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Vereinte Nationen töteten im "Krieg der Rohstoffe" mehr als 50 Kongolesen

Außenpolitische Strategie

Bei einem Angriff von UN-Blauhelmsoldaten auf ein Milizenlager in der nordostkongolesischen Region Ituri sind am Dienstag nach vorläufigen Angaben mindestens 50 Milizionäre getötet worden. Der Angriff der Vereinten Nationen, der nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) von dem niederländischen General Patrick Cammaert geplant worden war, richtete sich gegen ein Lager der Miliz "Front nationaliste et intégrationiste" (FNI) in der Nähe der Ortschaft Loga, rund 30 Kilometer außerhalb der Regionalstadt Bunia. Der französische Generalstabschef der UN-"Mission" für Kongo (MONUC), Jean-François Collot d'Escury, machte deutlich, dass es sich bei dem UN-Angriff um einen Racheakt handelte: die Milizenführer in Ituri würden von der UN für die Ermordung von neun Blauhelmsoldaten in der vergangenen Woche verantwortlich gemacht. Der Angriff auf die Milizen sei eine "direkte Antwort auf die Ermordung der neun Soldaten", so der UN-General laut FAZ. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes vom 4. Oktober 2004 ist Deutschland der drittgrößte Beitragszahler für den MONUC-Einsatz.

Nach einem Bericht der österreichischen Zeitung "Der Standard" vom 18. Januar 2001, ist der Krieg im Kongo ein "Verteilungskrieg" um den ungeheuren Reichtum des Kongo. "Diamanten, Kupfer, Kobalt, Gold, seltene Erden, Edelhölzer - riesige Mengen leicht abbaubarer, gut absetzbarer Rohstoffe haben schon vor hundert Jahren die Begehrlichkeiten der damaligen belgischen Kolonialherren geweckt", schreibt die Zeitung. "Fast 40 Jahre lang konnte der Diktator Mobutu Sese Seko die Verteilung der Schätze unter seinen Anhängern und internationalen Konzernen kontrollieren. Seit seinem Sturz 1997 hat sich eine Vielzahl von Interessenten auf den Kongo gestürzt." In seiner "Außenpolitischen Strategie zu Zentralafrika" vom Januar 2004 schreibt auch die deutsche Bundesregierung von einem Krieg der Rohstoffe.

Die MONUC beschuldigten laut FAZ die Milizen der "Kriegsverbrechen" wegen der Ermordung der neun Blauhelmsoldaten und der "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", weil sie bei den Kämpfen am Dienstag Zivilisten als lebendige Schutzschilde benutzt hätten, schreibt die FAZ. Zuvor hatte ein Sprecher der Vereinten Nationen den Angriff mit der Sorge um die Sicherheit der in der Nähe des Milizenlagers lebenden rund 8000 Flüchtlinge begründet.

Die deutsche Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, befindet sich derzeit - vom 28. Februar bis zum 4. März 2005 - in der Demokratischen Republik Kongo und in Ruanda. Sie führt dort Gespräche mit dem kongolesischen Präsidenten Kabila, dem ruandischen Präsidenten Kagame, mit Vertretern der MONUC-Truppen der Vereinten Nationen und mit Vertretern der Zivilgesellschaft. "Zum Transitionsprozess in der DR Kongo gibt es keine Alternative, und wir werden diesen Prozess weiterhin unterstützen", erklärte die Staatsministerin. "Vor allem MONUC spielt eine zentrale Rolle in diesem Friedensprozess." Müller wolle auf ihrer Reise alle Akteure dazu auffordern, gemeinsam auf das Ziel freier Wahlen im Kongo hinzuarbeiten und auf militärische Zurückhaltung und konstruktive Zusammenarbeit in der Region drängen. MONUC ist mit etwa 13.000 Soldaten gegenwärtig "die größte UN-Mission der Welt", schreibt die FAZ.

Einsetzung der Übergangsregierung: Abbau von Handelshindernissen - tatsächliche Eigentumsgarantie - Investitionsgesetz, Forstgesetz und Minengesetz Auf der Website des Auswärtigen Amtes wird unter anderem die "Einsetzung einer Übergangsregierung im Juli 2003" in Kongo als "entscheidende Etappe" in dem für die Sicherheit und Stabilität in Zentralafrika maßgeblichen Friedensprozess bezeichnet. Nach Einsetzung der Übergangsregierung seien die "wesentlichen willkürlichen Handelshindernisse innerhalb des Landes (z.B. Sperrung des Schiffsverkehrs auf dem Kongo in der Provinz Equateur, die von den Rebellengruppen eingerichtet worden waren)" größtenteils abgebaut worden.

