu 70.000 Mitgliedern und in der anschließenden 2 Monate dauernden Besetzung einer Kreuzung mitten in einem Nobelviertel Bangkoks. Bomben, welche hochgingen, - die eine Seite beschuldigte die Rothemden, die andere Provokateure der Regierung (gefasst wurde nie eine Täterschaft) - veranlasste die Regierung Abhisit mit rigorosen Mitteln einzugreifen. Alle internationalen Standards zur Auflösung von Demonstrationen auslassend setzte das Regime das Militär mit schwersten Kriegswaffen gegen die friedlichen Demonstranten ein. Es wurden sogenannte “fire free zones“ eingerichtet.

Da die Demonstranten vom Militär eingekreist waren, gab es kein entrinnen. Durch Scharfschützen wurde mit gezielten Kopfschüssen auf alles, was sich bewegte, losgeballert. Selbst ausländische Journalisten und klar gekennzeichnete Sanitätsangehörige wurden gezielt beschossen. Unter den letztlich über 90 Toten und 2000 Verletzten befanden sich 2 ermordete Journalisten und 3 helfende Krankenschwestern. In keiner Phase der Auseinandersetzung wurde seitens der Demonstranten mit Schusswaffen operiert. In Videos sind schwarzgekleidete Männer auszumachen welche aus den Stellungen der Rothemden mit Gewehren gegen die Militärs feuerten. Interessant dabei ist, dass sie keine Treffer verzeichneten und ihre Identität, trotz der hermetischen Abriegelung durch die Sicherheitskräfte, nie ermittelt werden konnte. Ob da Provokateure der Armee am Werke waren? Nach der gewaltsamen Zerschlagung der Demonstration wurden die Rädelsführer ohne Anklageerhebung eingesperrt, mit absoluter Kontaktsperre nach aussen.

Doch einmal mehr geht die Rechnung der herrschenden Klasse nicht auf. Trotz der Zerschlagung aller Führungsmitglieder, der Ausrufung des Ausnahmezustandes mit Willkürverhaftungen, der Sperrung von 250.000 Internetseiten (mehr als China), der Auflösung aller Oppositionsmedien und einem mittelalterlich anmutenden Majestätsbeleidigungsgesetz formieren sich die Rothemden neu und werden, nachdem der Ausnahmezustand am 23.12.10 ausgesetzt wurde, monatlich eine Grosskundgebung in Bangkok abhalten, um der Forderung nach mehr Demokratie und Neuwahlen weiter Druck aufzusetzen.

Nun, wie geht es weiter? Dieses Jahr sollen, wenn die Lage stabil bleibt, allgemeine Wahlen stattfinden. Die Angst ist bei den Exponenten der Gelbhemden groß, diese abermals zu verlieren. Zu groß wiegt der Vertrauensverlust bei der Bevölkerung nach all den Lügen und abgekarteten Machtspielen. Führende Gelbhemden sprechen ganz offen von der Forderung eines neuen Putsches um die Machtverhältnisse ein für alle Mal zu zementieren. Dieses Szenario erscheint mir als sehr wahrscheinlich, da sich die herrschende Klasse nie mit der Abgabe ihrer Privilegien wird abfinden können. Über dem Ganzen schwebt das mögliche Ableben des über 80-jährigen kränklichen Monarchen. Die Nachfolgeregelung birgt so viel Unvorhersehbares dass an einer geordneten Fortsetzung des Bestehenden nicht gedacht werden kann.

Das Militär stehe in den Startlöchern. Ein Aufstand im Sinne einer Revolution ist meines Erachtens in weiter Ferne, da keine Logistik noch benötigter ideeller Überzeugung im Volke vorherrscht. Ein Abrutschen in einen totalitären Staat nach dem Muster Burmas ist am wahrscheinlichsten. Damit wären auf Jahre hinaus demokratische Wahlen ausgesetzt. Eine Einmischung von außen ist unwahrscheinlich, da die aufgezwungene Ruhe Investoren beruhigt ihren Geschäften nachgehen lässt.

Ein Bericht von Erich Schardt, der seit einigen Jahren in Thailand lebt.