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Verfassungsrichter für GPS und gegen Rundumüberwachung

"Aufmerksam beobachten"

Die Polizei darf mutmaßliche Straftäter mit Hilfe des satellitengestützten Ortungssystems GPS überwachen. Das entschied am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Verwendung von Mitteln technischer Observation verletze im Regelfall nicht die Privatsphäre von Beschuldigten. Die Karlsruher Richter verlangten aber vom Gesetzgeber, die technischen Entwicklungen "aufmerksam zu beobachten". Er müsse "wegen des schnellen, für den Grundrechtsschutz riskanten informationstechnischen Wandels" notfalls gesetzlich nachbessern. Eine "Rundumüberwachung", mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Beschuldigten erstellt werden könnte, wäre laut dem Urteil "unzulässig".

Der Zweite Senat verwarf die Verfassungsbeschwerde eines früheren Mitglieds der linksterroristischen "Antiimperialistischen Zelle" (AIZ). Die Verurteilung zu 13 Jahren Haft wegen vier Sprengstoffanschlägen und Mordversuchs stützte sich vor allem auf Daten aus der GPS-Überwachung. Im Auto eines Mittäters hatte die Polizei auf Anordnung des Generalbundesanwalts heimlich einen GPS-Empfänger installiert, mit dessen Hilfe die Position des Pkw bis auf 50 Meter genau bestimmt werden konnte.

Das Bundesverfassungsgericht überprüfte nun die Zulässigkeit einer Bestimmung in der Strafprozessordnung, die der Beweiserhebung unter Einsatz des GPS und die anschließende Verwertung dieser Beweise dient (§ 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b Strafprozessordnung StPO). Nach Auffassung des Gerichts ist die Vorschrift verfassungsgemäß.

Die Verfassungsrichter halten die Strafprozessordnung für hinreichend bestimmt. Das verwendete Merkmal "besondere für Observationszwecke bestimmte Mittel" sei genügend konkretisiert. Das Bestimmtheitsgebot verlange vom Gesetzgeber, dass er technische Eingriffsinstrumente genau bezeichne. Es verlange aber keine gesetzlichen Formulierungen, "die jede Einbeziehung kriminaltechnischer Neuerungen ausschließen".

"Wegen des schnellen und für den Grundrechtsschutz riskanten informationstechnischen Wandels muss der Gesetzgeber die technischen Entwicklungen aber aufmerksam beobachten und notfalls durch ergänzende Rechtssetzung korrigierend eingreifen", heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.

Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Verwendung von Instrumenten technischer Observation erreichen nach Auffassung der Richter "in Ausmaß und Intensität typischerweise nicht den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung". Darüber hinaus könne durch die technische Observation unter Umständen ein tiefer gehender Eingriff mit Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte – etwa das Abhören von Gesprächen – vermieden werden. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass für längerfristige Observationen des Beschuldigten im Gesetz zusätzliche Voraussetzungen formuliert seien und Observationen, die mehr als einen Monat dauerten, einer richterlichen Anordnung bedürften.

Schließlich bedurfte es nach Auffassung des Gerichts auch keiner gesonderten gesetzlichen Regelung für einen Einsatz mehrerer Ermittlungsmaßnahmen zur selben Zeit. Durch allgemeine verfahrensrechtliche Sicherungen sei eine "unzulässige Rundumüberwachung", mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Beteiligten erstellt werden könnte, grundsätzlich ausgeschlossen.

Beim Einsatz moderner, insbesondere dem Betroffenen verborgener, Ermittlungsmethoden müssten die Strafverfolgungsbehörden aber mit Rücksicht auf das dem "additiven" Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotential besondere Anforderungen an das Verfahren beachten. So sei sicher zu stellen, dass die Staatsanwaltschaft als primär verantwortlicher Entscheidungsträger über alle Ermittlungseingriffe informiert sei. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber zu beobachten, ob die bestehenden verfahrensrechtlichen Vorkehrungen auch angesichts zukünftiger Entwicklungen geeignet seien, "den Grundrechtsschutz effektiv zu sichern" und unkoordinierte Ermittlungsmaßnahmen verschiedener Behörden verlässlich zu verhindern.

Staatssekretär: Unbemerktes Implantieren in den Körper eines Verdächtigen ist technisch nicht möglich

Bundesinnenminister Otto Schily begrüßte den Richterspruch. Die Polizei benötige derartige GPS-Informationen, um Verdächtige und ihre Bewegungen genau orten zu können. "Damit hat das Bundesverfassungsgericht ein für die polizeiliche Ermittlungspraxis bedeutsames Instrument bestätigt und die Nutzung modernster technischer Methoden für die Kriminalitätsbekämpfung abgesichert", sagte der Minister in Berlin.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Heribert Rech (CDU), nannte die Karlsruher Entscheidung "sehr hilfreich für die Ermittlungsarbeit der Polizei". Es sei selbstverständlich und rechtsstaatlich geboten, dass die Polizei dieses Fahndungsinstrument mit der notwendigen Zurückhaltung einsetze, sagte der baden-württembergische Innenminister in Stuttgart. Diese Überwachung werde insbesondere zur Bekämpfung schwerer sowie bandenmäßig oder organisiert begangener Kriminalität eingesetzt.

Justizstaatssekretär Hansjörg Geiger sagte in Karlsruhe, das Verfassungsgericht habe "keinen Freibrief" für eine Totalüberwachung gegeben. Es sei nun aber "Waffengleichheit" mit den oftmals "cleveren" Tätern geschaffen. GPS-Geräte könnten im Übrigen nur an Fahrzeugen und Gegenständen heimlich angebracht werden. Ein unbemerktes Implantieren in den Körper eines Verdächtigen sei "schon aus technischen Gründen ausgeschlossen", sagte der Staatssekretär.