Staatliche Maßnahmen zur Schaffung einer marktfreundlichen und sozialorientierten Wirtschaftsordnung seien nur in wenigen Bereichen zu verzeichnen. "Zunächst ist eine Bereinigung der Steuergesetzgebung und eine tatsächliche Eigentumsgarantie notwendig", meint das Auswärtige Amt. "Der Verabschiedung von Investitionsgesetz, Forstgesetz und Minengesetz muss noch deren jeweilige konkrete Umsetzung folgen."

DR Kongo: Erdöl und Tropenholz für Deutschland

Unter den Handelspartnern Deutschlands südlich der Sahara nehme die heutige Demokratische Republik Kongo (früher Zaire) traditionell einen der vorderen Plätze ein. Deutschland beziehe aus der DR Kongo hauptsächlich Erdöl und Tropenholz. Die wichtigsten Importe aus Deutschland sind Kraftfahrzeuge, Maschinen und elektrotechnische Erzeugnisse, Eisen- und Haushaltswaren sowie chemische Erzeugnisse.

"Die Demokratische Republik Kongo ist reich an Bodenschätzen, fruchtbaren Böden, tropischen Nutzhölzern und verfügt über ein gewaltiges Potenzial an hydroelektrischer Energie", schreibt das Auswärtige Amt. "Das enorme wirtschaftliche Potenzial des Landes" habe seit der Unabhängigkeit "nie voll ausgeschöpft werden" können. Die wichtigsten Exportprodukte seien Kupfer, Industriediamanten, Kobalt, Gold, Erdöl, Kaffee, Palmöl, pharmazeutische Pflanzen und Nutzholz.

Von den beiden vor den Bürgerkriegen im Kongo tätigen deutschen Holzfirmen sei das im Nordkongo befindliche Unternehmen von den Kriegswirren weitgehend verschont geblieben, so das Auswärtige Amt, während die Anlagen des Werkes in Dolisie, mit den Holzeinschlagszonen im Rebellengebiet, von Milizen und regulären Truppen besetzt, geplündert und fast vollständig zerstört worden sei. Eine weitere deutsche Holzfirma habe sich inzwischen im Norden etabliert. "Beide zusammen bewirtschafteten eine Fläche von 3 Mio. Hektar in anerkannt nachhaltiger Weise." Das in den 60er Jahren errichtete und dann verstaatlichte deutsche Zementwerk sei 1999 reprivatisiert und von einer deutschen Investorengruppe übernommen und anschließend weiter veräußert worden.

Die deutsche (technische) Entwicklungszusammenarbeit konzentriert sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes heute hauptsächlich auf die Bereiche Krisenprävention und -nachsorge, Gesundheit/AIDS, "Unterstützung der Privatwirtschaft über Basisgruppen und Ressourcenschutz". Die "Hilfeleistungen" Deutschlands in Höhe von insgesamt 35,45 Millionen Euro in den Jahren 2001 und 2002 haben sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes im Vergleich zu den Vorjahren erhöht.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in der "Außenpolitischen Strategie zu Zentralafrika" werden die Handels- und Entwicklungspolitik miteinander "verzahnt". Hintergrund hierfür bildet das Cotonou-Abkommen der EU von Juni 2000. Dadurch sollen die bisher einseitigen Handelspräferenzen ab 01.01.2008 "durch WTO-konforme Regelungen mit stufenweisem Abbau der Handelshemmnisse abgelöst werden".

