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Bundesländer wollen schlechte Strahlenschutz-Novelle weiter verwässern

Pressemitteilung von Umweltveränden

Gemeinsam wenden sich die Gesellschaft für Strahlenschutz, die Ärzteorganisation IPPNW, das Otto-Hug-Strahleninstitut und die Umweltschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND ) und Robin Wood gegen eine weitere Verwässerung des ohnehin schon ungenügenden Entwurfs zur Novelle der Strahlenschutzverordnung. Die Verbände und Institute appellieren stattdessen an den Bundesrat und die Wirtschafts- und Umweltminister der Länder, die jetzige Novelle zu Gunsten schärferer Regelungen und eines wirksamen Strahlenschutzes zurückzuziehen. Die Novelle und die von einigen Bundesländern eingebrachten Verwässerungswünsche seien vollkommen inakzeptabel und würden so etwas wie Strahlenschutz nur vortäuschen.

Renate Backhaus, atompolitische Sprecherin des BUND-Bundesvorstandes: "Der Entwurf der Strahlenschutzverordnung bestätigt die Zweifel vieler Bürger und Experten an der Ernsthaftigkeit des von der rot-grünen Bundesregierung angekündigten Atomausstiegs. Entgegen allen Versprechen und öffentlichen Äußerungen des Bundesumweltministers wird im vorliegenden Entwurf der Strahlenschutzverordnung das Schutzniveau der beruflich strahlenbelasteten Arbeitnehmer und der Bevölkerung in wesentlichen Punkten verschlechtert.

Mit der Freigaberegelung wird es der Atomindustrie möglich, den größten Teil des Atommülls, der beim Abriss der Atomkraftwerke in den kommenden Jahrzehnten anfällt, auf normalen Deponien, in Baumaterial, im Straßenbelag oder im Metallrecycling unterzubringen. Wenn man bedenkt, dass dann sogar Zahnspangen aus solch radioaktivem Abfall hergestellt werden könnten, wird so eine schleichende radioaktive Kontamination von Teilen der Bevölkerung bedenkenlos in Kauf genommen. Wir sind nicht bereit, zu akzeptieren, dass die Atomindustrie nach massiven Subventionen bei der Entwicklung der Atomenergienutzung und beim Betrieb der Atomkraftwerke nun auch noch durch gelockerte Strahlenschutzregeln in der Phase der Stilllegung und des Abrisses ihrer Anlagen und der Endlagerung des Atommülls massiv entlastet wird - und das auf Kosten der Gesundheit vieler Generationen."

Wolfgang Köhnlein, Strahlenbiologe an der Universität Münster: "Noch immer werden die Folgen auch niedriger Strahlung stark unterschätzt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der vergangenen 20 Jahre haben eindeutig gezeigt, dass das Strahlenrisiko mindestens um den Faktor 10 höher ist als bislang angenommen. So wurde beispielsweise eine Neubewertung der statistischen Daten der Atombombenopfer von Hiroshima und Nagasaki - die nachweist, dass die schädigende Wirkung ionisierender Strahlung bislang weit unterschätzt wurde - ungenügend in den Entwurf der Novelle einbezogen. Wenn man den Schutz der Bevölkerung vor radioaktiver Strahlung als Maßstab nimmt, muss dieser Entwurf zurückgezogen und umfassend nachgebessert werden. Dass einzelne Länder im Bundesrat statt dessen allerdings sogar noch eine weitere Aufweichung vorschlagen, spricht gegen jedes Schutzinteresse."

Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz: "Die Informationen, die uns aus den Bundesrats-Ausschüssen erreichen, sind erschreckend. So schlagen beispielsweise die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern vor, in der Novelle die Organdosisgrenzwerte komplett zu streichen. Eine solche Streichung wäre keine formale Nebensächlichkeit, sondern würde eine drastische Verschlechterung des Strahlenschutzniveaus zur Folge haben. Wenn man diesen Wünschen folgt, wären beispielsweise anstelle der bisherigen Organdosis von 150 Millisievert für die Knochenoberfläche künftig bis zu 2000 Millisievert pro Jahr zulässig. Dadurch wird das Risiko, durch radioaktive Strahlung zu erkranken oder zu sterben sowohl für beruflich strahlenexponierte Arbeitnehmer als auch für die Bevölkerung deutlich erhöht."

Ellis Huber, Vorstandmitglied des IPPNW: "Bisher wurde schwangeren Frauen untersagt, in Kontrollbereichen zu arbeiten. Damit wurde faktisch ausgeschlossen, dass sie und das ungeborene Leben einer zusätzlichen Strahlenbelastung ausgesetzt werden. Dies hatte einen guten Grund, denn das ungeborene Leben reagiert besonders empfindlich auf Strahlenbelastungen. So ist beispielsweise bekannt, dass fetale Schilddrüsen auf die Belastung mit radioaktivem Jod bis zu 200mal empfindlicher reagieren als die Schilddrüsen der Mütter. Es ist daher absolut unverantwortlich, dass die vorgelegte Novelle es nun sogar ausdrücklich zulässt, dass schwangere Frauen auch im Kontrollbereich arbeiten können, wo Strahlendosen von 6000 Millisievert pro Jahr verursacht werden können. Theoretisch kann das ungeborene Kind so bereits nach 20 Minuten den Grenzwert von 1 Millisievert pro Jahr erreichen. Kinder dürfen dann vor ihrer Geburt künftig einer Strahlenbelastung ausgesetzt werden, die nach der bisherigen Strahlenschutzverordnung verboten war."