"Außenpolitische Strategie zu Zentralafrika"

In der Einführung des Auswärtigen Amtes zur "Außenpolitischen Strategie zu Zentralafrika", datiert vom Dezember 2003, werden die "politischen Interessen Deutschlands in Zentralafrika" skizziert. Dort heißt es unter anderem, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Region für Deutschland noch gering sei. Sie könne jedoch aufgrund der Bevölkerungszahl, des in einigen Staaten wachsenden Volkseinkommens und der verfügbaren Rohstoffe zunehmen. "Schon jetzt sind einige Staaten in Zentralafrika wichtige Erdölproduzenten (Republik Kongo, Gabun, Äquatorialguinea); mittelfristig, insbesondere nach Ende des gegenwärtigen länderübergreifenden Konfliktes, dürfte vor allem die DR Kongo aufgrund ihrer Größe, des Rohstoffreichtums und der zentralen Lage an politischem und wirtschaftlichem Gewicht erheblich gewinnen." Nach der Einsetzung der Übergangsregierung unter Joseph Kabila habe "das internationale Interesse deutlich zugenommen". Zudem: "Die ökologische Bedeutung der großen, über weite Strecken noch intakten Regenwaldgebiete im Kongobecken erfordert besondere Aufmerksamkeit."

Mit "Zentralafrika" meint das Auswärtige Amt die Staaten Demokratische Republik Kongo (DR Kongo), Republik Kongo, Ruanda, Burundi, Gabun, Äquatorial-Guinea, Sao Tomé und Principe, Kamerun, Zentralafrikanische Republik und Tschad. Die Region verfüge über "hochwertige Rohstoffe, die Auslöser gewaltsamer Auseinandersetzungen sind", heißt es in der Außenpolitischen Strategie zu Zentralafrika mit Stand vom Januar 2004. "So ist das sporadische Aufflackern von Kämpfen in der DR Kongo insbesondere auf die Ausbeutung der dortigen Rohstoffe durch die Kriegsparteien zurückzuführen." Dieser "Krieg der Rohstoffe" werde vor allem um Diamanten, Gold und Coltan geführt. "Dies unterstreicht die Bedeutung eines Zertifizierungssystems für Diamanten (Kimberley Prozess) sowie die Forderung nach wirksamer Unterbindung illegaler Exporte strategischer Rohstoffe, damit die Einkünfte primär der Regierung in Kinshasa zugute kommen."

Das Auswärtige Amt verweist auf den Abbau der folgenden Rohstoffe in der Region: Erdöl (Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Äquatorialguinea, Tschad, in geringem Umfang auch DR Kongo), Gold (DR Kongo), Diamanten (DR Kongo, Zentralafrikanische Republik), Kupfer (DR Kongo), Kobalt (DR Kongo), Tantal ["Coltan"] (DR Kongo), Bauxit (Kamerun), Zink, Zinn, Kadmium, Germanium, Wolfram (DR Kongo), Mangan, Niobium (Gabun).

Hinzu komme das gewaltige hydroelektrische Potenzial des Kongo-Beckens, das bei entsprechender Nutzung große Teile des Kontinentes mit Energie versorgen könnte. Der deutsche Siemens-Konzern bewirbt sich nach Angaben der Website "german-foreign-policy" um den Bau eines gigantischen Wasserkraftwerks am Kongo-Fluss, das Zentrum eines panafrikanischen Elektrizitätsverbands von Südafrika bis Ägypten werden soll.

"Kongo wartet regelrecht auf die UN-Soldaten"

"Kongo wartet regelrecht auf die UN-Soldaten" war der Titel eines Interviews der "Süddeutschen Zeitung" vom 31.05.2003 mit Staatsministerin Müller. "Die Eingreiftruppe braucht ein robustes Mandat. Die Menschen warten am Flughafen regelrecht auf ihre Ankunft", so Müller in dem Interview. "Die UN-Soldaten, die jetzt mit einem Mandat präsent sind, das ihnen nicht viel mehr als Selbstverteidigung erlaubt, können kaum noch sich, geschweige denn die Menschen schützen. Sie haben es oft mit Kindersoldaten zu tun, die unter Drogen gesetzt wurden und unberechenbar sind. Zwei UN–Soldaten sind schon ermordet worden."

In der Region Ituri, in dem jetzt der tödliche Angriff der Vereinten Nationen auf die kongolesischen Milizen stattfand, sieht Müller mehr als einen "ethnischen Konflikt" zwischen den beiden Ethien Hema und Lendu. "Die Nachbarn Uganda und Ruanda stehen im Verdacht, einheimische Stämme für einen Stellvertreterkrieg zu instrumentalisieren, bei dem es um Einfluss und Rohstoffe geht", meint die deutsche Staatsministerin.